

Noch Mitte Februar gibt es Hoffnung: Da reist Bundeskanzler Olaf Scholz nach Moskau und zeigt sich danach optimistisch, dass Russlands Präsident Wladimir Putin von dem angedrohten Angriff auf die Ukraine absieht.
Doch die Annäherung war Illusion: In der Nacht zum 24. Februar dringen von der Krim und vom Norden her russische Truppen in ukrainisches Territorium ein. Zwar herrscht in dem Land bereits seit 2014 Krieg, als Russland die Krim annektierte und von Russland unterstützte Separatisten im Osten zu den Waffen griffen. Doch nun beginnt eine groß angelegte Invasion des Nachbarlandes.
Die Angreifer markieren viele ihrer Panzer und Fahrzeuge mit einem "Z", das zum Propaganda-Symbol der vom Kreml ausgerufenen "Spezialoperation" wird - ein Wort, das den Angriffskrieg kleinreden soll.
In der Hauptstadt Kiew schlagen die ersten Raketen ein, auch in Wohngebäude. Noch in der Nacht sterben Menschen. Im Donbass eskaliert der bislang auf kleinerer Flamme ausgetragene Konflikt ebenfalls.
Russische Saboteure und Spezialkräfte dringen in Kiew ein - und werden gestoppt. Armee, Polizei und zivile Verteidiger bekämpfen offen oder verdeckt operierende Kräfte, die unter anderem Staatschef Wolodymyr Selenskyj töten sollen.
Am zweiten Morgen des Krieges meldet sich Selenskyj per Selfie-Video zu Wort. Seine Botschaft: Der Präsident und seine Regierung sind am Leben und denken gar nicht daran, zu fliehen.
Der frühere Schauspieler wendet sich von nun an regelmäßig in Pressekonferenzen und Videos zu Wort. Er avanciert zum Gesicht des ukrainischen Widerstands gegen die Invasoren.
In Kiew flüchten sich derweil Tausende Zivilisten in die tief im Untergrund liegende Metro, um sich vor Raketenangriffen zu schützen. Derweil scheitern die Russen mit dem Versuch, den Flughafen Hostomel zum Brückenkopf der Invasion zu machen.
Die Ukrainer gewinnen wertvolle Zeit, auch wenn die Schäden immens sind. Das weltgrößte Transportflugzeug, die Antonow 225 der ukrainischen Fluggesellschaft Antonov Airlines wird dabei zerstört.
Die ukrainische Armee sprengt zudem die Brücke über den Fluss Irpin, um den russischen Vormarsch vom Norden zu stoppen.
Die Menschen aus den nördlichen Vororten der Hauptstadt, Irpin und Butscha, fliehen zu Fuß über die Überreste der Brücke. Sie können fast nichts mitnehmen auf der Flucht.
Irpin wird weitgehend zerstört. Wer bleibt oder nicht rechtzeitig fliehen kann, durchlebt Wochen des Horrors.
Immer wieder werden fliehende Zivilisten an der Brücke von Irpin von russischer Artillerie beschossen und getötet. Es sterben Männer und Frauen, Alte und Kinder, während sich die ukrainische Armee gegen eine Einkesselung Kiews stemmt.
Ende Februar ist es noch kaum vorstellbar: Die Russen ziehen später ab und im April steht die Brücke schon wieder, wenn auch nur provisorisch.
Doch zu Beginn des Krieges ist die Lage noch völlig unklar. Immer wenn es dunkel wird in Kiew, weiß niemand, ob der Widerstand die Nacht über durchhalten wird.
Panzersperren gehören zum neuen Straßenbild der ukrainischen Hauptstadt.
Zivilisten füllen Sandsäcke und bauen Molotow-Cocktails, um bei der Verteidigung ihrer Stadt zu helfen.
Kiews Bürgermeister Witali Klitschko und sein Bruder Wladimir (v.r.) vermitteln den Deutschen die ganze Not ihres Landes - auch sie werden zu Gesichtern des Kampfes ihres Volkes.
Zu Hunderttausenden fliehen die Menschen aus dem Land. An den Grenzen, wie hier zu Rumänien, bilden sich lange Staus. Viele Menschen bleiben ohne Benzin für ihre Autos liegen und müssen zu Fuß weiter.
Im polnischen Grenzort Medyka kommt ein schnell wachsender Strom an Geflüchteten an. In einem nationalen Kraftakt nehmen sich die - sonst so migrationsskeptischen - Polen der Neuankömmlinge an.
Auch am Berliner Hauptbahnhof kommen Ende Februar und Anfang März jeden Tag Zehntausende Ukrainer an, vor allem Frauen, Kinder und Alte.
Die Menschen bringen ihre traumatischen Erinnerungen mit, ihre Ängste und Sorgen um die Zukunft. Bis Ende Mai steigt die Zahl der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer auf etwa 800.000.
Die Männer bleiben meist zum Kämpfen zurück. Nach Ausrufung der Generalmobilmachung dürfen sie ohnehin nicht mehr ausreisen.
Wie groß der Widerstandsgeist der Ukrainer ist, zeigt sich schon am ersten Tag des Krieges, im Streit um das strategisch wichtige Schwarzmeereiland Schlangeninsel.
Der Aufforderung zur Kapitulation der dort stationierten Ukrainer entgegnet ein Soldat: "Russisches Kriegsschiff, fick dich!" Er und seine Kameraden werden beschossen. Der zunächst für tot gehaltene Mann soll Ende Mai aus russischer Kriegsgefangenschaft befreit worden sein.
Doch auch Russland bekommt den Krieg sofort zu spüren: Notenbankchefin Elvira Nabiullina (l. neben Maxim Oreschkin) muss Putin erklären, wie sich Russland gegen die offenbar unerwartet schwerwiegenden Sanktionen stemmen kann.
Die Schließung der McDonald's-Filialen ist dabei nur ein Symbol für den weitgehenden Rückzug westlicher Firmen aus Russland.
Viele Russen, die den Krieg gegen die Ukraine ablehnen, werden bei Protesten festgenommen. Kritische Bemerkungen werden als angebliche Falschbehauptungen über die Armee unter Strafe gestellt.
Den anfänglichen Protesten begegnet der russische Staat mit Gewalt und Unterdrückung - bis es schließlich kaum noch Demonstrationen gibt. Stattdessen verlassen die Menschen, vor allem gebildete Akademiker, zu Zehntausenden das Land.
Die Journalistin Marina Owsjannikowa wird zum Gesicht des Widerstands: In der russischen Hauptnachrichtensendung im Sender Perwy Kanal hält sie ein Schild hoch, auf dem in Englisch und Russisch steht: "Kein Krieg. Stoppt den Krieg. Glauben Sie nicht der Propaganda. Sie belügen Sie hier." Zudem ruft sie: "Stoppt den Krieg. Nein zum Krieg."
Wer in Russland bleibt, bekommt legal keine kritischen Nachrichten mehr. Die mit dem Nobelpreis prämierte Zeitung "Nowaja Gaseta" stellt unter dem politischen Druck ihre Berichterstattung vorerst ein.
Das erste Kriegsziel erreicht der Kreml aber nicht: die Eroberung Kiews und den Sturz der angeblichen "Nazi-Regierung". Symbolisch dafür steht die lange Kolonne an Militärfahrzeugen zwischen Russland und Kiew. Die russische Armee leidet an logistischer Fehlplanung und wird von den Ukrainern aufgerieben.
Der Rückzug der Invasoren aus dem Norden der Ukraine ist Zeichen des militärischen Desasters für Russland.
Mit westlichen Panzerfäusten neuesten Typs wie dem Modell Javelin rücken die Ukrainer den Russen zu Leibe und attackieren sie aus dem Hinterhalt.
Auch die seit der Krim-Annexion erworbenen Kampfdrohnen Bayraktar aus türkischer Produktion erweisen sich als hocheffektiv - die ukrainischen Soldaten widmen dem Gerät sogar ein Lied.
Vor allem die oft veralteten Kampf- und Schützenpanzer gehen den Russen binnen Wochen in hoher dreistelliger Zahl verloren. Sie werden entführt ...
... oder zurückgelassen und den ukrainischen Streitkräften zugeführt. Dass es oft Bauern mit ihren Traktoren sind, die das russische Kriegsmaterial abschleppen, sorgt im Internet für Heiterkeit und nimmt den Ukrainern etwas die Angst vor der russischen Übermacht.
Von den ersten Tagen des Krieges an strömt den Ukrainern eine Welle der Solidarität von Menschen aus aller Welt entgegen. Die erste Demonstration am 27. Februar in Berlin zieht Hunderttausende Menschen an.
Im Bundestag verkündet Bundeskanzler Scholz am selben Tag, dass Deutschland nun doch Waffen liefern werde an die Ukraine. Es ist ein Paradigmenwechsel, genauso wie die "Zeitenwende": Scholz' Versprechen, die Bundeswehr mit zusätzlichen 100 Milliarden Euro zu ertüchtigen.
Derweil wird den russischen Besatzern immer bewusster, dass sie kaum als Befreier begrüßt werden. Stattdessen stellen sich die Menschen - wie hier in der Stadt Cherson - den Soldaten entgegen.
Um lokalen Widerstand zu brechen, geht Russland gezielt gegen die kommunale Politik vor und bombardiert etwa die Regionalverwaltung von Mykolaiv und ...
... entführt den Bürgermeister der Stadt Melitopol, Ivan Fedorov, der später aber befreit werden kann. Andere Politiker werden dagegen getötet, sind weiter in russischer Gewalt oder werden vermisst. An ihrer Stelle installieren die Russen Marionettenregierungen.
Ein Feuer an Europas größtem Atomkraftwerk nahe Saporischschja schürt Ängste vor einer nuklearen Katastrophe. Zum Glück kann der durch Beschuss entfachte Brand in einem Lagerhaus gelöscht werden.
Besonders heftig tobt die Gewalt bald in und um Mariupol, der Hafenstadt am Asowschen Meer. Eine Geburtsklinik wird nahezu zerstört.
Die Bombardierung des Stadttheaters kostet hunderte Menschenleben - obwohl in großen Buchstaben ("Djeti" - Kinder) auf dem Vorplatz der Bau als Zivilschutzort markiert war.
International sind es neben den USA vor allem die Osteuropäer, die den Freiheitskampf der Ukrainer entschlossen unterstützen. Am 15. März reisen die Ministerpräsidenten von Polen, Tschechien und Slowenien in das ...
... da noch umkämpfte Kiew. Bomben treffen dieses Wohngebäude im Stadtteil Swjatoschyn.
Zwei Tage später eine Premiere im Bundestag: Ein Staatschef wird per Videostream in das vollbesetzte Plenum gestreamt. Eindringlich fordert Selenskyj Hilfe von Deutschland sowie ein konsequentes Rohstoffembargo gegen Russland.
Zwei Wochen nach der Bundestagsrede trifft US-Präsident Joe Biden ukrainische Regierungsvertreter sowie ukrainische Geflüchtete und hält eine Rede, in der er einen Sturz Putins andeutet - was das Weiße Haus eiligst dementiert.
Die Offensive auf Kiew ist gescheitert. Auf ihrem Rückzug erleidet die russische Armee, wie hier in Brovary, schwere Verluste an Mensch und Material.
Die von den Russen zurückeroberten Orte wie Borodjanka im Norden des Landes sind ...
... teils zerstört. Wo Mitte Februar noch Menschen lebten, sind sechs Wochen später nichts als Schutt und Asche.
Als auch die Region um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl wieder in ukrainischer Hand ist, zeigen Schützengräben im verseuchten Boden nahe der Kraftwerksruine, wie wenig sich Moskau um das Leben der eigenen Soldaten schert.
Ende April ziehen auch die letzten russischen Truppen aus den Kiewer Vororten ab. Die Armee organisiert sich neu und konzentriert sich fortan auf die Kämpfe in der Ostukraine.
Doch den Rückeroberern bietet sich in den Vororten ein Bild des Schreckens, dessen ganzes Ausmaß erst im Verlauf mehrerer Tage erkennbar wird. Zum traurigen Symbol wird dabei Butscha.
Die Aufnahme von der getöteten Iryna Filkina wird eines von vielen Symbolen für die russische Grausamkeit gegenüber Zivilisten. Die Mutter zweier Kinder wurde 52 Jahre alt.
Die russischen Truppen haben sich vor ihrem Abzug keine Mühe gemacht, ihre Verbrechen zu kaschieren. Leichen von Männern, Frauen und auch Kindern pflastern die Straßen Butschas und anderer Orte.
Darunter sind auch Menschen, die offensichtlich von den Russen gefangen und gefesselt wurden, bevor sie geradezu hingerichtet wurden.
Viele Menschen wurden eiligst in Massengräbern verscharrt. Drei Monate nach Beginn des Krieges werden der ukrainischen Justiz mehr als 15.000 Fälle mutmaßlicher Kriegsverbrechen gemeldet.
Als Staatschef Selenskyj in Begleitung von Journalisten Butscha besichtigt, ist der für seine Entschlossenheit gerühmte Staatsmann ein anderer als noch Ende Februar - er wirkt erschöpft und ist binnen Wochen sichtbar gealtert.
Die weltweiten Solidaritätsbekundungen an die Ukraine mehren sich nach Butscha und immer mehr Staats- und Regierungschef wagen einen Besuch. Nur einer ist nicht willkommen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss seine Besuchspläne kurz vor der Abfahrt aus Warschau abbrechen.
Als erstes hochrangiges deutsches Regierungsmitglied kommt Außenministerin Annalena Baerbock nach Kiew. Zwei Wochen zuvor hat der Bundestag grünes Licht gegeben für die Lieferung schwerer Waffen.
Die ukrainische Armee kann derweil im März, April und Mai den Tod mehrerer russischer Kommandeure vermelden. Zudem gelingen ihr Schläge gegen kriegswichtige russische Infrastruktur - wie es mutmaßlich bei dem Brand eines Öllagers in der russischen Stadt Belgorod der Fall war.
Einer der symbolträchtigsten Erfolge der Ukrainer aber ist der Untergang der "Moskwa", des Flaggschiffs der russischen Schwarzmeerflotte. Moskau bestreitet, dass der Raketenkreuzer durch ukrainischen Beschuss versenkt wurde.
Eine Ehrung der "Moskwa"-Matrosen soll Meldungen von nur einer Handvoll Toten bestätigen, während russische Rechercheportale Dutzende Familien ausfindig machen, deren Söhne nach dem Dienst auf dem Schiff als vermisst gelten.
Doch trotz der hohen Verluste und wiederholten Niederlagen auf dem Schlachtfeld sitzt Putin fest im Sessel. Am 9. Mai, dem Tag des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland, spricht er bei der Militärparade über den aktuellen Kampf gegen den "Nazismus".
Dabei gelingt Russland ein wichtiger Sieg: Nach Wochen des Dauerfeuers erobern die Truppen die Hafenstadt Mariupol. Moskau erlangt dadurch die Kontrolle über die südlichen Gebiete zwischen der annektierten Krim und dem Donbass. Die Stadt wird ohne Rücksicht auf ihre 400.000 Einwohner in Schutt und Asche gelegt.
Die Menschen müssen ihre Angehörigen in Massengräbern beerdigen. Einige tausend Zivilisten können schließlich in Sicherheit gebracht werden, eine unbekannte Zahl an Menschen wird jedoch unter Zwang nach Russland verschleppt.
Auf den Straßen liegende Tote sind für die in Mariupol Eingeschlossenen mittlerweile alltägliche Bilder. Es geht ums nackte Überleben.
Als die Stadt nicht mehr zu halten ist, verschanzen sich ukrainische Kämpfer, ihre Angehörigen und andere Zivilisten im örtlichen Stahlwerk Asowstal mit seinen Bunkern und verzweigten, unterirdischen Gängen.
Russlands Vorgehen gegen die Menschen im Stahlwerk ist unerbittlich, auch weil die dort kämpfenden Ukrainer zum großen Teil dem Asow-Regiment angehören, das auf eine rechtsradikale Miliz zurückgeht - und so in die Propaganda vom russischen Kampf gegen Nazis passt.
Für die meisten Ukrainer aber sind die Soldaten Helden. Unter widrigsten Umständen und hohen Verlusten binden sie über Wochen russische Kräfte, die dem Kreml an anderen Fronten des Kriegs fehlen.
In Kiew kommt es aber auch erstmals zu Selenskyj-kritischen Protesten, als Angehörige die Befreiung der Soldaten im Stahlwerk fordern, da ihr Kampf am Ende aussichtslos ist.
Am 21. Mai schließlich befiehlt Kiew seinen Kämpfern die Kapitulation. Die Männer gehen einem ungewissen Schicksal entgegen.
Die tschetschenischen Kämpfer unter dem Befehl des blutrünstigen Putin-Statthalters Kadyrow jubeln über ihren "Sieg" in Mariupol, während ...
... die ukrainischen Kriegsgefangenen und ihre Angehörigen bangen. Die Offiziellen der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk" drohen ihnen mit der Todesstrafe. Möglich könnte aber auch ein Gefangenenaustausch sein.
Die Ukraine hält mit der Herrschaft des Rechts dagegen: Am 23. Mai wird in Kiew erstmals ein russischer Soldat, der 21-jährige Wadim Sch., zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, nachdem er einräumt hat, vier Tage nach Kriegsbeginn einen Zivilisten in der Region Sumy erschossen zu haben.
In der zweiten Mai-Hälfte konzentrieren sich die Kämpfe vor allem auf den Osten der Ukraine. Hier können die Russen aus dem Gebiet um die zweitgrößte Stadt des Landes, Charkiw, zurückgedrängt werden. Die westliche Militärhilfe setzen die ukrainischen Truppen dabei effizient ein.
Einer ukrainischen Einheit gelingt es bei Charkiw sogar, bis an die russische Grenze vorzustoßen. Es ist ein vor allem für die Moral der Ukrainer wichtiger Sieg, weil er zeigt, dass Russland immer wieder ausweichen muss.
Auch auf der Weltbühne - zumindest der westlichen - bleibt das Schicksal der Ukrainer allgegenwärtig. Der Sieg des Kalush Orchestra beim European Song Contest macht die Ukraine stolz, genauso wie ...
... die Nationalmannschaft, die trotz eingestellten Liga-Betriebs am 1. Juni gegen Schottland gewinnt und nahe an der zweiten WM-Qualifikation des Landes ist, während Russland von fast allen Sportveranstaltungen ausgeschlossen wird.
Doch als sich der Krieg seinem 100. Tag nähert, muss die ukrainische Armee die Stadt Sjewjerodonezk räumen. Nach Wochen schwerer Kämpfe mit Tausenden getöteten Soldaten und noch mehr Verletzten scheint der Donbass so gut wie verloren für die Ukraine.
Immerhin treffen knapp vier Monate nach Kriegsbeginn die ersten Panzerhaubitzen 2000 aus Deutschland in der Ukraine ein, die modernsten Artilleriegeschütze der Bundeswehr. Andere NATO-Partner haben teils schon deutlich früher schwere Waffen an die Ukraine geliefert.
Ende Juni bombardiert die russische Luftwaffe ein Einkaufszentrum in der ostukrainischen Stadt Krementschuk. Nach ukrainischen Angaben verlieren mindestens 20 Menschen ihr Leben.
Wenige Tage später gelingt der Ukraine ein symbolträchtiger Erfolg: Russland zieht seine Soldaten von der Schlangeninsel ab. Sie ist ein wichtiger Posten zur Überwachung der Seewege und war kurz nach Kriegsbeginn von Russland erobert worden.
Kurz nach Sjewjerodonezk verliert die Ukraine am 3. Juli auch die Nachbarstadt Lyssytschansk. Beide Städte sind von drei Seiten von den Russen über Wochen beschossen worden. Sie versuchten - allerdings vergeblich - das Gebiet einzukesseln.
Entsprechend viele Todesopfer sind am Ende der Kesselschlacht unter den Einwohnern zu beklagen - oft notdürftig begraben und ohne dass ihre Identität festgestellt werden konnte. Den Verteidigern der Stadt gelingt der Rückzug, bevor die Russen ihren Kessel um die Region schließen können. Doch mit diesem Rückzug hat Moskau ein wichtiges Kriegsziel erreicht: die faktische Kontrolle über das Gebiet Luhansk.
Die Bewohner der Stadt litten und leiden weiter unter der abgeschnittenen Versorgung. Trinkwasser muss man sich aus mobilen Tanks abzapfen. Die russischen Besatzer geben Pässe aus und führen den Rubel als Zahlungsmittel ein.
Im Juli kann die ukrainische Armee im Süden aber auch zunehmend Erfolge im Kampf gegen die russischen Angreifer vermelden: Die US-amerikanischen Raketenwerfer HIMARS (hier ein Bild von einer Übung in den USA.) ...
... schießen die Munition mit ihrer hohen Reichweite weit hinter die Frontlinie und treffen dort russische Kommandozentren und Munitionsdepots. (Hier ein weiteres Bild aus den USA) Einen durchschlagenden Erfolg kann die Ukraine zwar nicht erzielen, ...
... aber immerhin Geländegewinne. Die Armee beschießt strategisch wichtige Ziele, wie etwa diese Brücke nahe Cherson über den Dnipro. Die Brücken über den breiten Fluss sind essenziell für den russischen Nachschub. Die Ukrainer erobern auch Dutzende Dörfer im Süden zurück, doch der Krieg ist zu einem Abnutzungskrieg geworden - mit einzelnen Erfolgen, aber ohne wirkliche Druchbrüche auf beiden Seiten.
Ende Juli gelingt eine wichtige Übereinkunft zwischen den Kriegsparteien unter Vermittlung der Türkei und der UNO: Es können wieder Schiffe die ukrainische Küste verlassen. Die "Navi Star" ist Anfang August eines der ersten. Mit ihrer Getreideladung macht sie sich auf den Weg von Odessa nach Irland.
Der UN-Sicherheitsrat ist alarmiert: Seit Wochen melden beide Kriegsparteien immer wieder Schüsse auf das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja. Es ist von Russen besetzt. (Das Foto wurde bei einer vom russischen Verteidigungsministerium organisierten Reise aufgenommen.)
Ukrainische Experten befürchten, dass die Russen das Kraftwerk vom Stromnetz nehmen wollen und den Strom ins russische Netz einspeisen, um die Krim zu versorgen. Das wäre ein riskanter Raubzug, denn das AKW muss ständig gekühlt werden, was nach der Abkopplung nicht gewährleistet wäre.
Mitte August detoniert ein russisches Munitionslager auf der Krim. Es wird nicht der einzige Angriff auf der 2014 von Russland annektierten Insel bleiben, auch auf der wichtigen Militärbasis Saki ereignen sich am 9. August Explosionen. Jedoch übernimmt niemand die Verantwortung für die Attacken.
Die Rauchschwaden nach den Detonationen sind bis zum Schwarzen Meer zu sehen. Moskau nennt die Attacken einen "Sabotageakt", gerät durch die Angriffe aber unter Druck.
Westliche Medien halten die Sabotage-Theorie für vorgeschoben, um keine Schwäche der russischen Luftabwehr einzugestehen. Präsident Putin hatte der Krim Sicherheit garantiert.
CNN spricht von einem der möglicherweise "verheerendsten Tage für die russische Luftwaffe seit dem Zweiten Weltkrieg". Der US-Sender analysiert, mindestens sieben russische Flugzeuge seien bei dem Angriff zerstört worden.
Nahe Moskau detoniert der Wagen des ultrarechten Philosophen Alexander Dugin. Am Steuer sitzt seine Tochter Darja Dugina, die sofort tot ist.
Der russische Geheimdienst präsentiert zwei Tage später das Ermittlungsergebnis, eine Ukrainerin habe den Anschlag verübt und sei dann nach Estland geflohen. Ausländische Experten halten das für unwahrscheinlich, die Ukraine weist jeden Vorwurf der Beteiligung zurück.
Der Mord so nah am Zentrum der Macht zeigt die Schwäche des russischen Sicherheitsapparats auf. Viele Russen sind geschockt. Der Kreml könnte die Empörung für noch stärkere Repressionen gegen Regimegegner nutzen, tut das jedoch zunächst nicht.
Zwar kann die Ukraine das Angriffsmoment der Russen bisher nicht brechen, aber sammelt weiter Teilerfolge ein. Die von Russland gelenkten Separatisten in der Ostukraine melden schwere Angriffe auf die Stadt Donezk, auch auf das Verwaltungsgebäude von Separatistenführer Denis Puschilin. Der bleibt unverletzt.
Zum Unabhängigkeitstag am 24. August bekommt die Ukraine noch einmal milliardenschwere Zusagen für Waffen aus Berlin und Washington. Doch versucht Russland, den Westen durch gekappte Energielieferungen zu zermürben. Daran, ob er auch im Winter noch hinter Kiews Kämpfern stehen wird, könnte sich das Schicksal der Ukraine entscheiden.