

Die ersten Wochen der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump waren eine wilde Fahrt.
Noch vor ihrer ersten Kabinettsitzung hat die neue US-Regierung diverse Fronten aufgemacht.
In den USA stehen Behörden, Medien, ja die Gewaltenteilung, der Rechtsstaat, die Demokratie selbst unter Beschuss.
International geht es vor allem gegen Verbündete, darunter die Europäische Union, der ausgerechnet die Trump-Regierung einen Mangel an Meinungsfreiheit vorwirft.
Und gegen die Ukraine, die Trump nicht länger unterstützen möchte.
Innenpolitisch läuft es nach dem Drehbuch des "Project 2025". Im Wahlkampf hatte Trump zunächst gesagt, dieses Projekt enthalte "genau das, was unsere Bewegung tun wird", wenn er erneut ins Weiße Haus einziehen werde.
Später, als die Pläne für ihn zur Belastung wurden, behauptete er einfach, er wisse nichts von den "lächerlichen und abgründigen" Plänen.
Nach seinem Amtsantritt machte Trump einen der Vordenker aus dem "Project 2025", Russell Vought (l. im Hintergrund), zum Chef des Büros für Management und Haushalt.
Die Behörde ist dem Präsidenten unterstellt und von zentraler Bedeutung.
Abgründig sind die Pläne in der Tat. Trump und das "Project 2025" wollen nicht nur eine reaktionäre Agenda durchsetzen, …
… sie wollen die Macht des Präsidenten auf Kosten der Legislative und der Gerichte massiv ausweiten, …
… sie wollen staatliche Schlüsselstellen mit Trump-Loyalisten besetzen - auch solche Positionen, die traditionell nicht als politisch gelten.
Klimaschutz soll keine Rolle mehr spielen, Öl- und Gasbohrungen ausgeweitet werden; schon seit einigen Jahren sind die USA der weltweit größte Produzent von Öl.
Das "Project 2025" kämpft wie Trump gegen den sogenannten Deep State. Der Begriff meint, dass es einen "Staat im Staate" gebe: eine Machtstruktur, bei der die eigentliche Macht liege.
Das kann man technokratisch verstehen. Dann ist, in der harmlosen Version, die Bürokratie gemeint.
Oder man versteht den Kampf gegen den Deep State verschwörungsmythisch. Dann sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
In seiner ersten Amtszeit hatten Trump-Verbündete behauptet, sein Vorgänger Barack Obama orchestriere einen "Deep-State-Widerstand" gegen Trump. Dazu gehörten natürlich auch die Geheimdienste und …
… die Bundespolizei FBI. Der von Trump jetzt eingesetzte FBI-Direktor Kash Patel sagte im vergangenen Jahr, er würde das FBI-Hauptquartier …
… "am ersten Tag schließen und am nächsten Tag als Museum des Deep State wiedereröffnen". Immerhin: Das FBI gibt es noch. Das Hauptquartier ebenfalls.
Schon unmittelbar nach Amtsantritt hat Trump nicht nur Mitläufer des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 begnadigt, sondern auch Rechtsextremisten, die mit Waffen die Biden-Regierung stürzen wollten. Sie alle stellte er als Opfer einer Willkürjustiz dar.
Journalisten der Nachrichtenagentur AP haben keinen Zugang mehr zu Pressekonferenzen des Weißen Hauses. Der Grund: …
… AP nennt den Golf von Mexiko weiterhin Golf von Mexiko. Und nicht etwa "Golf von Amerika", wie von Trump dekretiert.
Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump kritische Medien "Volksfeinde" genannt. Jetzt betitelte er den Sender MSNBC als "Bedrohung der Demokratie".
Und während Trumps Regierung illegale Migranten in Massen abschieben will …
… und Dutzende sogar nach Guantanamo deportiert, …
… plant sie zugleich eine "Trump Gold Card" für reiche Einwanderer.
Um die Behörden effizienter zu machen - und potenziell kritische Mitarbeiter zu entfernen - hat Trump ein "Department of Government Efficiency" geschaffen, kurz DOGE.
Faktischer DOGE-Chef ist der reichste Mann der Welt, Elon Musk. Er hatte Trumps Wahlkampf mit 270 Millionen Dollar unterstützt.
Musk pflügt nun mit unklarem Mandat durch Regierungsbehörden. Ihm helfen Mitarbeiter, die zum Teil kaum alt genug sind, um in den USA legal ein Bier zu bestellen.
Musks zentraler Einfluss auf Trump ist ein beispielloser Interessenkonflikt - denn erstens kontrolliert er nun Behörden, die unter anderem für die Regulierung seiner Unternehmen zuständig sind.
Zweitens kann er staatliche Aufgaben streichen, die dann seine Unternehmen übernehmen.
Und drittens hat er die Möglichkeit, in seiner Eigenschaft als Staatsangestellter seine eigenen Geschäfte voranzutreiben - etwa bei der Erschließung des indischen Marktes für Tesla.
Fragen nach einem Interessenkonflikt wischen Trump und Musk beiseite. Wenn es dazu komme, würde Musk sich von einem Thema fernhalten, sagten beide. Wer das entscheidet? Musk selbst.
Der von Trump gefeuerte Chef der Aufsichtsbehörde OGE, Richard Briffault, beschreibt Musk als Interessenskonflikt auf zwei Beinen.
"Was auch immer die Leitplanken sind, um Regierungsmitarbeiter daran zu hindern, Geschäfte im eigenen Interesse zu machen, die Durchsetzung (dieser Leitplanken) gibt es nicht mehr."
Musk und seine Mitarbeiter haben sich Zugriff auf die Daten aller Steuerzahler in den USA verschafft, …
… sie haben eine Kündigungswelle gestartet und die Entwicklungshilfeagentur US AID so gut wie geschlossen.
HIV/Aids-Programme in Afrika mussten gestoppt werden, …
… auch die Ebola-Prävention fiel der Kettensäge von Musk zum Opfer - "versehentlich", wie er lachend behauptete.
Selbst das Verteidigungsministerium - im Bild Verteidigungsminister Pete Hegseth, ein ehemaliger TV-Moderator - wird nicht verschont.
Das Pentagon kündigte den Rauswurf von "fünf bis acht Prozent" der zivilen Mitarbeiter an und will den DOGE-Mitarbeitern weitreichende Rechte im Haus geben.
Bürokratieabbau? Eher ein Rückbau des Staates insgesamt. Das Bildungsministerium will Trump komplett schließen. Für ihn ist das wilde Vorgehen von Musk noch zu zahm.
"Elon macht einen großartigen Job, aber ich würde gern sehen, dass er aggressiver wird", schrieb Trump auf seiner Plattform "Truth Social".
Allein die Masse der Dekrete, Ankündigungen und Maßnahmen ist so groß, dass US-Medien begonnen haben, Listen zu veröffentlichen, damit ihre Leser den Überblick behalten.
Vor acht Jahren, in Trumps erster Präsidentschaft, war es ähnlich. Mit einem wichtigen Unterschied: Damals zählten die US-Medien Trumps Lügen. Dieses Mal sind es seine Dekrete.
Schon nach fünf Wochen Amtszeit hat er mehr "executive orders" unterzeichnet als seine Vorgänger seit Ronald Reagan in ihren ersten 100 Tagen.
Es geht nicht mehr nur darum, die Öffentlichkeit mit Unsinn zu beschäftigen. Trump testet und verschiebt die Grenzen der Macht.
Wie weit Trump tatsächlich gehen kann, ob und wie weit er über die Grenzen des Erlaubten gegangen ist, ist unklar. Es ist ein Stresstest für das politische System der USA. Ausgang ungewiss.
Was Trump von Demokratie und Rechtsstaat hält, zeigte er mit einem Zitat, das Napoleon zugeschrieben wird: "Wer sein Land rettet, verletzt kein Gesetz." Das Nutzerkonto des Weißen Hauses auf X veröffentlichte unkommentiert einen Screenshot.
Trumps Vizepräsident J.D. Vance sagt, Richter hätten nicht das Recht "die legitime Macht der Exekutive" zu kontrollieren. Ein bemerkenswerter Satz. Denn in einem Rechtstaat haben Gerichte nicht nur das Recht dazu, sondern es ist eine ihrer zentralen Aufgaben.
In einem Rechtstaat macht das Parlament die Gesetze. Die Gerichte achten auf ihre Einhaltung. Auch Regierungen müssen sich daran halten. In den USA gilt das offenbar nicht mehr.
Für Trumps Sprecherin Karoline Leavitt ist es sogar "Machtmissbrauch", wenn Gerichte versuchen, die Politik des Präsidenten zu blockieren.
"Egal, wie dieser Konflikt ausgeht, wir werden danach ein anderes Regierungssystem haben", sagt der Politikwissenschaftler Kenneth Lowande im Interview mit ntv.de.
"Es wird von einem ersetzt werden, von dem wir noch nicht wissen, wie es aussehen wird, da wir uns in der Übergangsphase befinden. Anscheinend bricht unser System zusammen."
Widerstand aus den Reihen der Republikaner? Fehlanzeige: Wer in Senat oder Repräsentantenhaus aufmuckt, …
… dem drohen Trumps Gefolgsmänner mit Gegenkandidaten bei den nächsten Wahlen in weniger als zwei Jahren. Auf diesem Weg sind die meisten Widersacher längst beiseite geräumt worden.
"Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass wir gerade den Tod der Demokratie vor uns sehen", mahnte der demokratische Senator Chris Murphy.
Massenproteste gibt es kaum, auch die oppositionellen Demokraten wirken wie gelähmt.
Ihr Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, nutzte einen Sport-Vergleich, um das Schweigen der Demokraten zu erklären.
Die Demokraten würden es machen wie der Baseballspieler Aaron Judge von den New York Yankees. Der reagiere auch nicht auf jeden Wurf, sondern warte ab.
Der Komiker John Oliver nahm Jeffries für diesen Vergleich aufs Korn: Ob es wirklich schlau sei, sich mit dem Spieler eines Teams zu vergleichen, das verloren habe, weil gerade dieser Spieler so schlecht gespielt habe?
Das sei, als habe Jeffries gesagt: "Seien Sie nicht sauer auf uns, wir sind nur wie ein Baseballspieler der meistgehassten Mannschaft Amerikas, der ins Bett scheißt, wenn es drauf ankommt."
Außenpolitisch ist die Katastrophe kaum geringer. Noch vor Amtsantritt schloss Trump einen militärischen Überfall auf Panama und Grönland nicht aus.
Auch Kanada will er den USA anschließen, allerdings "nur" durch wirtschaftlichen Druck.
Am 2. April sollen 25-prozentige Importaufschläge für Einfuhren aus Mexiko und Kanada gelten. "Ich wollte es am 1. April machen", sagte Trump in seiner ersten Kabinettsitzung am 26. Februar. "Aber ich bin ein wenig abergläubisch, ich habe daraus den 2. April gemacht."
Zölle gegen die Europäische Union sollen folgen. "Wir werden das sehr bald ankündigen, und es werden, allgemein gesprochen, 25 Prozent sein", sagte Trump.
Die EU betrachtet er ohnehin als Feind: "Die Europäische Union wurde gegründet, um die Vereinigten Staaten zu verarschen. Das ist der Zweck und sie haben dabei gute Arbeit geleistet."
Nach Informationen der "New York Times" werden im Weißen Haus Militärschläge gegen Drogenkartelle in Mexiko erwogen - also Angriffe auf mexikanisches Territorium.
Was früher kaum denkbar gewesen wäre, ist längst vorstellbar. Auf seinem "Truth Social"-Netzwerk postete Trump ein KI-Video, das die Zukunft des Gazastreifens zeigen soll.
Das Video zeigt nicht nur Trumps "Riviera"-Vision des Territoriums, der ohne ethnische Säuberung massive, blutige Vertreibung der zwei Millionen Palästinenser nicht möglich wäre. Sondern auch einen Führerkult, von dem der US-Präsident vermutlich träumt.
In dem Video steht eine goldene Trump-Statue im Gazastreifen, um dem Schöpfer dieser schönen neuen Welt zu huldigen.
Unterdessen läuft eine Annäherung an Putins Russland, die für die Ukraine und Europa bedrohlich ist.
Denn schon vor Beginn von Friedensverhandlungen macht Trump ein Zugeständnis nach dem anderen. Nato-Mitgliedschaft der Ukraine? Gibt es nicht.
"Natürlich sind das Punkte, die bei Verhandlungen auf den Tisch kommen", sagte der Politologe Jan Behrends im Interview mit ntv.de. "Aber diese Positionen öffentlich zu räumen, bevor man überhaupt an den Verhandlungstisch geht, ist eine Ungeheuerlichkeit."
"Russland verhandelt stets mit Maximalpositionen, das war im Kalten Krieg so und ist bei Putins Regime nicht anders", erläutert Behrends. "Deshalb war es ein strategischer Fehler der USA, dem Kreml ohne Not entgegenzukommen. Für Putin ist das eine Einladung, noch mehr zu fordern."
Das Vorgehen passt zu Trumps Ukraine-Politik. Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nennt er einen "Diktator", weil die Ukraine - wie in ihrer Verfassung vorgesehen - im Krieg keine Wahlen abhält.
Putin dagegen will er nicht "Diktator" nennen, wie er bei einem Treffen mit Emmanuel Macron auf Nachfrage erklärte: "Ich benutze solche Wörter nicht leichtfertig."
Aber auch das gehört zu Trumps Strategie: Immer fleißig den anderen das vorwerfen, was er selbst ist, macht oder plant. Außer natürlich, wenn es um Putin geht.
Vorläufiger Höhepunkt ist das Wortgefecht zwischen Trump, Vance und Selenskyj am Freitag im Oval Office.
Ein geplantes Rohstoffabkommen wird nicht mehr unterzeichnet, …
… Selenskyj verlässt das Weiße Haus, …
… Trump lehnt weitere Gespräche mit ihm ab.
In Moskau kann das dortige Regime sein Glück kaum fassen. Der russische Ex-Präsident Dimitri Medwedew, der seit Kriegsbeginn die Rolle eines Hetzers ausfüllt, nennt Selenskyj ein "undankbares Schwein"; vermutlich in der Hoffnung, dass Trump das mitbekommt und sich verstanden fühlt.
Sind hier spontan die Emotionen der Beteiligten entgleist? Oder steckte ein Plan dahinter - vielleicht mit dem Ziel, Selenskyj öffentlich vorzuführen, …
… um für die amerikanische Öffentlichkeit einen Grund zu haben, warum die USA die Ukraine fallen lassen?
In jedem Fall zeigt die Konfrontation einmal mehr: Trump sieht die Ukraine nicht als erste Verteidigungslinie der westlichen Welt, die unbedingt gehalten werden muss, wie es sein Vorgänger Joe Biden tat.
Sondern als überflüssigen Kostenfaktor, der den US-Haushalt belastet. Der so schnell wie möglich verschwinden soll.
US-Kolumnist Thomas L. Friedman schreibt in der "New York Times", was sich im Oval Office abgespielt habe, sei ein "offensichtlich geplanter Hinterhalt" von Trump und Vance gegen Selenskyj gewesen.
So etwas sei in der Geschichte der USA noch nie passiert: "In einem großen Krieg in Europa stellt sich unser Präsident klar auf die Seite des Aggressors, des Diktators und der Invasoren, und gegen den Demokraten, den Freiheitskämpfer und die, deren Land überfallen wurde."
"Dies ist eine totale Perversion der US-Außenpolitik, die seit dem Ersten Weltkrieg von jedem Präsidenten praktiziert wurde", schreibt Friedman weiter.
"Meine amerikanischen Mitbürger, wir befinden uns in völligem Neuland", so Friedman.
"Wir werden geführt von einem Präsidenten, der - nun ja, ich kann nicht glauben, dass er ein russischer Agent ist, aber auf jeden Fall spielt er einen im Fernsehen."