Archiv

Fünf Weltrekorde an einem TagJesse Owens' Supertag

24.05.2005, 11:25 Uhr

Der Tag ging als "Day of Days" in die Sportgeschichte ein. Amerikas Leichtathletik-Legende Jesse Owens knackt am 25. Mai 1935 insgesamt fünf Weltrekorde.

Der Tag ging als "Day of Days" in die Sportgeschichte ein. Das, was Amerikas Leichtathletik-Legende Jesse Owens an jenem 25. Mai 1935 beim Leichtathletik-Meeting "Big Ten" im Stadion der Universität in Arbor/Michigan vollbrachte, hat auch 70 Jahre danach nichts von seiner Strahlkraft verloren: Fünf Weltrekorde an einem Tag.

Die Berichterstatter streiten bis heute, ob der damals 21-jährige James Cleveland Owens seine Höchstleistungen binnen 45 Minuten, 70 Minuten oder zweieinhalb Stunden aufstellte. Wie auch immer: Eine ähnliche Kollektion an Höchstleistungen an einem Tag bleibt bis heute in der Geschichte der Leichtathletik unerreicht.

Ein Jahr später folgten binnen einer Woche bei den Olympischen Spielen in Berlin vier Goldmedaillen über 100 m (10,3), 200 m (20, 7), 4x100 m (39,8/Weltrekord) und im legendären Duell mit dem deutschen Rivalen Luz Long im Weitsprung (8,06 m). Zumindest das tat ihm 48 Jahre später einer gleich: Landsmann Carl Lewis siegte 1984 in Los Angeles in 9,99, 19,80, 37,83 (Weltrekord) und mit 8,54 m.

Jesse Owens erzählt in seinem Buch "schwarze Gedanken" die Geschichte vom Tag der Tage. Er habe sich am Morgen des 25. Mai 1935 nicht gut gefühlt. Wegen Schmerzen in den Beinen sei er nicht recht fähig gewesen, sich für den Wettkampf warmzumachen. Sein Coach Larry Snyder riet: "Wenn es nicht geht, bleibst du am Start sitzen oder hörst nach wenigen Minuten auf." Doch dann habe ihm Mittelstreckler Charlie Beetham, ein Trainingskollege, auf die Schulter geklopft und gesagt: "Junge, du bist in Ordnung."

Worte mit Wirkung: Beim Start-Kommando spürte Jesse Owens keine Schmerzen mehr. Er schoss wie ein Blitz davon, egalisierte über 100 Yards (91,44 m) mit über fünf Metern Vorsprung den Weltrekord in 9,4 Sekunden und schrieb darüber in seinem Buch: "Das machte mir Lust auf den Weitsprung. Ich legte mein Handtuch bei 7, 98 m hin, dem Weltrekord von Nambu, und hatte so einen optischen Anreiz." Wenig später landete er bei 8,13 m. Eine Marke, die erst Landsmann Ralph Boston 25 Jahre später mit 8,21 m brach.

Wenn jener Chronist Recht hat, der die fünf Rekorde binnen 45 Minuten realisiert sah, dann vergingen erneut nur zehn Minuten, bis Owens in jeweils 20,3 Sekunden die Bestmarken Nummer drei und vier über 220 Yards (201,17 m) und 200 m realisierte. Eine Viertelstunde später setzte Owens den Schlusspunkt, als ihm über 220 Yards Hürden in 22,6 Sekunden die fünfte Bestmarke gelang.

Vor Olympia in Berlin schrieb Jesse Owens noch ein weiteres Mal Leichtathletik-Geschichte: Am 20. Juni 1936 wurde er bei den US-Hochschulmeisterschaften in Chicago als erster Sprinter über 100 m in 10,2 Sekunden gestoppt, eine Marke, die erst Landsmann Willie Williams 20 Jahre später in 10,1 auslöschte.

Nach den goldenen Tagen von Berlin wurde Owens Profi. "Ich brauchte Geld", gab er offen zu. Als zehntes von elf Kindern war er in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Dem eigenen Nachwuchs, den er mit Ehefrau Ruth in Phoenix/Arizona hatte, schuf er deutlich bessere Bedingungen.

Jesse Owens, geboren am 12. September 1913, starb am 31. März 1980 im Alter von 66 Jahren in einem Krankenhaus in Tucson/Arizona an Lungenkrebs. Kurz zuvor hatte er sich vehement gegen den von US-Präsident Jimmy Carter ausgerufenen US-Boykott gegen die Spiele im gleichen Jahr in Moskau ausgesprochen.

Gerd Holzbach, sid