"Bin nicht käuflich" Lech Walesa wird 65
29.09.2008, 08:04 UhrSeinen 65. Geburtstag hatte sich Lech Walesa bestimmt anders vorgestellt. Statt Lob und Anerkennung für historische Verdienste um Demokratie und Freiheit in Polen musste der Arbeiterführer und Friedensnobelpreisträger in letzter Zeit viel Prügel einstecken. Seine früheren Mitstreiter, allen voran die nationalkonservativen Zwillingsbrüder Jaroslaw und Lech Kaczynski, nutzten jede Gelegenheit, um ihn als Agenten des kommunistischen Geheimdienstes öffentlich abzustempeln. Das von ihnen kontrollierte Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) veröffentlichte im Sommer ein Buch, das Walesas angebliche Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) Anfang der 70er Jahre sowie seine späteren Versuche, die belastenden Dokumente zu vernichten, belegen sollte.
"Ich bin niemals ein Agent gewesen", beteuert Walesa. In früheren Publikationen hatte er allerdings zugegeben, dass er nach seiner ersten Verhaftung im Dezember 1970 eine "Loyalitätserklärung" unterschrieben habe, um aus dem Gefängnis herauszukommen. Er ließe sich aber niemals "kaufen, brechen oder einschüchtern", versicherte er mit Blick auf seine Lebensleistung. Weltweit gilt Walesa als Symbol der friedlichen Revolutionen in Mittel- und Osteuropa am Ende des 20. Jahrhunderts.
Gründer der Solidarnosc
Der strenggläubige Katholik und Vater von acht Kindern aus dem Dorf Popowo in Nordpolen ging 1967 zur Lenin-Werft in Danzig. Der junge Schiffselektriker erlebte im Dezember 1970 seine politische Taufe, als Miliz und Armee Arbeiterproteste gegen Preiserhöhungen blutig niederschlugen. Walesa engagierte sich für verfolgte Kameraden und gründete 1978 mit anderen eine im Untergrund agierende Gewerkschaft "Solidarnosc". Im August 1980 übernahm er die Streikführung in seiner Werft und bald darauf die Leitung der Gewerkschaft. Nach der Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981 wurde er interniert.
Zwei Jahre später bekam Walesa den Friedensnobelpreis. 1988 versuchte er nochmals sein politisches Glück. Zwei Streikwellen zwangen das geschwächte kommunistische Regime zu Verhandlungen mit der Opposition. Der Kompromiss am Runden Tisch, bei dem Walesa eine entscheidende Rolle spielte, ebnete den Weg zu demokratischen Reformen in Polen. "Wir haben alles erreicht, was wir wollten", sagt er mit der für ihn typischen Selbstsicherheit.
Als Staatspräsident unpopulär
1990 wurde Walesa der erste demokratische Präsident Polens. Dieses Amt überforderte aber den gelernten Elektriker. Seine Versuche, die Kompetenzen des Staatschefs zu erweitern und mit Dekreten zu regieren, wurden als Gefahr für die Demokratie angesehen. Verlassen von den meisten früheren Weggefährten, verlor Walesa 1995 den Kampf um die Wiederwahl. Alle späteren Versuche eines Comebacks schlugen fehl.
Trotz der jüngsten Attacken erfreut sich Walesa unter seinen Landsleuten nach wie vor großer Popularität. Mehr Vertrauen haben die Polen laut aktuellen Umfragen nur zum amtierenden Regierungschef Donald Tusk. Die Lust am Feiern ist dem Polit-Pensionär deshalb nicht vergangen. An seinem Geburtstag, am 29. September, soll Walesas politische Leistung im Warschauer Königsschloss gewürdigt werden. Auch die Verleihung des Nobelpreises jährt sich zum 25. Mal. Mit anderen Nobelpreis-Kollegen, darunter dem Dalai Lama, will Walesa im Dezember in seiner Heimatstadt Danzig feiern.
Jacek Lepiarz, dpa
Quelle: ntv.de