Berlin & BrandenburgMai-Demonstration in Berlin friedlich wie lange nicht mehr

Tausende Menschen ziehen am Abend des 1. Mai in der Hauptstadt durch Neukölln und Kreuzberg. Nach den Silvesterkrawallen mit Angriffen auf Rettungskräfte ist die Stimmung angespannt. Doch dann kommt es anders als befürchtet.
Berlin (dpa/bb) - Bei der linken Demonstration zum 1. Mai in Berlin-Kreuzberg mit Tausenden Menschen sind gewaltsame Ausschreitungen ausgeblieben. Die Polizei sprach von einem "erstaunlich friedlichen" Verlauf. "Es deutet sich an, dass es seit 1987 der friedlichste Mai war", sagte ein Polizeisprecher am Montagabend. Im Gegensatz zu früheren Demonstrationen blieben gezielte Flaschen- oder Steinwürfe auf Polizisten laut Polizei und dpa-Reportern aus, auch brennende Barrikaden oder Angriffe mit Pyrotechnik auf Einsatzkräfte wurden nicht beobachtet. Am Sonntag hatte es in Kreuzberg bei einer links-feministischen Demo kleinere Krawalle gegeben, die Polizei meldete danach elf verletzte Beamte.
Etwa 12.000 Menschen beteiligten sich nach Schätzung der Polizei an der sogenannten revolutionären 1. Mai-Demonstration. Die Veranstalter sprachen von rund 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Nach vorläufigen Angaben der Polizei (Stand 22.30 Uhr) gab es dabei neun Festnahmen. Ein Beamter sei nach bisheriger Kenntnis verletzt worden.
Nach dem vorzeitigen Ende der traditionellen Demonstration linker und linksextremistischer Gruppen am Abend waren weiter tausende Menschen in den umliegenden Straßen unterwegs. Reporter der dpa beschrieben die Stimmung teils als aggressiv, vereinzelt kam es zu Rangeleien.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte dem RBB, die Einsatzkräfte seien darauf eingestellt, dass es in der Nacht noch zu Straftaten kommen könnte. "Die Dunkelheit gibt manchem Raum, noch ein Scharmützel zu suchen", meinte Slowik.
Zu der Demonstration hatten sich verschiedene Blöcke formiert. Viele Teilnehmende waren schwarz gekleidet, vereinzelt wurden bengalische Feuer und Böller gezündet. Polizisten mit Schutzkleidung und Helmen begleiteten den Demo-Zug.
In der Menge waren Palästinenserflaggen zu sehen, antiisraelische Rufe gab es ebenfalls. Das Jüdische Forum wertete einige Ausrufe als antisemitisch. Die Polizei schrieb dazu auf Twitter, die "antisemitischen Äußerungen" seien geprüft worden und hätten zu einer Anzeige geführt. Die Ermittlungen führe der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA).
Die Polizei hatte die Demonstrierenden zu Beginn darüber informiert, dass keine Sturmhauben oder Körperprotektoren getragen werden dürften. Zudem waren Äußerungen untersagt, die etwa eine Vernichtung des Staates Israel oder andere Gewaltakte propagieren.
Die Polizei war am Montag nach eigenen Angaben in der Spitze mit 6300 Einsatzkräften unterwegs. Die Demonstration endete etwas früher als erwartet und nicht erst am Oranienplatz. Der Veranstalter habe dies mit der Polizeipräsenz begründet, erklärte die Polizei. Zuvor war der Demonstrationszug bei der umstrittenen neuen Polizeiwache am Kottbusser Tor in Kreuzberg angekommen. Der Bereich um das Hochhaus über der Adalbertstraße wurde mit Gittern und vielen Polizisten geschützt.
Die Veranstalter beendeten die Demo per Lautsprecherdurchsage. Via Twitter warfen sie der Polizei vor, einen "Kessel" auf dem Oranienplatz vorbereitet zu haben. Die Polizei bestritt dies. Nach ihrer Darstellung kam es am Kottbusser Tor zu Gedränge, weil der Veranstalter dort eine Zwischenkundgebung abhalten wollte. Laut dpa-Reportern gab es Unmut unter Demonstranten, weil sie nicht aus dem Gedränge herauskonnten. Mit Blick auf das Gedränge erklärte die Polizei, die Wegstrecke sei vom Versammlungsleiter selbst gewählt und die Engstelle nahe der Polizeiwache baulich bedingt gewesen. "In alle anderen Richtungen war der Weg jederzeit frei."
Auf der Oranienstraße und den umliegenden Straßen waren bis in den späten Abend Tausende feiernde Menschen unterwegs. Vereinzelt kam es zu verbalen Auseinandersetzungen und Rangeleien, die Lage beruhigte sich aber schnell. Als die Polizei später versuchte, die feiernden Menschen von der Straße zu treiben, kochte die Stimmung allerdings wieder hoch. Nach Beobachtung eines dpa-Reporters ging eine Polizeieinheit aus Mecklenburg-Vorpommern besonders aggressiv vor und setzte teilweise Pfefferspray ein.
Berlins neuer Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatten am Nachmittag mit Einsatzkräften gesprochen und ihre Hoffnung auf einen friedlichen 1. Mai geäußert. Ganz ohne Aggressionen ging es beispielsweise bei einer eher satirischen Aktion in Grunewald zu, wo sich bei Sonnenschein und blauem Himmel nachmittags laut Polizei etwa 3700 Menschen unter dem Motto "Reichtum wird enteignet (RWE)" versammelten. In Kreuzberg waren Tausende völlig unpolitisch und in Feierlaune bei schönem Wetter unterwegs, in den Parks wurde spontan getanzt.
Geprägt war der Tag der Arbeit auch von traditionellen Gewerkschaftskundgebungen. Zu einer Demonstration der Gewerkschaften kamen am Vormittag nach Angaben der Polizei etwa 4000 Menschen. Der Zug führte vom Platz der Vereinten Nationen in Friedrichshain zum Roten Rathaus in Mitte. Zentrale Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbunds war eine höhere Tarifbindung von mindestens 80 Prozent der Beschäftigten.