HessenKitas wegen Omikron unter Druck: Ruf nach Teststrategie

Die Omikron-Variante des Coronavirus greift in Hessens Kitas um sich. Neben vielen Kindern stecken sich zunehmend auch Beschäftigte an, so dass Einrichtungen teilweise oder ganz schließen müssen. Das trifft besonders berufstätige Eltern.
Wiesbaden (dpa/lhe) - Die Omikron-Welle macht den Kindertagesstätten in Hessen schwer zu schaffen. Zahlreiche Infektionsfälle bei den Kindern und zunehmend auch beim Personal, Diskussionen mit den Eltern im Fall von Schließungen und uneinheitliche Quarantäneregeln bedeuteten eine Belastungsprobe für die Erzieherinnen und Erzieher, erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen, Thilo Hartmann, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Um für einen besseren Infektionsschutz in den Kitas zu sorgen, forderte Hartmann analog zu den Schulen eine einheitliche Teststrategie und eine Priorisierung der Einrichtungen bei PCR-Testungen.
Zwar lägen keine genauen Zahlen zu Krankheitsfällen beim Kita-Personal vor, doch träten diese seit Jahresbeginn deutlich gehäuft "und in seither ungebrochen steigender Tendenz auf", so Hartmann. Auch der Hessische Städte- und Gemeindebund sprach von einer Häufung der Krankheitsfälle beim Kita-Personal.
Die Inzidenz bei Kita-Kindern unterscheide sich in den meisten Landkreisen nur leicht von der allgemeinen Infektionslage, erklärte Hartmann. "Dass sie im Vergleich zu Schulkindern geringer ist, ist möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass in den Kitas nicht so gleichmäßig und regelhaft wie in Schulen getestet wird." Insgesamt sei das Corona-Virus in der vergangenen Woche bei 3500 hessischen Kindern im Alter von bis zu 4 Jahren nachgewiesen worden. Wie im Schulbereich liege der Fokus des Infektionsgeschehens auf dem Rhein-Main-Gebiet.
Müssen Einrichtungen coronabedingt schließen, so fallen die Reaktionen der Eltern nach den Worten Hartmanns sehr unterschiedlich aus. "Sie reichen vom Unverständnis und Ablehnung bis hin zum Vorwurf, warum die Einrichtung so lange geöffnet gewesen sei." Insgesamt sei der Diskussionsbedarf sehr groß, in manchen Einrichtungen stehe das Telefon tagelang nicht still.
Als "hochproblematisch" kritisierte der GEW-Vorsitzende, dass das hessische Sozialministerium den Kommunen bezüglich der Quarantäne-Anordnungen im Infektionsfall keine Vorgaben mache. "Zum einen entzieht sich das Ministerium der Verantwortung, unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen zu treffen. Zum anderen verschärft die Heterogenität der Maßnahmen den Druck auf das pädagogische Personal vor Ort, welches die Entscheidungen den Eltern kommunizieren und rechtfertigen muss."
Auch der hessische Elternbund sprach sich für landesweit einheitliche Quarantäne-Regeln für die Kitas aus. Für Eltern, die etwa in Orten an Landkreisgrenzen lebten, sei es schwer nachvollziehbar, wenn für die Kita im Nachbarort andere Regeln gälten als in der Einrichtung im eigenen Wohnort, erklärte Birgid Oertel, Vorstandsmitglied des Elternbundes Hessen. Das führe zu vielen Diskussionen für die Erzieherinnen und Erzieher, die ohnehin belastet genug seien.
Vom Sozialministerium hieß es, die geltenden Quarantäneregelungen gingen auf einen gemeinsamen Beschluss des Bundes und der Länder zurück. Die Entscheidung, ob und inwieweit eine Kita oder Kita-Gruppe unter Quarantäne gestellt werde, treffe jeweils das zuständige Gesundheitsamt nach Beurteilung des Einzelfalls. Der Anteil der betreuten Kinder habe in der vergangenen Woche laut Corona-Kita-Studie des Berliner Robert Koch-Instituts und des Deutschen Jugendinstituts in Hessen bei 87 Prozent gelegen, "das entspricht dem Bundesdurchschnitt", so das Ministerium. Daraus gehe auch hervor, dass die Impfquote des pädagogischen Kita-Personals in hessischen Kitas über 90 Prozent liege und damit deutlich über dem Wert der Gesamtbevölkerung. "Das ist aus hessischer Sicht erfreulich."
Die Folgen der Infektionswelle zeigen sich etwa in der Landeshauptstadt Wiesbaden, die bereits vor Tagen bei der Sieben-Tage-Inzidenz die Schwelle von 2000 überschritten hatte. Nach Regelungen des Gesundheitsamtes gelten hier bei einer infizierten Person in der Kita alle Kinder und Mitarbeiter aus der gleichen Kindergartengruppe als enge Kontaktpersonen und müssen in Quarantäne, wie Sozialdezernent Christoph Manjura mitteilte. Dies führe regelmäßig dazu, dass Gruppen innerhalb der Einrichtungen geschlossen oder das Betreuungsangebot reduziert werden müsse. Das war am Dienstag dieser Woche in 51 von 190 Wiesbadener Einrichtungen der Fall. Sieben Kitas waren zu diesem Zeitpunkt ganz geschlossen.
Besonders problematisch sei, dass Kinder sich bereits am fünften Tag freitesten lassen können, Erwachsene jedoch erst am siebten Tag. "Dies führt dazu, dass die Kinder die Kita wieder besuchen können, das Betreuungspersonal jedoch nicht zur Verfügung steht", erklärte Manjura. "Wir tun alles dafür, auch in der derzeitigen Situation einen Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen aufrecht zu erhalten." Dies gelinge angesichts der hohen Infektionszahlen jedoch nicht in jedem Fall. Eine Notbetreuung in anderen Einrichtungen stehe für die von Kita-Schließungen betroffenen Kinder jedoch nicht zur Verfügung. "Dann gilt es, gemeinsam mit den Eltern Lösungen zu finden."
In Fulda hingegen muss seit Mittwoch nicht mehr die ganze Kita-Gruppe in Quarantäne, sondern nur das infizierte Kind oder der infizierte Betreuer, wie ein Pressesprecher der Stadt erklärte. So wolle man Schließungen ganzer Gruppen verhindern. Zu viele Infektionen unter den Mitarbeitern könnten jedoch zu eingeschränkten Betreuungszeiten führen. Trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von 1613,7 am Mittwoch habe es bislang ausreichend Personal gegeben, "um das Betreuungsangebot nahezu uneingeschränkt aufrecht zu erhalten", betonte der Sprecher. "Wir halten die Kitas so lange wie möglich und so umfänglich wie möglich offen."