Mecklenburg-VorpommernRegierung: Vergabegesetz als Impuls für bessere Löhne geben

Die Tarifautonomie, das unabhängige Aushandeln der Löhne durch die Sozialpartner, gilt in Deutschland als hohes Gut. Doch nicht einmal die Hälfte der Beschäftigten in MV erhält Tariflohn. Die Politik sieht sich zum Handeln genötigt. Das findet nicht nur Zustimmung.
Schwerin (dpa/mv) - In Mecklenburg-Vorpommern sollen öffentliche Aufträge von Land und Kommunen künftig nur noch an Unternehmen gehen, die ihre Mitarbeiter nach Tarif oder tarifähnlich entlohnen. "Es ist ein bewusster Anreiz für mehr Tarifbindung", sagte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) am Mittwoch im Landtag in Schwerin bei der Einbringung des Gesetzentwurfs.
Doch wurde in der Debatte bereits deutlich, dass das Vorhaben der rot-roten Koalition in weiten Teilen der Opposition auf massiven Widerstand trifft. Der Entwurf wurde zur weiteren Beratung in die zuständigen Landtags-Ausschüsse überwiesen. Bislang ist noch der gesetzliche Mindestlohn Voraussetzung dafür, dass Firmen öffentliche Aufträge in Bereichen wie Bau, Reinigung, Catering oder Transport erhalten können. Tariflöhne liegen in der Regel deutlich höher.
Als ein wesentliches Motiv für die geplante Änderung nannte Meyer das geringe Lohnniveau im Nordosten. Es ist im Ländervergleich am niedrigsten und erreicht aktuell 85 Prozent des Bundesdurchschnitts. Laut Meyer unterliegen nur noch 41 Prozent der Beschäftigten im Nordosten der Tarifbindung, im Jahr 2000 seien es 53 Prozent gewesen. Arbeitnehmer in tariflosen Firmen würden nach jüngsten Erhebungen mit durchschnittlich 2620 Euro brutto im Monat fast 800 Euro weniger verdienen als ihre Kollegen in tarifgebundenen Unternehmen.
Auch der Linken-Abgeordnete Henning Foerster führte das fortbestehende Lohngefälle als Grund für die geplante Gesetzesänderung an. Die öffentliche Hand müsse bei der Vergabe ihrer Aufträge mit gutem Beispiel vorangehen, sagte er. Jutta Wegner von den Grünen begrüßte die geplante Gesetzesänderung ebenfalls: "Wir müssen weg vom "Wer bietet weniger?" und hin zu hochwertiger Arbeit, die angemessen und gut bezahlt wird", erklärte sie, mahnte zugleich aber eine Begrenzung des bürokratischen Aufwands an.
Redner von AfD, CDU und FDP erneuerten in der Debatte ihre Kritik an dem Vorhaben. Aufgrund des Wettbewerbsdrucks seien Unternehmen oft nicht in der Lage, Tariflöhne zu zahlen. "Es besteht die Gefahr, dass kleinere, wirtschaftlich schwächere Unternehmen durch diese geplante Regelung im Vergleich zu Großunternehmen benachteiligt werden", sagte der AfD-Abgeordnete Michael Meister.
Wie dieser beklagte auch der CDU-Abgeordnete Wolfgang Waldmüller ein Übermaß an Bürokratie. "Obwohl die wirtschaftliche Lage in unserem Land angespannt und unser Standort von einem Abschwung bedroht ist, plant die Landesregierung die Unternehmen im Land weiter zu gängeln", sagte Waldmüller. Anstatt die Wirtschaft zu entlasten und zu fördern, setze die rot-rote Koalition ihre "linksideologische Politik" um und belaste die Wirtschaft zusätzlich. Ähnlich äußerte sich Sandy van Baal von der FDP. Tariftreue habe in einem Vergabeverfahren nichts zu suchen, sagte sie.
Der Dachverband der Unternehmensverbände beklagte in einer Stellungnahme, dass die Landesregierung die von der Wirtschaft angemeldeten Bedenken ignoriere. "Es bestärkt uns in der Annahme, dass der politische Wille und der Druck der Gewerkschaften von vornherein die lupenreine Umsetzung des vorgesehenen Gesetzes zum Ziel hatte", heißt es in der Mitteilung. Neben dem bürokratischen Konstrukt sei auch die politisch getriebene Unterscheidung in gute und schlechte Arbeitgeber kritikwürdig. "Die Landesregierung entfremdet sich zunehmend von der Wirtschaft. Nicht eine Regierungsinitiative der letzten eineinhalb Jahre war wirtschaftsfördernd", konstatiert die Arbeitgeberseite.
"In Mecklenburg-Vorpommern führt kein Weg an höheren Löhnen vorbei. Das Land hat mit der auf Tariflohn ausgerichteten Wirtschaftsförderung und dem Entwurf zum Tariftreue- und Vergabegesetz die richtigen Weichen gestellt", betonte hingegen DGB-Nord-Vize Ingo Schlüter. Er rief die Arbeitgeberverbände auf, durch mehr Tarifverträge mit für ein konkurrenzfähiges Lohnniveau zu sorgen. "Die Arbeitgeber haben es selbst in der Hand, dass mehr Menschen hier im Land arbeiten wollen."
Auch nach den Worten Meyers kommt das neue Vergabegesetz der Wirtschaft selbst und einem fairen Wettbewerb zugute: "Es schützt tariftreue Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern vor denen, die es nicht tun", sagte er. Zudem erhielten mit den künftigen Regelungen die Regionalität der Auftragsvergabe und die Nachhaltigkeit größeres Gewicht. Das Gesetz soll bei Bauaufträgen ab 50 000 Euro und bei Dienstleistungen ab einem Wert von 10 000 Euro Anwendung finden.