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Mecklenburg-VorpommernScholz und Habeck sollen Bedarf für LNG-Terminal erklären

19.04.2023, 12:49 Uhr
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(Foto: Kay Nietfeld/dpa/Archivbild)

Vom Besuch der Bundesregierung auf Rügen erhoffen sich unter anderem Landespolitiker Erklärungen zum Bedarf für ein dort geplantes LNG-Terminal. Alle wird der Bund ohnehin nicht überzeugen können.

Binz (dpa/mv) - In dem seit Monaten schwelenden Konflikt um den Bau eines Terminals für Flüssigerdgas (LNG) auf Rügen ist am Donnerstag beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Insel noch keine Standort-Entscheidung zu erwarten. Stattdessen soll es bei dem Treffen zunächst um den Bedarf für das zusätzliche Terminal gehen. "Ich glaube, das ist das wichtigste Thema, das zu erklären, weil das kann nur die Bundesregierung", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Landeschefin Manuela Schwesig (SPD) am Mittwoch zum Abschuss ihrer Litauen-Reise in Vilnius auf eine Frage des NDR. Es werde kein Termin, an dem ein Standort festgelegt wird.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich zu dem Austausch mit Verbänden und Bürgermeistern in Binz angekündigt. Mit dem Besuch kommt die Bundesregierung Forderungen von Kritikern der LNG-Pläne nach. Von einem längst überfälligen Dialog hatten diese gesprochen.

Der Austausch dürfte nicht einfach werden. Schon seitens der Landesregierung waren Zweifel angemeldet worden, ob es das Terminal überhaupt brauche. Mehrere Gemeinden auf der Insel lehnen ein Terminal am Standort Rügen grundsätzlich ab. Sie befürchten Auswirkungen auf den für Rügen besonders wichtige Tourismus und die Umwelt.

Unterstützung erhielten die Kommunalpolitiker am Mittwoch vom Bäderverband, der ebenfalls vor möglichen Negativfolgen warnte. "Den Ostseebädern droht mit den Terminals die Aberkennung ihres Status. Dies hätte drastische Folgen für den Tourismusstandort Rügen", hieß es in einer Mitteilung. Darin sprechen sich die Präsidentin des Deutschen Heilbäderverbands, Brigitte Goertz-Meissner, und Annette Rösler als Geschäftsführerin des Landes-Bäderverbandes gegen das Projekt aus. Die Insel Rügen als sensibler Naturraum und bedeutender Tourismusstandort müsse als Ganzes geschützt werden. "Es dürfen keine LNG-Terminals auf oder vor der Insel entstehen", forderten die Verbandsvertreterinnen.

Unterdessen ist weiter unklar, wo genau der Bund plant, sein gechartertes schwimmendes Terminal einzusetzen. Von einem ursprünglich geplanten Standort rund fünf Kilometer vor Sellin hatte der Bund nach vehementen Widerstand Abstand genommen. Zuletzt wurden vor allem zwei Alternativen diskutiert: der Hafen von Mukran und ein Terminal weiter draußen auf der Ostsee vor Rügen.

In Mukran befindet sich bereits ein Industriehafen. Dieser gehört zu 90 Prozent der Stadt Sassnitz. Wirtschaftlich läuft es nicht optimal. Der Hafen bestätigt, dass es Gespräche mit dem Bund gab - wie auch mit anderen Standorten. Man sei offen für neue Geschäftsbereiche. Von einer Standort-Entscheidung wisse man aber nichts.

Nach Vorstellungen des Landes könnte der Hafen zu einem Umschlagplatz für Wasserstoff und Wasserstoffderivaten ausgebaut werden. Wasserstoff gilt als künftig wichtiger Energieträger. LNG soll hier als Brückentechnologie dienen. Damit ein Spezialschiff zur LNG-Anlandung mit voller Kapazität im Hafen arbeiten kann, müsste dieser allerdings ausgebaggert werden. Auch das bereitet benachbarten Gemeinden Sorgen. Der Binzer Tourismusdirektor Kai Gardeja fürchtet etwa, dass dadurch der Strand in seinem Ostseebad schrumpfen könnte.

Auch einen möglichen Standort weiter draußen lehnen die Ostseebäder im Südosten der Insel ab - etwa wegen der Gefahr möglicher Störfälle beim Betrieb der Anlage. Technisch gab es zumindest in der Vergangenheit Bedenken mit Blick auf die längere Anbindungs-Pipeline. Nicht nur würde der Bau länger dauern. Auch die Kapazität könnte wegen Druckverlusts bei einer längeren Leitung sinken. Auch die Genehmigungsverfahren dürften für Mukran oder für ein Terminal auf hoher See wegen der längeren Leitung aufwendiger sein als für den ursprünglich vor Sellin geplanten Standort.

Das Terminal soll im vorpommerschen Lubmin an das Gasfernleitungsnetz angebunden werden. Hier treffen mehrere Pipelines aufeinander, die insgesamt eine Verteilkapazität von zig Milliarden Kubikmeter haben. So könnte das Gas etwa nach Süddeutschland oder ins osteuropäische Ausland weitergeleitet werden. Ursprünglich wurden die Leitungen in Lubmin für die deutsch-russischen Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 gebaut, durch die kein Gas mehr kommt.

Mitte Januar war in Lubmin bereits ein privatwirtschaftlich betriebenes LNG-Terminal unter anderem von Schwesig und Scholz offiziell eröffnet worden. Hierfür wird das LNG mit kleineren Shuttle-Schiffen von einem Tanker auf See geholt. Von einer "virtuellen Pipeline" spricht der Betreiber. Die Kapazität ist dadurch eingeschränkt.

LNG-Infrastruktur an der ostdeutschen Küsten ist laut Bundeswirtschaftsministerium vor dem Hintergrund der europäischen Energieversorgung von Bedeutung. Es würden Importmöglichkeiten für mittel- und osteuropäische Nachbarn geschaffen, die bislang durch russisches Gas versorgt wurden und diese Mengen kompensieren müssten.

Die Union im Bundestag begrüßt den Besuch von Scholz und Habeck auf Rügen. Derartige Gespräche seien monatelang versäumt worden, teilte die tourismuspolitische Sprecherin, Anja Karliczek, am Mittwoch mit. "Ich wünsche mir jetzt, dass die unbestrittene Notwendigkeit der Errichtung des LNG-Terminals mit den auf Rügen und der Region so wichtigen Aspekten des Tourismus gut in Übereinstimmung gebracht werden." Die CDU im Schweriner Landtag hingegen meldete Zweifel an: "Ich sehe in Deutschland keine Gasmangellage, die die Errichtung eines weiteren Terminals notwendig erscheinen lässt", erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher, Wolfgang Waldmüller. Vor einem Bau müsse die Bundesregierung den Bedarf zweifelsfrei nachweisen.

Quelle: dpa

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