Frage & Antwort, Nr. 33 Warum fliegen Insekten zum Licht?
29.10.2007, 11:53 Uhr
Von Lichtquellen scheinen Nachtschwärmer magisch angezogen zu werden.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Warum fliegen nachtaktive Insekten zu Lichtquellen? Warum sind sie nachtaktiv und bevorzugen doch das Licht? (fragt Matthias Günther aus Leipzig)
Der Sommer ist vorbei und damit auch die Hauptsaison von Fliegen, Motten & Co. Nur noch vereinzelt verirren sich die Insekten in unsere Wohnungen. Doch wir kennen das Phänomen: Von Deckenleuchten scheinen Nachtschwärmer ebenso magisch angezogen zu werden wie von Autoscheinwerfern und Straßenlaternen. Finden die Tiere das Licht wirklich so verlockend?
Das ist bisher nicht eindeutig geklärt. Theorien gibt es jedoch viele. Derzeit geht die Forschung davon aus, dass sich nachtaktive Insekten an den Himmelskörpern orientieren, also am Mond und den Sternen. Folgen wir der so genannten Navigationstheorie, richten sich die Tiere nach Straßenlaternen, sobald diese heller leuchten als der Mond - was meist der Fall ist. Während der Mond aber - aus Insektenperspektive - quasi still am Himmel steht und die Tiere nur einen bestimmten Winkel zu dem Trabanten einhalten müssen, um geradeaus zu fliegen, ändert sich die Position einer Laterne im Vorbeiflug sehr schnell. (Das liegt daran, dass die Straßenlaterne viel näher ist.) Der Falter nun ist bestrebt, zur Laterne den gleichen Winkel einzuhalten wie zum Mond. Und da beginnt die Schwierigkeit: Denn gezwungenermaßen muss das Insekt seinen Kurs ständig korrigieren. Dadurch flattert es schließlich unweigerlich in spiralförmigen Bahnen immer weiter auf die Lampe zu.
Eine andere Theorie besagt, dass Insekten grundsätzlich auf Licht fliegen, dabei aber eine hohe Lichtintensität meiden und ihren Flug daher auf den Grenzbereich zwischen Licht und Schatten richten. Auch dies könnte erklären, warum die Nachtschwärmer in spiralförmigen Bahnen um die Lichtquelle schwirren.
"Falter finden Licht nicht attraktiv"
Insektenforscher Ernst-Gerhard Burmeister, stellvertretender Direktor der Zoologischen Staatssammlung München und Leiter der Abteilung für Insektenkunde, sieht das anders. Er vertritt eine weitere These. Burmeister erklärt das Verhalten der Insekten mit einer Art Blendungstheorie. "Falter können nicht anders als zum Licht zu fliegen", sagt Burmeister. "Und das, obwohl sie Licht gar nicht attraktiv finden. Es ist der UV-Anteil des Lichts, der sie anzieht." Die Lichtquelle, so Burmeister, sei dann das einzige, was die Tiere sehen - ein Tunneleffekt. Drumherum herrscht für die Insekten absolute Finsternis. Je stärker der Kontrast zwischen der Lichtquelle und der Beleuchtung der Umgebung ist, desto mehr Insekten lockt eine Lichtquelle in der Regel an. Die Falter werden geblendet; ihr Orientierungsvermögen fällt aus.
Dass Insektenaugen auf ultraviolette Strahlung so sensibel reagieren - viel sensibler als menschliche - nutzen auch Insektenfallen aus. In diesen Geräten wird das blaue Licht oft mit einem Heizrohr kombiniert. Die Insekten fliegen heran - und verbrutzeln. Für Wellenlängen im gelben, orangefarbenen oder roten Bereich dagegen sind die Tiere weitaus weniger empfänglich.
150 Leichen pro Laterne in jeder Nacht
Sind die Falter erst einmal an der Lichtquelle angekommen, bedeutet das meist den Tod. Sie sterben zum Beispiel beim Aufprall auf die Lampe, verbrennen sich die Flügel, bleiben im Lampengehäuse gefangen und verhungern oder werden zur leichten Beute für Spinnen und Fledermäuse.
Wie die Wiener Wissenschaftler Höttinger und Graf in einer Studie zusammenfassend darlegen, werden in den Sommermonaten etwa 150 Insekten pro Straßenlampe und Nacht getötet. Eine zwei Meter hohe blau-weiße Leuchtschrift aus drei Buchstaben zog im Stadtgebiet von Graz innerhalb eines Jahres 350.000 Insekten an. Der Nachtfalteranflug an einem Strahler zur Beleuchtung einer Statue in Süditalien wird in den Sommermonaten auf rund 5000 Tiere pro Nacht geschätzt.
Gelbes Licht zum Schutz der Insekten
Zum Schutz der Nachtschwärmer plädieren Insektenexperten wie Burmeister daher für eine Straßenbeleuchtung mit weniger UV-Anteilen. "Konkret bedeutet das, von weißem auf gelbes Licht umzustellen", sagt der Forscher. Das hätte viele Vorteile: Mit Natrium-Dampflampen lässt sich Energie sparen, sie haben eine längere Brenndauer als weiße Quecksilberdampflampen, sie sind leichter zu entsorgen, und für die Insekten sind die gelben Laternen eine lebensrettende Maßnahme. Mancherorts ginge es sicher noch einfacher: Licht aus! Dann scheint auch nächste Nacht wieder der Mond für die Falter.
Quelle: ntv.de