Frage & Antwort, Nr. 122 Wurde mit Bleizucker gesüßt?
01.06.2010, 09:52 UhrIch habe gehört, dass im Mittelalter Weine mit sogenanntem Bleizucker gesüßt wurden? Stimmt das? (fragt Marcus F. aus Schwerin)
"Das ist wahr", sagt Dr. Udo Kienle von der Universität Hohenheim. "Sogenannter Bleizucker wurde aber nicht nur im Mittelalter, sondern schon bei den Römern verwendet und zwar hauptsächlich, um den Geschmack von minderwertigen Weinen angenehmer zu machen" erklärt Kienle.
Bleizucker ist eine chemische Verbindung, die aus Essigsäure und Blei entsteht. Es ist das Blei(II)-Salz der Essigsäure. Die wasserfreie Substanz hat eine kristalline Form, die sich gut in Wasser und anderen Flüssigkeiten löst und einen süßen Geschmack hat.
"Das Süßen von Wein mit Bleizucker war damals eine Täuschung des Verbrauchers, der billigen Wein konsumierte und weder schmeckte noch ahnte, dass dieser mit dem giftigen Zusatzstoff gesüßt war", ergänzt Kienle.
Je öfter solche gepanschten Weine getrunken wurden, umso gravierender waren die gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Vor allem krankhafte Veränderungen des Gehirns, daraus folgende Wesensveränderungen und Unfruchtbarkeit gehörten dazu.
Blei tötete Römer
Es gibt Thesen von Historikern, die besagen, dass der Konsum von Bleizucker zum Untergang des Römischen Reiches geführt haben soll. Grund sind die hohen Konzentrationen an Blei, die man in den Knochen und Zähnen der Römer nachweisen konnte. Es wird vermutet, dass jeder römische Legionär Essig mit sich führte. Dieser sollte der medizinischen Anwendung sowie der Erfrischung dienen. Allerdings waren viele dieser Gefäße aus Blei, so dass der Essig darin mit dem Blei reagierte und so ein gewisser Anteil des giftigen Bleizuckers entstand.
Weil die Herstellung relativ einfach und billig war, wurden Weine bis ins 19. Jahrhundert hinein mit Bleizucker gesüßt. Heute wird das Blei(II)-Salz der Essigsäure (Pb(CH3C00)2) zur Gewinnung anderer Bleiverbindungen benötigt, zum Beispiel für die Herstellung von Chromgelb, das wiederum als Farbpigment in Lacken und Dispersionsfarben zum Einsatz kommt.
Übrigens: Von Ludwig van Beethoven nahm man lange Zeit an, dass auch er einer Bleivergiftung zum Opfer fiel. In einer Locke des Komponisten waren tödlich hohe Bleikonzentrationen nachgewiesen worden. Mit Bleizucker gepanschter Wein und Blei im Trinkwasser - denn sämtliche Wasserleitungen waren damals aus Blei - konnten dazu geführt haben. Doch neue Tests an Schädelfragmenten des Komponisten widersprechen der Theorie einer Bleivergiftung. Die unterschiedliche Höhe der Bleiwerte ist allerdings noch ungeklärt.
Quelle: ntv.de