Panorama

"Paranoide Wahnideen" Gutachter zweifelt an Gurlitts Testament

Wie zurechnungsfähig war Cornelius Gurlitt, als er seine Kunstsammlung dem Kunstmuseum Bern hinterließ? Der Psychiater und Jurist Hausner ist skeptisch und attestiert Gurlitt in einem Gutachten einen "deformierten Willensbildungsprozess".

An der Gültigkeit des Testaments von Cornelius Gurlitt sind nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" Zweifel aufgetaucht. Einem neuen Gutachten des Psychiaters und Juristen Helmut Hausner zufolge litt Gurlitt - der Sohn von Hildebrand Gurlitt, einem der Kunsthändler Adolf Hitlers - an "paranoiden Wahnideen", als er seinen Letzten Willen im Januar 2013 niederschrieb.

Das Grab von Gurlitts Vater Hildebrand, der die Kunstwerke gesammelt hatte.

Das Grab von Gurlitts Vater Hildebrand, der die Kunstwerke gesammelt hatte.

(Foto: dpa)

Der Anwalt von zwei gesetzlichen Erben Gurlitts, die in dem Testament übergangen worden waren, hatte bei Hausner das Gutachten in Auftrag gegeben: Laut der 48-seitigen Expertise, die der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt, ist Gurlitt von "paranoiden Wahnvorstellungen" beherrscht gewesen, als er am 9. Januar dem Kunstmuseum Bern unter anderem mehr als 1500 Kunstwerke vermachte. Sein "Willensbildungsprozess" sei durch die Wahnvorstellungen "deformiert" gewesen, die als "eigenständige Erkrankung" bereits seit den sechziger Jahren bestanden hätten.

Hausner beruft sich auf Dokumente und Briefe, aus denen hervorgehe, dass Gurlitt sich seit Jahrzehnten von Nazis verfolgt fühlte. Er befürchtete ein Komplott, wodurch ihm die vom Vater geerbten Bilder weggenommen werden könnten.

Hausner zitiert auch aus dem im vergangenen Jahr angefertigten Gutachten, das Grundlage für die Entscheidung war, Gurlitt kurz vor Weihnachten 2013 unter Betreuung zu stellen. Danach sei der Sohn des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt "der Vergangenheit des Dritten Reichs verhaftet".

Hausner: Keine freie Willensbildung

Hausner kommt nun zu dem Schluss, dass eine solche Erkrankung zwar nicht zwingend zur Testierunfähigkeit führe, jedoch die Freiheit der Willensbildung für Verfügungen aufhebe, die in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Wahn stehen. Nach seiner Einschätzung liegt Gurlitts Entscheidung, seine Sammlung nach Bern zu geben, darin begründet, dass er sie vermeintlichen Nazis in Deutschland für immer entziehen wollte.

Gurlitts Cousin Dietrich Gurlitt und die Cousine Uta Werner, die das Gutachten in Auftrag gegeben hatten, wollen allerdings weder einen Erbschein beantragen noch das Erbe anfechten. Auch das Kunstmuseum Bern, so geht es aus einem Schreiben des Nachlasspflegers hervor, will Gurlitts Zustand zum Zeitpunkt der Verfassung seines Testaments nicht prüfen lassen.

Die Verantwortlichen in Berlin, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und die Leiterin der Gurlitt-Taskforce, Ingeborg Berggreen-Merkel, signalisierten, dass sie fest von der Annahme des Erbes durch das Berner Museum ausgehen. Dieses teilte jedoch mit, erst am 26. November entscheiden zu wollen. Angeblich hat man sich bereits darauf geeinigt, dass der wichtigste Teil der Sammlung, die "Entartete Kunst", in deutschen Museen bleiben dürfe. Auch die Provenienzforschung durch eine Taskforce soll in deutscher Hand bleiben.

Im November 2013 war bekanntgeworden, dass Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft im Februar 2012 fast 1300 Kunstwerke in Gurlitts Münchner Wohnung beschlagnahmt hatten. Eine eigens eingerichtete Taskforce schloss einen Raubkunst-Verdacht bei 458 Werken nicht aus. Gurlitt starb am 6. Mai dieses Jahres.

Quelle: ntv.de, ghö/dpa

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