Panorama

Der Tod kommt im Schlaf Hunderte Obdachlose erfrieren jährlich

Mehr als 50 Menschen sind in den vergangenen Tagen in Polen erfroren. Meist waren es Obdachlose, die keinen warmen Platz für die Nacht fanden. Das Problem ist nicht neu. Doch getan wird noch immer viel zu wenig.

Mit Wintereinbruch beginnt der harte Kampf ums Überleben.

Mit Wintereinbruch beginnt der harte Kampf ums Überleben.

(Foto: dpa)

Alle Jahre wieder: Wenn beim Wintereinbruch die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, beginnt für die Obdachlosen in Polen ein harter Kampf ums Überleben. Besonders gefragt: ein warmer Platz in den unterirdischen Kanälen neben Warmwasserleitungen. Doch solche "Luxus-Quartiere" sind rar und hart umkämpft - die meisten auf der Straße lebenden Menschen müssen in Schrebergärten, Bahnhofshallen, leer stehenden Häusern oder Parks Zuflucht vor der klirrenden Kälte suchen.

In diesem Jahr war der Winteranfang besonders hart. Allein in der ersten Dezemberwoche erfroren bei Temperaturen um minus 26 Grad 53 Menschen. Seit November weist die Polizeistatistik bereits 68 Kältetote auf. "Wir tun, was wir können, um die Menschen zu retten", sagt Grazyna Puchalska vom Warschauer Polizeipräsidium. Trotzdem fordere der Winter Jahr für Jahr zwischen 200 und 300 Todesopfer, stellt die Beamtin resignierend fest.

Wärmender Alkohol wird zum Verhängnis

Kälte und Schnee treffen vor allem ältere Menschen, die seit Jahren ein Obdachlosenleben führen. Sie seien häufig krank und durch ihr langes Leben auf der Straße geschwächt, erläutert Puchalska. Die weit verbreitete Methode, sich vor dem Einschlafen noch schnell mit Alkohol aufzuwärmen, werde ihnen zum Verhängnis. "Sie wachen nicht mehr auf", so die Polizeibeamtin.

Die Polizei besucht im Winter verstärkt die Orte, an denen sich Obdachlose gern aufhalten. "Wir reden auf sie ein, lieber in eine Obdachlosenunterkunft zu gehen statt bei Minus-Temperaturen unter freiem Himmel zu schlafen", sagt Puchalska. Manchmal biete die Polizei sogar die Mitfahrt im Streifenwagen an, doch viele seien eher skeptisch. "Die Menschen haben die freie Wahl, wir können keinen Zwang anwenden." Unter den bessergestellten Mitmenschen in den Städten finden die Appelle der Polizei, den Gefährdeten zu helfen, keine große Resonanz. Stinkende Kleidung, Alkoholfahne und nicht selten ruppiges Benehmen schrecken "anständige" Bürger ab.

Polnische Polizisten versuchen Obdachlose dazu zu überreden, in einer Obdachlosenunterkunft zu übernachten.

Polnische Polizisten versuchen Obdachlose dazu zu überreden, in einer Obdachlosenunterkunft zu übernachten.

(Foto: dpa)

Hilfsorganisationen haben deshalb im Winter alle Hände voll zu tun. Die Vereinigung Monar, vor allem durch Hilfsprogramme für Drogenabhängige landesweit bekannt, betreibt in Warschau eine Unterkunft mit 300 Übernachtungsplätzen. Kein Hilfsbedürftiger werde abgewiesen, versichert Monar-Mitarbeiterin Lidia Szwarc. Wenn alle Betten belegt seien, würden Matratzen auf den Boden gelegt.

Doch nicht jeder Besucher ist bereit, die strengen Heim-Vorschriften zu akzeptieren. Das Prinzip "Null Alkohol" erweise sich für viele als zu hohe Hürde, erläutert Szwarc. Ihre Freiheit sei manchen Männern wichtiger als die Angst vorm Kältetod.

Rund 30.000 Menschen leben auf der Straße

Obdachlosigkeit ist kein neues Phänomen in dem mitteleuropäischen Land. In den Jahren des Kommunismus verhinderte allerdings die Zensur Debatten über das Problem. Geändert hat sich aber auch nach der demokratischen Wende von 1989 nicht viel. Wie viele Menschen in Polen auf der Straße leben, lässt sich nur grob schätzen. Das Ministerium für Arbeit und Soziales geht von rund 30.000 Obdachlosen aus. Unabhängige Forscher sprechen aber von mehreren Hunderttausend, manche gar von einer halben Million.

Quelle: ntv.de, Jacek Lepiarz, dpa

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