Schweinegrippe-Impfungen Kein Staatsgeld für die Krankenkassen
06.08.2009, 07:43 Uhr
Blick durch ein Mikroskop der Medizinischen Hochschule Hannover: Die "Immunfluorenz-Methode" lässt die Influenza-Viren leuchten. Während gesunde Zellen rot erscheinen, strahlen infizierte Zellen grün.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Bei der Finanzierung der Schweinegrippe-Impfungen können die Krankenkassen nicht mit Steuermitteln rechnen. Unterdessen erwartet das Paul-Ehrlich-Institut für den Herbst deutlich mehr Schweinegrippe-Erkrankungen und schwerere Verläufe als bisher. Für die ersten Risiko-Gruppen soll es im September Impfungen geben.
Die Bundesregierung hat die Forderung von Krankenkassen nach höheren Beiträgen wegen der Kosten für die Schweinegrippe-Impfung als "völlig unangemessen" zurückgewiesen. Steuermittel soll es offenbar auch nicht geben. Die Impfungen seien eine "Pflichtaufgabe" der Krankenkassen und die Finanzfragen "definitiv" geklärt, sagte Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder.
Schröder sagte, jeder in Deutschland könne geimpft werden, wenn er wolle, jedoch werde dies "Schritt für Schritt" geschehen. Zuerst müssten die Risikogruppen wie Schwangere und chronisch Kranke versorgt werden. Auf der Website des Gesundheitsministeriums heißt es bereits seit Wochen: "Die gesetzlichen Krankenkassen tragen die Kosten für ihre Versicherten. Das Bundesministerium für Gesundheit stellt dies durch eine Rechtsverordnung sicher."

Jörg Hacker (r.) und Johannes Löwer.
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In dieser Rechtsverordnung soll auch festgelegt werden, "welche Gruppen der Versicherten einen Anspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung haben" - mit anderen Worten: Das Ministerium legt fest, wer zuerst geimpft werden soll. Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Johannes Löwer, sagte, sinnvoll sei nach dem Vorschlag der Weltgesundheitsorganisation, zuerst medizinisches Personal und dann chronisch Kranke und Schwangere zu impfen.
"Zusatzbeiträge in eigener Regie"
Die gesetzlichen Krankenkassen hatten gefordert, dass die Kosten für die Schutzimpfung gegen die Schweinegrippe entweder über Steuermittel oder durch höhere Beiträge abgedeckt werden. Sollte es keinen zusätzlichen Steuerzuschuss für den Gesundheitsfonds geben, könnte die Bundesregierung alternativ den allgemeinen Beitragssatz zum 1. Oktober "anpassen", sagte eine Sprecherin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sollte es nicht dazu kommen, könnten die Kassen in eigener Regie Zusatzbeiträge von den Versicherten erheben. Diese Möglichkeit sieht der Gesundheitsfonds ausdrücklich vor.
Erste Todesfälle im Herbst möglich
Das Paul-Ehrlich-Institut rechnet für den Herbst mit deutlich mehr Schweinegrippe-Erkrankungen und schwereren Verläufen als bisher. Dann seien Todesfälle auch in Deutschland möglich, sagte PEI-Präsident Löwer. Ihm zufolge könnten die ersten Risiko-Gruppen bereits im September gegen die neue Grippe geimpft werden. Das PEI ist in Deutschland für Impfstoffe zuständig. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Jörg Hacker, sagte, er sei optimistisch, dass sich die Kostenfrage mit den Kassen lösen lasse.

Im September soll es die ersten Impfungen geben.
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Nach den jüngsten Zahlen von Mittwoch sind in Deutschland bisher 8619 Fälle der Neuen Grippe nachgewiesen. 80 Prozent der neuen Patienten sind Urlauber, die sich im Ausland mit dem Virus infizierten. Die Zahl der Neuinfektionen pro Woche ist damit weiter gestiegen - von 1179 Fällen Mitte Juli auf 2847 Fälle Anfang August. "Wir erwarten, dass es auf diesem Niveau weitergeht", sagte Hacker. In der EU gebe es inzwischen fast 29.000 Fälle und 42 Todesopfer. Weltweit seien rund 200.000 Patienten und 1444 Tote registriert.
Als eine gute Nachricht werteten die Impf-Experten die Erkenntnis, dass sich das Erbmaterial der neuen Influenza-Viren seit Monaten kaum verändert hat. "Das Genom ist relativ stabil", berichtete Hacker. Bisher seien gegen Grippe-Medikamente in Deutschland (Neuraminidasehemmer) auch noch keine Resistenzen feststellbar. Nur aus dem Ausland seien Einzelfälle belegt.
Bis zu eine Milliarde Euro
Die Bundesregierung rechnet mit Kosten von rund 600 Millionen Euro für die ab Herbst geplante Schutzimpfung. Die Krankenkassen gehen von mindestens 700 Millionen Euro aus, wenn die Impfaktion ausschließlich über den öffentlichen Gesundheitsdienst, vor allem die Gesundheitsämter, läuft. Übernehmen auch Hausärzte die Impfungen, steigen die Kosten laut GKV auf bis zu eine Milliarde Euro.
Die Übertragung der Kosten auf die Krankenkassen wäre "ein unvorhersehbarer Ausgabenanstieg in der GKV im Jahre 2009 und gegebenenfalls 2010", heißt es Stellungnahme des Spitzenverbandes zur geplanten Impfverordnung der Bundesregierung, aus der die Nachrichtenagentur AFP zitiert.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa