Sie war die "Staubfrau" von 9/11 Marcy Borders stirbt an Magenkrebs
26.08.2015, 08:21 Uhr
Das Foto der "Staubfrau" von AFP-Fotograf Stan Honda ist eines der berühmtesten Bilder des 11. September 2001.
(Foto: dpa)
Marcy Borders arbeitete bei der Bank of America, als knapp über ihr ein Flugzeug in den Nordturm des World Trade Centers kracht. Sie überlebt den Anschlag, ihr Foto geht um die Welt. Jetzt stirbt Borders an Krebs. Ist sie ein spätes 9/11-Opfer?

Am 11. September 2011 war Marcy Borders zu Gast in der ARD-Sendung "Günther Jauch".
(Foto: picture alliance / dpa)
Auch wenn die Frau auf dem Foto vom 11. September 2001 kaum zu erkennen ist, wird sie doch zum Sinnbild für die Opfer des Terrorangriffs auf die USA: Marcy Borders war 28 Jahre alt, als sie nur knapp den einstürzenden Türmen des World Trade Centers in New York entkommt. Jetzt starb Borders an einer Krebserkrankung.
Der 11. September hatte das Leben der jungen Frau komplett verändert. Nachdem dem AFP-Fotografen Stan Honda eines der berühmtesten Bilder des Terrorangriffs gelang, wurde die "Dust Lady", die "Staubfrau", über Nacht zum Gesicht der neuen, verwundbaren USA. Das Foto der jungen Frau im Kostüm, die über und über mit Staub bedeckt ist und eine Hand ausstreckt, als wolle sie sagen "hilf mir", ging um die Welt. Borders hatte sich auf die Straße retten können, nachdem "American-Airlines-Flug 11" mehrere Stockwerke über ihr in den Nordturm des World Trade Centers gekracht war.
Wieder und wieder hatte die damalige Sekretärin der Bank of America ihre Geschichte erzählen müssen: Sie steht gerade am Kopierer in der 81. Etage des Nordturms, als es passiert. Das Gebäude wackelt, sie wird zu Boden geschleudert. Als sie sich aufrappelt und entschließt, den Büroturm so schnell wie möglich zu verlassen, liegen bereits die ersten Toten in den Gängen. Sie rennt 81 Stockwerke nach unten in diesem riesigen Gebäude, in dem Panik herrscht. Etwa eine Stunde benötigt sie für die Flucht über die Flure, als der Südturm einstürzt. In dem Beben verliert sie das Gleichgewicht, kommt ins Straucheln und stürzt in eine Pfütze. Sie rappelt sich erneut auf, rennt auf die Washington Street. Nur wenige Minuten später fällt auch der Nordturm in sich zusammen.
Marcy Borders überlebt den Terror nur knapp, aber 9/11, wie der Tag später genannt wird, verändert sie für immer. Sie erleidet ein Trauma, wird arbeitsunfähig, verliert ihren Job bei der Bank und muss sich wiederholt wegen Depressionen behandeln lassen. In einem ihrer zahlreichen Interviews spricht sie über ihre Albträume von Flugzeugen, Explosionen, schreienden Menschen und Verfolgungsängsten.
Süchtig nach allem, was vergessen lässt
Schließlich flieht Marcy Borders vor der Welt, versteckt sich in ihrer Wohnung und wird süchtig: zunächst nach Alkohol, später nach Drogen und allem, was die Welt vergessen und ihren Schmerz betäuben lässt. Die Behörden entziehen ihr zwischenzeitlich das Sorgerecht für ihre Kinder. Ihr Mann resigniert und verlässt sie. Es folgen weitere Therapien, auch gegen ihre Sucht. Das war im Jahre 2011. Langsam fasst die Frau wieder Tritt, findet später sogar wieder eine Arbeit und unterstützt eine politische Kampagne.
Im Sommer 2014 erhält Marcy Borders die Diagnose. Für sie steht fest: Der Krebs ist durch den Giftstaub ausgelöst worden, den sie damals eingeatmet habe. Beweisen kann sie es nicht, für die Behandlung kommt der Staat nicht auf. Sie muss die teuren Medikamente und Chemotherapie aus der eigenen Tasche bezahlen. Doch das Geld hat sie nicht. Sie macht Schulden in Höhe von fast 200.000 Dollar.
Nach all ihren Rückschlägen hat Marcy Borders ihr Leben wieder neu beginnen wollen – weit weg von New York, weg von den Hochhäusern und Flugzeugen, die ihr immer noch Ängste bereiten.
Bis zum Schluss hat sie in einer Plastiktüte gut verschlossen die mit weißem Staub überzogenen Kleidungsstücke aufbewahrt, die sie am 11. September 2001 trug, als die Welt über ihr zusammenbrach.
Quelle: ntv.de