Versteckt hinterm Sofa Michelangelo-Gemälde entdeckt
12.10.2010, 18:01 UhrFast 30 Jahre schlummerte ein Gemälde in einem Wohnzimmer im US- Bundesstaat New York. Nun bestätigten Kunstexpertisen die Überzeugung der Besitzer - es handelt sich möglicherweise um einen Michelangelo.
Ein seit 27 Jahren in den USA hinter einem Sofa schlummerndes Ölgemälde ist möglicherweise ein echter Michelangelo und Millionen wert. Die Besitzer, eine deutschstämmige Familie in Buffalo im US-Bundesstaat New York, war schon immer davon überzeugt, doch Beweise für die Echtheit des Bildes hatte sie nicht. Nun kam der italienische Kunsthistoriker und Restaurator Antonio Forcellino zu demselben Ergebnis.
Das über Generationen vererbte Gemälde, das eine "Pietà" - eine Muttergottes mit dem vom Kreuz genommenen Jesus im Schoß - darstellt, hing nach einem Bericht der "New York Post" jahrelang im Wohnzimmer der Familie Kober. Als die Kinder das Kunstwerk beim Spielen mehrere Male mit einem Tennisball trafen, nahm Vater Martin Kober es ab und brachte es hinter dem Sofa in Sicherheit. Und dort blieb es lange liegen.
"Mike" wird begutachtet
Erst im Jahr 2003 nach seiner Pensionierung kam der ehemalige Luftwaffen-Offizier wieder dazu, sich um den "Mike", wie das Bild von den Kobers liebevoll genannt wurde, zu kümmern. Denn sein Vater hatte ihn gebeten, prüfen zu lassen, ob das Bild wirklich ein echtes Werk des italienischen Künstlers Michelangelo (1475-1564) sei. Und so beauftragte Kober den Renaissance- und Michelangelo-Experten Forcellino.
"Ich bin Restaurator und daher an übermalte Bilder gewöhnt", erzählt Forcellino von seiner ersten Begegnung mit dem Werk. Auf dem Weg in die USA sei er davon ausgegangen, es handele sich um eine Kopie. Vom ersten Anblick an habe dann für ihn aber kein Zweifel mehr bestanden: "Ich bin absolut überzeugt, dass dies ein Michelangelo-Gemälde ist, und in Wirklichkeit ist das Werk viel schöner als andere, die etwa in Rom und Florenz hängen", begeistert sich der Experte.

Die Darstellung der Pietà hat Michelangelo ein Leben lang beschäftigt. (im Bild: die Pietà im Petersdom in Rom)
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Ehe er mit seiner Entdeckung an die Öffentlichkeit ging, forschte der 1955 in Kampanien geborene Wissenschaftler Jahre lang auf den Spuren der amerikanischen "Pietà". "Über sechs Jahre hinweg habe ich gemeinsam mit meiner Schwester Dokumente über die Existenz des Bildes zusammengetragen", erzählt Forcellino. Infrarot-Untersuchungen im vergangenen Jahr hätten ihm den letzten Zweifel genommen.
"Man sieht ganz deutlich, dass das Bild unvollendet ist - und kein Renaissance-Mäzen hätte als Auftraggeber einer Kopie ein unvollendetes Bild in Kauf genommen", so der Kunsthistoriker. Auch die unter den Übermalungen erkennbaren Originalkorrekturen, Pinselstrich und Malweise sprächen eindeutig für Michelangelo. Und das ist nicht alles: "Das Gemälde ist auch eindeutig das am vollständigsten dokumentierte Kunstwerk der vergangenen 200 Jahre, was seinen Ursprung angeht", sagt Forcellino. Zahlreiche Briefe und Dokumente belegten die Urheberschaft und Odyssee des Kunstwerks.
Gemälde ist 217 Mio. Euro wert
So werde in der Bibliothek des Vatikans ein Brief von Michelangelo von 1545 aufbewahrt, in dem dieser seiner Freundin, der katholischen Dichterin Vittoria Colonna, eine Pietà verspricht. In späteren Dokumenten sei festgehalten, dass die Pietà in den Besitz einer deutschen Baronin überging, die es schließlich einer Hofdame vererbte. Und diese Hofdame war nach Recherchen Forcellinos niemand anderes als die Schwägerin des Urgroßvaters von Martin Kober. 1883 hätten die Kobers das Bild schließlich in die USA gebracht.
"So groß ist meine Entdeckung somit gar nicht", sagt Forcellino. "Ich habe eigentlich nur das gemacht, was alle Forscher tun sollten: Nämlich nach Beweisen für eine Überzeugung gesucht". Laut "New York Post" hat der Michelangelo inzwischen seinen Platz hinter dem Sofa verlassen und liegt in einem Bankschließfach - der Wert des Gemäldes wird auf 300 Millionen Dollar (etwa 217 Millionen Euro) geschätzt.
Quelle: ntv.de, Katie Kahle und Günther Chalupa, dpa