5000 Frauen klagen wegen Billig-Brustimplantaten Prozess gegen PIP-Manager eröffnet
17.04.2013, 18:20 Uhr
Rund 300.000 Frauen bekamen Billig-Implantate von PIP.
(Foto: REUTERS)
Um Millionen Euro zu sparen verkauft der französische Hersteller PIP jahrelang minderwertige Silikon-Implantate für Brustvergrößerungen. Doch weil die Produkte schnell reißen und Entzündungen auslösen, fliegt der Betrug auf. Hundertausende Frauen sind betroffen. Jetzt müssen sich die Verantwortlichen der Justiz stellen.
Tausende Frauen auf der ganzen Welt haben versucht, sich mit Brustimplantaten der Firma Poly Implant Prothèse (PIP) zu verschönern. Viele von ihnen bereuen diesen Schritt heute. Der Hersteller verwendete billiges Industrie-Silikon. Nun setzen die Betroffenen alles daran, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sie haben in Frankreich, wo das Unternehmen seinen Firmensitz hat, einen der größten Prozesse in der Geschichte des Landes losgetreten.
In dem Strafprozess, der nun begonnen hat, klagen rund 5000 Frauen gegen die Manager des mittlerweile insolventen Herstellers PIP. Im Mittelpunkt steht Firmengründer Jean-Claude Mas. Die Kläger werfem ihm und seinen vier Mitarbeitern Betrug und schwere Verbrauchertäuschung vor. Den Männern drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Mehrere hundert Frauen reisten extra für den Prozess nach Marseille. Auch einige Deutsche beteiligen sich nach Angaben einer Berliner Anwaltskanzlei als Nebenkläger.
PIP sparte 1,2 Millionen pro Jahr
Zu Prozessbeginn ging es zunächst um Verfahrensfragen. Verteidiger des Angeklagten kritisierten unter anderem, dass die Ermittlungen zu Straftatbeständen wie Körperverletzung und Insolvenzbetrug noch laufen und es eventuell weitere Prozesse geben müsse. Ihr Versuch, mit diesen Argumenten eine Annullierung zu erwirken scheiterte aber genauso wie ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht in Marseille.
Von 2001 bis 2010 erhielten mehr als 300.000 Frauen die minderwertigen Implantate. Diese enthalten eine nicht genehmigte Silikon-Mischung, mit der PIP Ermittlern zufolge allein in einem Jahr 1,2 Millionen Euro einsparte. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geht davon aus, dass mehr als 5000 Frauen in Deutschland Implantate von PIP erhalten haben.
Der Skandal war erst entdeckt worden, nachdem sich Hinweise auf eine erhöhte Reißanfälligkeit der Produkte gehäuft hatten. Zudem gab es 2009 einen anonymen Hinweis auf den Betrug.
Kaum Hoffnung auf Entschädigung
Das nicht zugelassene Silikon kann Entzündungen auslösen, wenn es durch einen Riss austritt. Länder wie Deutschland und Frankreich haben Betroffenen in einer beispiellosen Aktion darum empfohlen, sich ihre Silikonkissen vorsichtshalber entfernen zu lassen. Viele der Frauen in Deutschland folgten diesem Rat. "Bisher haben wir 1445 Meldungen zu Explantationen von mit PIP-Silikon gefüllten Implantaten erhalten", sagte ein BfArM-Sprecher. In Frankreich waren es rund 15.000.
Schadenersatz können die Opfer vermutlich dennoch nicht erwarten. Zum Prozessauftakt gab der 73-Jährige PIP-Gründer an, Rentner zu sein und lediglich 1800 Euro im Monat zur Verfügung zu haben. Etliche Opfer buhten ihn aus.
Neben zahlreichen betroffenen Frauen ist der TÜV Rheinland an dem ersten Strafprozess als Nebenkläger beteiligt. Der deutsche Prüfdienstleister war für die Zertifizierung der Implantate und des PIP-Qualitätssicherungssystems zuständig. Er wirft PIP vor, sämtliche Hinweise auf die Verwendung nicht zugelassenen Silikons systematisch verschleiert zu haben. "Der TÜV hat mit Dutzenden Mitarbeitern auf allen Ebenen gesprochen. Überall wurde gelogen", sagte TÜV-Anwalt Olivier Gutkès in Marseille.
Opfer kritisieren die Nebenklägerrolle des TÜV allerdings. Sie werfen ihm unzureichende Kontrollen vor und hätten ihn am liebsten auf der Anklagebank gesehen.
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/rts