Panorama

Milliardenschweres Weihnachten Spanien hofft auf den Dicken

Weihnachten ohne die traditionelle Lotterie wäre in Spanien kein richtiges Weihnachten. Während der feierlichen Ziehung sitzt das halbe Land vor dem Fernseher und hofft auf das große Los. Wer zu den Gewinnern zählen will, lässt nichts unversucht und setzt auf eine gehörige Portion Aberglauben – oder die Herzogin von Alba.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Spanien beginnt Weihnachten bereits heute: Der Dicke kommt. Es handelt sich dabei zwar nicht um den Weihnachtsmann, doch das ganze Land wartet trotzdem fieberhaft auf ihn. Denn "El Gordo" ist der stattliche Hauptgewinn der Weihnachtslotterie – und der ist traditionell ziemlich dick. Das ist auch angemessen. Schließlich ist die Lotería de Navidad nicht nur die größte Lotterie, sondern auch die älteste der Welt. Ihre Anfänge gehen auf das Jahr 1763 zurück. In der heutigen Form wird sie seit 1812 ausgespielt.

Dieses Jahr hat der "Gordo" einen besonders beeindruckenden Umfang. Er ist vier Millionen Euro schwer, eine Million Euro mehr als bisher. Außerdem wird jede Losnummer 180 mal verkauft, so dass auch der Hauptgewinn 180 Mal ausgeschüttet wird.

Da ein ganzes Los satte 200 Euro kostet, kaufen sich Spanier normalerweise aber nur Anteile in Form von Zehntel-Losen oder teilen sich Gemeinschaftslose mit Freunden und Kollegen. Das hat zur Folge, dass auch die Gewinne aufgesplittert werden. Trotz der immensen Summen, die ausgeschüttet werden, macht die Lotterie deshalb kaum jemanden zum Millionär. Sie verteilt ihre Gewinne häufig auf die Bewohner ganzer Ortschaften oder Stadtviertel.

Bescherung für den Fiskus

Insgesamt werden dieses Jahr 2,5 Milliarden Euro ausgeschüttet. Doch der größte Gewinner ist der Staat: Er nimmt wohl mehr als eine Milliarde Euro ein. Der Fiskus bekommt 25 Prozent der Einsätze, obendrein erhält er all die Gewinne, die auf nicht verkaufte Lose entfallen; denn die übriggebliebenen Lose gehen an den Staat zurück.

Wo die Lose gekauft werden, spielt für viele Spanier eine große Rolle.

Wo die Lose gekauft werden, spielt für viele Spanier eine große Rolle.

(Foto: REUTERS)

Das sei ihm gegönnt, in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise kann er das Geld gut gebrauchen. Wohl auch deshalb wurden die Gewinne kräftig aufgestockt. Das Kalkül, dass in Krisenzeiten der Absatz steigt, geht jedoch nicht auf. "Dies hat sich als ein Mythos erwiesen", sagt Marcelo Ruiz von der staatlichen Lotteriegesellschaft LAE. "Es kaufen in diesem Jahr zwar mehr Leute Lose, aber sie setzen weniger Geld ein", so eine Losverkäuferin in Madrid. Die Zeiten, in denen die Einsätze von Jahr zu Jahr stiegen, sind längst vorbei. 2010 ging der Absatz gar um acht Prozent zurück.

Außerdem haben die höheren Gewinne eine Kehrseite: Die Lostrommel, aus der die Glückszahlen gezogen werden, enthält mehr Kugeln als bisher. Damit sinken die Gewinnchancen, die Wahrscheinlichkeit, den "Gordo" zu bekommen, beträgt nun 1:100.000. Sie sind aber nach wie vor höher als bei fast allen anderen Lotterien. Die Chance, überhaupt etwas zu gewinnen, beträgt immerhin 5,3 Prozent. Bisher waren es 5,7 Prozent.

Fabrik der Träume

Millionen Spanier hoffen nun also auf das große Los – oder zumindest auf einen Anteil daran. Es wird angenommen, dass jedes Jahr mehr als 90 Prozent von ihnen an der Lotterie teilnehmen. Das hat sich auch in der Krise nicht geändert. Denn angesichts einer Arbeitslosenquote von mehr als 21 Prozent, einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 45 Prozent, horrender Hypothekenschulden vieler privater Haushalte, immer neuen Sparmaßnahmen und dem bevorstehenden Rückfall der Konjunktur in die Rezession wächst die Hoffnung auf eine vorgezogene Bescherung. In Werbespots wird die Lotterie folgerichtig als "Fabrik der Träume" bezeichnet. Es ist der Traum vom Reichtum, der jedem zugänglich ist, der nur ein bisschen Geld einsetzt.

Bei der Auswahl der Lose, die seit August verkauft werden, überlassen viele Spanier lieber nichts dem Zufall, sondern wählen die Nummern mit Bedacht aus. So waren Lose mit der Nummer 51011 blitzschnell ausverkauft – denn am 5. Oktober dieses Jahres heiratete die Herzogin von Alba, die reichste Frau Spaniens. Wenn das kein gutes Omen ist, was dann?

Während der stundenlangen Ziehung sitzen Millionen vor dem Fernseher.

Während der stundenlangen Ziehung sitzen Millionen vor dem Fernseher.

(Foto: REUTERS)

Doch nicht nur die Nummern werden sorgfältig ausgesucht. Auch das Geschäft, in dem die Lose gekauft wird, spielt eine große Rolle. Besonders beliebt ist beispielsweise das Dorf Sort. Auf Katalanisch bedeutet das "Glück". Und tatsächlich: In Sort wird immer wieder ein "Gordo" gekauft. Liegt das wirklich an dem Namen? Oder doch daran, dass dort viel mehr Lose verkauft werden als anderswo – also auch mehr Nieten?

Egal. Das spielt am 22. Dezember keine Rolle. Die feierliche Prozedur zieht sich über Stunden hin, wird im Fernsehen und Radio live übertragen und vom ganzen Land gebannt verfolgt. Natürlich werden die Glücksnummern nicht schnöde verlesen. Nach einer alten Tradition tragen Kinder des Madrider San-Ildefonso-Internats, eines ehemaligen Waisenhauses, die Zahlen in einem Singsang vor. Währenddessen bricht irgendwo im Land Jubel aus, ganze Dörfer liegen sich in den Armen. Anderswo bleibt es dagegen still. Spanische Weihnachten ohne den Dicken? Undenkbar.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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