Panorama

EHEC-Quelle immer rätselhafter Spanische Gurken nicht Auslöser

Mitarbeiter in Schutzanzügen in einer Isolierstation im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg.

Mitarbeiter in Schutzanzügen in einer Isolierstation im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg.

(Foto: dpa)

Der auf spanischen Gurken in Hamburg entdeckte EHEC-Erreger hat offenbar nicht die Erkrankungswelle im Norden ausgelöst. Das ergibt eine Laboruntersuchung bei zwei der drei sichergestellten spanischen Gurken. Ein neu entwickelter Schnelltest könnte bei der Quellen-Suche helfen. Unterdessen gibt es den ersten Todesfall durch den aggressiven Darmkeim außerhalb Deutschlands.

Gurkensalat ist jetzt nicht der Renner.

Gurkensalat ist jetzt nicht der Renner.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit anderthalb Wochen wird fieberhaft nach dem Ursprung des aggressiven Darmkeims EHEC gesucht. Erreger wurden zum Beispiel auf spanischen Gurken gefunden. Nun  hat der auf dem Gemüse entdeckte EHEC-Erreger offenbar nicht die Erkrankungswelle in Norddeutschland ausgelöst. Das habe eine entsprechende Laboruntersuchung bei zwei der drei sichergestellten spanischen Gurken ergeben, sagte die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks.

Es zeigte sich bei den zwei Proben keine Übereinstimmung mit dem Erreger des Typs O104, die aus den Stuhlproben der Patienten isoliert wurden. Zwar sei auf den Gurken EHEC-Erreger nachgewiesen worden, allerdings nicht der Stamm, der die Erkrankungen ausgelöst habe. "Nach wie vor ist die Quelle nicht identifiziert." Die Ergebnisse zweier weiterer Proben lägen noch nicht vor.

Bislang wurde der EHEC-Erreger lediglich auf vier Gurken nachgewiesen, von denen drei aus Spanien stammten. Es werden laut Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner alle Vertriebswege des Gemüses rekonstruiert, das die Erkrankten gegessen hätten. Es gehe darum, ein großes Mosaik Steinchen für Steinchen zusammenzusetzen. Aigner empfahl erneut, auf den Verzehr von rohen Tomaten, Salat und Gurken zu verzichten.

Schnelltest könnte bei Quellen-Suche helfen

Ein Hinweisaufkleber in einem Toilettenraum im RKI gibt Tipps zum richtigen Händewaschen.

Ein Hinweisaufkleber in einem Toilettenraum im RKI gibt Tipps zum richtigen Händewaschen.

(Foto: dpa)

Unterdessen haben Wissenschaftler der Uniklinik Münster einen Schnelltest zum Nachweis des EHEC-Erregers entwickelt. Mit dem molekularbiologischen Verfahren könnten schon kleinste Mengen von EHEC-Erregern in wenigen Stunden nachgewiesen werden, sagte ein Sprecher.

Das Gute an dem Test: Er kann auch bei der Suche nach der Quelle des gefährlichen Erregers eingesetzt werden. Der Schnelltest stehe "natürlich auch den entsprechenden Stellen für Lebensmittelüberwachung zur Verfügung, so dass es auch dort eingesetzt werden kann", sagte ein Sprecher des Universitätsklinikums. Nötig sei jedoch ein spezielles molekularbiologisches Labor. "Das ist jetzt nicht so ein Test, mit dem man über den Markt gehen kann und hier etwas dranhalten kann wie bei einem Schwangerschaftsstreifen." Wie sehr der Schnelltest die Suche nach dem Ursprung der Infektion beschleunigen kann, müssten zuständige Behörden beurteilen.

Zahl der Toten steigt weiter

Die Zahl der Toten, deren EHEC-Infektion sich zu der schweren Komplikation mit dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) entwickelte, stieg bundesweit auf 15; 13 davon sind Frauen. Erstmals gab es jetzt auch Todesfälle außerhalb Norddeutschlands. In Nordrhein-Westfalen starben gleich drei Frauen an den Folgen der Durchfallinfektion. Mecklenburg-Vorpommern meldete die erste EHEC-Tote. Die Zahl bestätigter und Verdachtsfälle nahm am Montag bundesweit auf mehr als 1400 zu. Am Vortag waren es mehr als 1200. Mittlerweile gibt es laut RKI 353 bestätigte HUS-Fälle, am Samstag waren es noch unter 300.

Die tatsächliche Zahl sei wohl deutlich höher, sagte RKI-Chef Reinhard Burger. Rätselhaft sei nach wie vor, warum 60 Prozent der Fälle in norddeutschen Städten konzentriert seien und warum 70 Prozent der Erkrankten weiblich seien.

Im Norden weniger Neuerkrankungen

Die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks erklärte, in ihrem Bundesland werde seit dem Wochenende ein Abflachen der Erkrankungen registriert. "Ich hoffe sehr, dass dies ein Indiz dafür ist, dass der Höhepunkt der Erkrankungswelle überschritten ist." Dem widersprach Burger. Von einer allgemeinen Entspannung der Lage könne noch keine Rede sein. Weitere Todesfälle seien "eher wahrscheinlich". Es sei nicht davon auszugehen, dass die kontaminierten Lebensmittel verderblich oder schon aufgegessen seien. Auch Gesundheitsminister Daniel Bahr sagte, es sei mit steigenden Fallzahlen zu rechnen.

Antikörper Eculizumab kein Wundermittel

Das Medikament Soliris enthält den Antikörper Eculizumab.

Das Medikament Soliris enthält den Antikörper Eculizumab.

(Foto: dpa)

Die Medizinische Hochschule Hannover meldete einen ersten Erfolg beim Kampf gegen den EHEC-Erreger. Bei besonders schweren Fällen sei ein neuartiges Medikament eingesetzt worden, berichtete der Direktor der Abteilung für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Hermann Haller, in Hannover. Seit vergangenem Mittwoch seien HUS-Patienten mit dem sogenannte Antikörper Eculizumab behandelt worden. "Bei diesen Patienten ist bereits ein therapeutischer Erfolg sichtbar", sagte Haller. Bislang sei 17 Erwachsenen und zwei Kindern das Mittel verabreicht worden. Allerdings sei es kein "Wundermittel", hieß es.

Auch am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) kommt die Antikörper-Therapie zum Einsatz. Wie erfolgreich der Rettungsversuch sei, werde sich aber erst in drei bis vier Wochen zeigen, sagte der Nierenspezialist Prof. Rolf Stahl. Sorge bereiten den Ärzten Probleme mit dem Nervensystem bei vielen HUS-Erkrankten. Es gebe "zunehmend mehr neurologische Ausfälle" wie Sprachstörungen - ähnlich wie bei einem Schlaganfall - oder Zuckungen bis hin zu epileptischen Anfällen, erklärte der Neurologe Prof. Christian Gerloff.

Für die EHEC-Behandlung sind große Mengen an Blutplasma nötig. Einige Kliniken hätten mit Engpässen zu kämpfen, sagte der Sprecher der DRK-Blutspendedienste, Friedrich-Ernst Düppe. Das Deutsche Rote Kreuz verfüge aber noch über genügend Plasma-Konserven.

EHEC hat europäische Dimension

Verbraucherministerin Aigner betonte: "EHEC hat längst eine europäische Dimension." Nach Angaben der EU-Kommission hat es in Schweden bisher 30 nachgewiesene EHEC-Fälle gegeben, 13 davon sind HUS-Patienten. Dort gab es nun auch den ersten Todesfall außerhalb Deutschlands. Nach Angaben des Krankenhauses in Südschweden war die 50-Jährige zuvor in Deutschland gewesen.

Auch in Dänemark, Großbritannien, Österreich und den Niederlanden sind Menschen an EHEC erkrankt, einige von ihnen schwer. Frankreich hat nach Medieninformationen 3 Verdachtsfälle. Ebenso meldet Spanien erste EHEC-Fälle. Beide Erkrankte waren laut Agrarministerin Rosa Aguilar zuvor in Deutschland.

Millionenschaden für Landwirte

Die EHEC-Seuche hat inzwischen in der Landwirtschaft einen Millionenschaden angerichtet. Sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland bleiben Bauern auf der Ware sitzen. Spanien will die EU um Hilfen bitten und prüft Schadenersatzforderungen gegen Deutschland. Spanische Bauern sehen sich vorschnell als Quelle für den Erreger an den Pranger gestellt.

Tomaten wachsen in einem Treibhaus in Nettetal (NRW). Aus Angst vor EHEC lassen viele Verbraucher die Finger von Gurken, Tomaten und Salat.

Tomaten wachsen in einem Treibhaus in Nettetal (NRW). Aus Angst vor EHEC lassen viele Verbraucher die Finger von Gurken, Tomaten und Salat.

(Foto: dpa)

Die Ursache der Infektionen solle man in Deutschland suchen, nicht in Spanien, sagte Aguilar. Deutsche Unterstellungen, denen zufolge die Krankheit durch Gurken aus Spanien übertragen werde, richteten bei den dortigen Produzenten einen Schaden von wöchentlich 200 Millionen Euro an, sagte Aguilar weiter.

Aigner verteidigte die Gemüsewarnung erneut. Zum Schutz der Verbraucher sei es richtig gewesen, frühzeitig Verzehrhinweise zu geben. Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner plädierte für den Kauf von regionalen Produkten. Je näher der Anbau gelegen sei, "desto nachvollziehbarer sind die Produktionsbedingungen", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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