Panorama

Wieder Paukenschlag im Hoeneß-Prozess Steuerfahnderin durchblickt das Chaos

Uli Hoeneß vor dem Landgericht München II. Der Bayern-Präsident hofft darauf, dass ihn seine Selbstanzeige vor einer harten Strafe schützt. Im Hintergrund sein Anwalt Hanns Feigen.

Uli Hoeneß vor dem Landgericht München II. Der Bayern-Präsident hofft darauf, dass ihn seine Selbstanzeige vor einer harten Strafe schützt. Im Hintergrund sein Anwalt Hanns Feigen.

(Foto: REUTERS)

Der neuerliche Kracher im Hoeneß-Prozess kommt ganz nebenbei, am Ende schier endloser Zahlenreihen: 27,2 Millionen Euro könnte die Steuerschuld des Bayern-Präsidenten betragen. Sein Rechtsanwalt Feigen ärgert sich derweil über die Presse. Und von Richter Heindl kommt die Untertreibung des Tages.

Der zweite Prozesstag im Verfahren gegen Uli Hoeneß gehört eindeutig der Rosenheimer Steuerfahnderin, die seit mehr als einem Jahr mit dem Fall beschäftigt ist. Ihr sei frühzeitig klar gewesen, dass es nicht möglich sein werde, sofort alle notwendigen Unterlagen von der Schweizer Bank des Bayern-Präsidenten zu bekommen, sagt die 45-Jährige vor dem Landgericht München II. Sie habe daher im März 2013 mit Hoeneß' Steuerberater Günther Ache vereinbart, dass dieser ihr die Papiere "Zug um Zug" vorlegt.

Doch der Zug geriet ins Stocken. Immer wieder hätten sie selbst oder die Staatsanwaltschaft den Steuerberater gedrängt, alle Unterlagen herauszugeben. Im Januar 2014 sagte Ache ihr schließlich, die Entscheidung über die Vorlage von Unterlagen liege ab sofort bei den Verteidigern.

Erst am 27. Februar 2014 erhielt das Finanzamt Rosenheim alle Dokumente. An diesem Tag trafen sich die Verteidiger mit Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung. Dabei wurde ein USB-Stick mit Abrechnungen und Tabellen übergeben, insgesamt 52.000 Blätter. Auswertungen der Kontobewegungen seien nicht dabei gewesen. Es habe sich also um einen "großen Schuhkarton mit irgendwas" gehandelt, fragt Richter Rupert Heindl. "Ja", sagt die Steuerfahnderin.

"Unterlagen wurden nicht zurückgehalten"

Die Auswertung des Schuhkartons nehmen sie und ihre Mitarbeiter in der Faschingswoche vor, "in der Sie eigentlich Urlaub haben sollten", wie der Richter mitfühlend ergänzt. Hoeneß' Verteidiger Bernd Groß betont, dass es sich bei der späten Übergabe der Unterlagen nicht um ein taktisches Manöver der Verteidigung gehandelt habe. Im Gegenteil: Das Vorgehen sei getragen vom Willen, alle Unterlagen vorzulegen.

Die weiteren Ausführungen der Steuerfahnderin werfen allerdings ein eigenartiges Licht auf diesen Willen. Bei der ersten Sichtung des USB-Sticks habe die EDV des Finanzamts Rosenheim festgestellt, dass der Datenträger zwar erst am 24. Februar 2014 zusammengestellt wurde. Die PDF-Dateien wurden jedoch bereits am 18. Januar 2013 erstellt, also einen Tag nach Abgabe der Selbstanzeige. Die anwesenden Journalisten nutzen die folgende Pause, diese Meldung abzusetzen, Verteidiger Hanns Feigen nutzt sie, um sich im Netz einen Überblick über die Nachrichtenlage zu verschaffen. Nach der Pause kommentiert er verärgert in Richtung Presse, die Unterlagen seien nicht zurückgehalten worden, "das ist der blanke Unsinn".

"Relativ komplexe steuerrechtliche Probleme"

Die Steueramtsrätin aus Rosenheim fährt anschließend fort, die Bilanzen der Jahre 2002 bis 2010 aufzudröseln. Am Anfang scheint sie einen Test bestehen zu müssen. Während ihrer Zeugenaussage wird sie gelegentlich von Heindl unterbrochen. Der Richter stellt Nachfragen und es sieht ein bisschen so aus, als wolle er prüfen, ob die Beamtin auch tief genug in die Zahlen eingetaucht ist. Sie besteht den Test, so viel ist klar.

Das Publikum jedenfalls ist von der Steuerfahnderin beeindruckt. Auch der Richter begegnet ihr offenkundig mit Respekt. Von ihm kommt die Untertreibung des Tages. "Das sind natürlich alles relativ komplexe steuerrechtliche Probleme", sagt er über ihre Darstellung steuerfreier Strategiegeschäfte.

Die Steuerfahnderin beschreibt, wie Hoeneß im Jahr 2001 mit den 20 Millionen Mark seines Freundes Robert Louis-Dreyfus angefangen und diese Summe bis 2005 auf 150 Millionen Euro erhöht habe. Von 2007 an sei das Geld kontinuierlich weniger geworden. "Am Ende 2010 ist nimmer sehr viel von den Gewinnen da. Was an der Besteuerung nix ändert", fügt sie lakonisch hinzu.

"Hier fehlen 1,7 Millionen Euro"

Hoeneß bleibt während der Ausführungen der Steuerfahnderin nur die Rolle des Statisten. Gefragt wird er kaum etwas; er hatte ja schon am Vortag erklärt, als Laie könne er zu den juristischen Fragen nichts beitragen. Noch am Morgen wirkte Hoeneß, der erneut in Begleitung seiner Frau Susi kam, etwas entspannter als 24 Stunden zuvor. Das ändert sich, je länger die Steuerfahnderin spricht. Hoeneß bekommt seinen berühmten roten Kopf, er faltet die Hände vor dem Bauch, richtet wieder und wieder seine Krawatte - zu tun hat er ja nichts, während sich seine drei Anwälte zusammen mit den Richtern, dem Staatsanwalt und der Steuerfahnderin über Tabellen beugen und minutenlang mit dem Rücken zum Publikum diskutieren. Die Daten der Bank sind offenbar lückenhaft. "Hier fehlen 1,7 Millionen, von denen keiner weiß, wo sie sind", sagt Richter Heindl einmal.

Die Berechnung der Steuerfahnderin ist in weiten Teilen eine Schätzung, weil einige Posten nicht konkreten Veranlagungsjahren zuzuordnen sind. Dabei rechnet die Beamtin noch zu Hoeneß' Gunsten. "Wir wollen ja hier auch zu brauchbaren Zahlen kommen", sagt sie. "Da nutzt es nichts, wenn ich 'worst case' ermittle und wir streiten danach."

Unterm Strich kommt sie auf eine Steuerschuld von 27,2 Millionen Euro - wohlgemerkt, nach dem "best-case-Szenario", wie sie betont. Damit hat sich die in der Anklage genannte Summe erneut dramatisch erhöht. Ein Missverständnis sorgt dafür, dass die Journalisten zunächst eine andere Zahl an ihre Redaktionen geben, 23,7 Millionen. Bei dieser Summe waren die 3,5 Millionen Euro aus der Anklageschrift noch nicht enthalten.

Urteil am Donnerstag "nicht ausgeschlossen"

Erst am Montag hatte Rechtsanwalt Feigen für einen Paukenschlag gesorgt, als er erklärte, die Steuerschuld seines Mandaten liege bei mehr als 18,5 Millionen Euro. Die erneut gestiegene Steuerschuld könnte einen Freispruch unwahrscheinlicher machen. Aber das ist ebenso Spekulation wie die Frage, wann das Urteil gesprochen wird.

An diesem Mittwoch will das Gericht den Mitarbeiter der EDV-Abteilung des Finanzamts Rosenheim befragen, der die PDFs auf dem Datenstick auf Januar 2013 datiert hatte. Außerdem ist der Finanzbeamte des für Hoeneß normalerweise zuständigen Finanzamts Miesbach als Zeuge geladen, der die letzte Betriebsprüfung beim Bayern-Präsidenten durchgeführt hatte. Rechtsanwalt Feigen fasst anschaulich zusammen, was von diesem Zeugen erwartet wird: Er solle klären, wie es sein könne, dass bei einem Menschen 116 oder 117 Millionen Euro Verluste auflaufen, ohne dass er zum Insolvenzrichter gehen muss.

Am Ende des zweiten Verhandlungstags sagt Gerichtssprecherin Andrea Titz, es sei "nicht ausgeschlossen, dass es am Donnerstag ein Urteil gibt". Endgültig würde dieses Urteil, wenn es denn kommt, wohl nicht sein: Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung dürften schon jetzt Revisionsgründe suchen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen