Panorama

Experten warnen vor "Psychose" Unbegründete Furcht vor Haien im Mittelmeer

Blauhai vor den Azoren: In der gesamten französischen Geschichte sind bislang zwei Hai-Attacken bestätigt.

Blauhai vor den Azoren: In der gesamten französischen Geschichte sind bislang zwei Hai-Attacken bestätigt.

(Foto: imago stock&people)

An beliebten Badestränden im Mittelmeer werden in diesem Jahr auffällig viele Haie gesichtet. Anwesende reagieren mit Furcht auf die Raubfische, die Behörden sperren Strände. "Eine Psychose", nennt dies ein Experte. Die wirkliche Bedrohung sei, wie so oft, der Mensch.

"Das ist eine Psychose!" Hai-Experte François Sarano schüttelt den Kopf. Seit vor französischen Mittelmeer-Stränden eine Reihe der bedrohlichen dreieckigen Flossen gesichtet wurden, herrscht mancherorts Aufregung. In Südfrankreich wurde sogar das Baden an einem Strand zeitweise verboten. Die Experten sind sich freilich einig: Die Haie im Mittelmeer sind eher selbst bedroht als eine Bedrohung für den Menschen.

"Nach Untersuchungen von Versicherern sind Attacken durch Haie als Todesursache auf dem 67. Platz - nach den Wespenstichen", stellt Sarano trocken fest. Dennoch hatte Ende Juli ein Hai-Alarm in Canet-en-Roussillon am südlichsten Ende der französischen Mittelmeer-Küste ein Badeverbot zur Folge. Kurz darauf filmte ein Tourist auf Korsika einen Blauhai rund vier Meter vom Strand entfernt.

Am 11. August wurde dann vor La Seyne-sur-Mer an der Côte d'Azur ein Blauhai aus dem Meer gefischt, einen Tag später jagte ein Tier der gleichen Rasse Badenden an Roms Stadtstrand Ostia einen Schrecken ein. Auch nahe der spanischen Stadt Barcelona wurden Mitte Juli Strände nach Blauhai-Sichtungen vorübergehend gesperrt. 

Doch die Bedrohung ist alles andere als real: "Im Laufe der Geschichte sind nur zwei Hai-Attacken an der französischen Mittelmeer-Küste in die Annalen eingegangen", versichert Bernard Séret vom Naturkundemuseum in Paris. "Eine 1884 zwischen Nizza und Villefranche, als jemand von einem Hai, den er harpuniert hatte, ins Bein gebissen wurde - und die zweite 1886 in Gruissan in der Region Languedoc-Roussillon - ein Fall, über den man nichts weiter weiß."

"Keine Weißen Haie gesichtet"

Séret geht auf die Hai-Psychose mit weiteren wissenschaftlichen Argumenten ein: "Ein Hai ist potenziell erst ab zwei Metern Länge gefährlich. Aber nur die jungen Tiere kommen an die Küste. Sie sind höchstens 1,50 Meter lang und mit dieser Größe können sie sich nur an kleine Beutetiere heranmachen."

Eigentlich "ist mehr der Hai bedroht als der Mensch", hebt auch Sarano hervor, der die "Expedition Weißer Hai Mittelmeer" leitet, die diese Art in dem Gewässer zählen will. "Wir haben eine erste Expedition im Juni gestartet. Wir haben keine Weißen Haie gesichtet." Noch im 19. Jahrhundert sei beschrieben worden, dass der Weiße Hai im Mittelmeer weit verbreitet sei. Heute sei es "sehr selten", dass einer gefangen werde.

Selbst für den Blauhai, der wegen seiner starken Fortpflanzung weniger bedroht ist, gebe es "Alarm-Signale", warnt der Biologe François Poisson. Die Fischer würden sie im östlichen Mittelmeer seltener sehen. Aber dieser Hai dürfe weiter gefischt werden.

Mehr Menschen, nicht mehr Haie

Andere Hai-Arten seien im Mittelmeer schon praktisch ausgestorben. "Die berühmte Engelsbucht von Nizza verdankt ihren Namen dem Engelhai, einem Hai, den es im 18. Jahrhundert sehr häufig gab", erzählt Olivier Dufourneaud vom Ozeanographischen Institut in Monaco. Er sei dort seither "komplett ausgerottet worden".

Séret, der Ende 2013 eine "Rote Liste" bedrohter Hai-Arten im französischen Mittelmeer veröffentlicht hat, sieht den Engelhai im Mittelmeer generell vom Aussterben bedroht. Auch der Heringshai sei bedroht. Und die Blauhaie, die am meisten gefischt werden, seien es auch fast.

Die verbreitete Ansicht, dass immer mehr Haie im Mittelmeer gesichtet würden, ist also falsch, urteilen die Experten einmütig. Für den Hai-Experten Olivier Dufourneaud liegt es eher daran, dass immer mehr Menschen am Meer sind - selbst in angestammten Rückzugsgebieten der Haie.

Quelle: ntv.de, Loïc Vennin, AFP

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