Kranke Kambodschaner hoffen auf Wunder Zweijähriger Heiler zieht Pilgerscharen an
30.10.2013, 15:26 Uhr
In Scharen drängen sich verzweifelte Menschen vor dem Haus des vermeintlichen Wunderheilers.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Gesundheitssystem von Kambodscha bietet nur wenigen Kranken Hoffnung. Viele Menschen sind daher bereit, auch übernatürliche Hilfe zu suchen - wie etwa bei dem zweijährigen Jungen, dessen Familie wundersame Heilung verspricht.

Der kleine Kong Keng sei von den vielen Hilfesuchenden oft genervt, sagt seine Mutter.
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Zu Hunderten liegen und sitzen die Menschen in der schwülen Hitze Südasiens. Kranke, Entstellte und Geschwächte suchen Schutz unter dem Schatten der Bäume, sofern sie noch einen Platz finden. Ein fieberndes Mädchen bibbert unter seiner Decke, eine alte Frau bekommt von ihrer Helferin Wasser in den Mund geträufelt. Ein alter Mann sitzt reglos im Rollstuhl, Mütter wiegen kranke Kinder im Schoß. Alle wollen sie zu dem sagenhaften Wunderheiler, nachdem sich Geschichten über seine Zauberkräfte wie ein Lauffeuer in Kambodscha verbreitet haben. Der Heilsbringer heißt Kong Keng - und ist gerade mal zwei Jahre alt.
In Dorf Khnor, rund drei Autostunden östlich der Hauptstadt Phnom Penh, ist seit vergangener Woche die Hölle los. In Scharen kommen die Verzweifelten, die meisten stundenlang zu Fuß, andere auf Mopeds oder auf der Ladefläche von Kleinlastern, um ihre kranken und behinderten Verwandten dem kindlichen Wunderheiler vorzuführen. Der Junge könne Lahme zum Gehen bringen, Blinde zum Sehen und Taube zum Hören, raunen sie sich zu.
"Wir haben seine übernatürlichen Kräfte entdeckt, als sein Großvater krank wurde und er ihn geheilt hat", sagt Kongs Mutter Sueun. Wie genau, das erklärt sie nicht. Die Familie verlangt 4000 Riel, umgerechnet etwa 70 Cent, von jedem, der den Segen des Jungen will. Die Summe entspricht dem Tageseinkommen von rund jedem dritten Kambodschaner. Die Mutter des Heilers, eine Bäuerin, sagt, dass ihr Sohn vom Andrang der Heilsuchenden oft genervt sei. Deshalb bekommen jetzt viele der Angereisten für das Geld nur ein paar Blätter in die Hand gedrückt. Die habe der Junge jedoch gesegnet. Man solle sie sich zu Hause aufbrühen, sagt die Familie.
"Ärzte können nichts für meinen Sohn tun"
Zwischen 500 und 700 Hilfesuchende kaufen jeden Tag ein Blättersträußchen, schätzt Dorfvorsteher Sou Hen. In Khnor herrscht Goldgräberstimmung. Die Einwohner haben schnell Stände aufgebaut und verkaufen Enteneier, Mangos und Kokosnüsse. Einer bietet billiges Plastikspielzeug feil - das sei doch ein nettes Geschenk für den Wunderjungen, lockt er. Sein Geschäft läuft blendend.
Der 43-Jährige Kat They ist mehrere Stunden durch den Wald hierher gelaufen. Er will die Blätter für seinen 14-jährigen Sohn, der Kinderlähmung hat. Seit Tagen warte er schon. "Ich habe im Radio gehört, dass dieser Junge Wunderkräfte hat", sagt er. "Wir waren bei Ärzten, aber die sagen, sie können nichts für meinen Sohn tun." Neben ihm sitzt Cheth Kimly und wischt den Schweiß von der Stirn ihres erwachsenen Sohnes. Der trägt eine Gesichtsmaske über Mund und Nase und ist gelähmt. "Ich habe gehört, der Wunderjunge legt etwas auf die Beine, und dann können Gelähmte wieder gehen", sagt die 53-Jährige. Jeder hier hat von den wundersamen Heilungen gehört, nur Geheilte sind weit und breit nicht zu finden.
Wunder sind oft die letzte Hoffnung
Fürchten sie nicht, einem Riesenschwindel aufzusitzen? Die Frage überrascht die Leute. "Er ist unsere letzte Hoffnung"; sagen sie. "Natürlich ist dies kein Beschiss", beteuert der Dorfvorsteher. So viele Menschen seien schon geheilt davon gezogen. Kambodschas staatliches Gesundheitswesen gibt hingegen wenigen Menschen Hoffnung auf Heilung. Die Krankenhäuser sind chronisch unterfinanziert, Ärzte verdienen einen Hungerlohn. Viele verlangen unter dem Tisch Geld, ehe sie Patienten auch nur zur Sprechstunde vorlassen. Das Geld haben viele nicht. Die Elite fliegt zur Behandlung nach Singapur oder Bangkok. Den armen Leuten bleibt oft nichts anderes übrig, als zu traditionellen Heilern zu gehen - oder an Wunder zu glauben.
Der kleiner Wunderheiler sitzt an diesem Tag etwas lustlos auf dem Schoß seiner Mutter. Sie sind auf den Beifahrersitz eines Autos geflüchtet. Unbeirrt von dem ganzen Hokuspokus knabbert der Kleine an einem Stück Obst. Die Mutter lacht. Verwandte sammeln das Geld in Krügen ein.
Quelle: ntv.de, dpa