Leidenserfahrung Taxifahrt Ägyptens Regierung hilft
15.07.2009, 08:43 UhrZu den bleibenden Eindrücken, die Touristen aus der ägyptischen 18-Millionen-Metropole Kairo mit nach Hause nehmen, zählt nicht nur der Anblick der majestätischen Pyramiden und historischen Moscheen. Auch eine Fahrt in einem Kairoer Taxi ist für viele Ausländer eine beeindruckende interkulturelle Erfahrung - vorausgesetzt sie haben Nerven aus Stahl, viel Humor und die Geduld eines Engels.
Denn wenn der Fahrer nicht gerade bei Tempo 80 raucht und gleichzeitig in sein Handy brüllt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bei maximaler Lautstärke emotionsgeladene Fußballspiel- Kommentare oder Koran-Suren aus seinen billigen Lautsprecherboxen tönen. Die Sitzbänke sind oft so schmuddelig, dass vor Taxifahrten mit weißer Kleidung dringend zu warnen ist.

Eine besondere interkulturelle Erfahrung: Taxifahren in Kairo.
(Foto: dpa)
Im Sommer bilden Fahrer und Fahrgäste eine Leidensgemeinschaft, die sich ohne Klimaanlage bei Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius durch den allgegenwärtigen Stau kämpft. Frauen, die keine bodenlangen Gewänder tragen, müssen zudem damit rechnen, dass der Taxifahrer nicht nur im Stau versucht, in einem seiner zahlreichen Innenspiegel einen Blick auf ihre Beine zu erhaschen - Unfallrisiko inklusive.
Höhepunkt: Preisstreit
Der Höhepunkt des Abenteuer-Erlebnisses Taxifahrt wird aber beim Aussteigen erreicht, wenn sich Fahrer und Fahrgast über den Fahrpreis streiten. Denn ein normales schwarzblaues Kairoer Taxi hat kein Taxameter, so dass der Willkür keine Grenzen gesetzt sind. "Je leichter deine Bekleidung ist, desto mehr Geld wird er fordern", warnt ein Ägypten-Kenner in einem Internet-Reiseforum. Auch viele Ägypter sind genervt von Taxifahrern, die von ihnen mit dem Hinweis auf die letzte Benzinpreiserhöhung oder die hohen Kosten für den Nachhilfeunterricht ihrer Kinder einen überhöhten Fahrpreis fordern.
Doch nun naht Rettung. Die ägyptische Regierung hat ein Programm aufgelegt, mit dem sie auf einen Schlag das Stadtbild von Kairo verschönern und den geplagten Fahrgästen zu Hilfe kommen will. Auch der Smog, der die Stadt am Nil Tag für Tag einhüllt, soll durch diese Maßnahme leicht reduziert werden.
Gemäß dem neuen Programm erhält jeder Kairoer Taxifahrer, der sein Auto verschrotten lässt, 5000 ägyptische Pfund (etwa 650 Euro). Außerdem kann er sich unter fünf Fahrzeugtypen ein neues Taxi aussuchen, das er dann mit einem vom Staat konzipierten Kreditprogramm abzahlen kann. Die Autos sind alle in Ägypten montiert worden - somit kurbelt die Regierung in Zeiten der Wirtschaftskrise gleichzeitig auch noch die Nachfrage auf dem heimischen Automobilmarkt an. Das billigste Taxi, das die Regierung anbietet, ist ein Lada, das teuerste ein Chevrolet "Lanos".
Fahrzeuge austauschen reicht nicht
Die neuen Taxis sind alle strahlend weiß mit schwarzem Muster, haben Klimaanlagen und funktionierende Taxameter. Das freut nicht nur die Fahrgäste, sondern auch einige der Fahrer, die von sich sagen, dass sie auf die ewigen Diskussionen um den Preis schon lange keine Lust mehr hätten. "Vor allem die Hotelangestellten haben die Touristen gegen uns aufgehetzt und ihnen weißgemacht, sie müssten immer nur die Hälfte von dem zahlen, was der Fahrer fordert", ereifert sich ein Uni-Absolvent, der sich nach langer erfolgloser Jobsuche für den Beruf des Taxifahrers entschieden hat.
Rund 4000 der neuen subventionierten Taxis wurden verkauft, seit das Programm im vergangenen April lanciert wurde. Schawki Ibrahim, der in Kairo seit 18 Jahren Taxi fährt, hat sich für den Lada entschieden. Der Wagen bietet zwar nicht viel Komfort, doch der Mittvierziger ist trotzdem stolz auf sein neues sauberes Auto. "Mach die Fenster zu, dann siehst du gleich, wie gut die Klimaanlage funktioniert", erklärt er einer Ausländerin, die an einem heißen Juli-Tag mittags zu ihm ins Taxi steigt.
Doch im Verlauf der gemeinsamen Taxifahrt zeigt sich, dass die Regierung eben nur die Fahrzeuge austauschen, aber nicht das Benehmen der Fahrer ändern kann. Ibrahim stellt sein Taxameter erst nach hartnäckigem Drängen seines Fahrgastes an. Dann klingelt sein Handy und er streitet sich am Telefon so lange und laut mit einem Verwandten, der sich von ihm Geld geliehen hat, dass er von dem Verkehr um ihn herum und von der Frau, die schließlich vor dem ohrenbetäubenden Gebrüll flieht und ihm zehn Pfund in die Hand drückt, kaum noch Notiz nimmt.
Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa