Panorama

Seit einem Jahr entführtWo ist Sinan Krause?

03.02.2008, 09:39 Uhr

Seit 2003 sind im Irak schätzungsweise mehr als 300 Ausländer entführt worden. Einer von ihnen ist Sinan Krause, über dessen Verbleib man nur spekulieren kann. Seit fast einem Jahr befindet er sich nun schon in der Hand seiner Entführer.

Ein ganzes Jahr ist Sinan Krause jetzt in der Gewalt seiner Entführer im Irak. Er wurde am 6. Februar 2007 mit seiner Mutter aus einem Wohnhaus in Bagdad verschleppt. Während die Geiselnehmer die mit einem Iraker verheiratete Deutsche Hannelore Krause (62) im Juli frei ließen, ist das Schicksal des damals 20-Jährigen völlig ungewiss. Öffentliche Freilassungsappelle von höchster Stelle verhallten und geheime Bemühungen über verschlungene Kanäle führten bislang offensichtlich nicht zur Lösung. Das vermutlich letzte öffentliche Lebenszeichen in Form einer Videobotschaft gab es im Herbst 2007. Aber selbst da bestanden Zweifel an der Aktualität der Bilder.

Im Irak ist es die längste Entführung mit einem deutschen Opfer. Hannelore Krause kam nach 155 Tagen frei. Die Geiselhaft der im Mai 2006 im Irak freigekommenen Leipziger Ingenieure Ren Bräunlich und Thomas Nitzschke dauerte 99 Tage, die der deutschen Archäologin Susanne Osthoff 25 Tage. Mit dem Fall Krause befasst sich in Bagdad mittlerweile schon der zweite deutsche Botschafter. In den vergangenen Jahrzehnten gab es allerdings auch Entführungen von mehrjähriger Dauer. So befand sich in Kolumbien etwa der deutsche Geschäftsmann Lothar Hintze über fünf Jahre in der Hand linksgerichteter FARC-Rebellen.

Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan gefordert

Die Entführer Krauses nennen sich "Brigade der Pfeile der Rechtschaffenheit". Sie veröffentlichten in den vergangenen zwölf Monaten mehrere Video-Botschaften. Ultimativ forderte die Gruppe darin immer wieder kurzfristig den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und drohte mit der Ermordung ihrer Geisel. Die Ultimaten verstrichen. Obwohl diese Forderung Täter aus dem islamistischen Lager vermuten lässt, gibt es Zweifel daran, ob die Entführer Gesinnungstäter oder dem kriminellen Erpresser-Milieu zuzurechnen sind. Im Irak hat sich in den vergangenen Jahren eine regelrechte Entführungsindustrie etabliert.

"Bitte lassen Sie uns nicht hier sitzen, wir sind doch auch Deutsche", flehte Hannelore Krause in einem der Videos vor ihrer Freilassung. Auf den Bildern waren ihr und ihrem Sohn die Strapazen der Geiselhaft deutlich anzusehen. Sie weinte, klammerte sich an den Arm ihres Sohnes, war am Ende ihrer Kraft. Unter welchen Umständen Sinan Krause leben muss, ist kaum vorstellbar. Die beiden Leipziger, Bräunlich und Nitzschke, berichteten nach ihrer Freilassung von wechselnden Aufenthaltsorten und winzigen Erdlöchern, in die die Kidnapper sie steckten.

Bundesregierung ist nicht erpressbar - und schweigt

Seit 2003 sind im Irak schätzungsweise mehr als 300 Ausländer entführt worden. Immer wieder gibt es Lösegeldforderungen. Und gezahlt wurde auch. Das lukrative Geschäft hat sich rumgesprochen. In Berlin wurden und werden Lösegeldzahlungen nie offiziell bestätigt. "Wir sind nicht erpressbar", lautet die Haltung der Bundesregierung.

Das Auswärtige Amt gibt sich wie in allen Entführungsfällen mit Rücksicht auf die Freilassungsbemühungen verschlossen. Immer wieder ist nur der eine Satz zu hören: "Der Krisenstab bemüht sich weiter intensiv in Zusammenarbeit mit der Botschaft in Bagdad um die Freilassung der Geisel." Für kein Land auf der Welt fallen die Sicherheitshinweise indes so deutlich aus wie für den Irak. Gleich viermal warnt das Außenamt auf seiner Internetseite eindringlich und in Fettschrift vor Reisen in den Irak. "Deutschen Staatsangehörigen wird dringend geraten, das Land zu verlassen."

Von Helmut Reuter, dpa