Vor Energiegipfel in Berlin Bekenntnis für die Zukunft erwartet
14.04.2011, 19:23 Uhr
Laut Statistischem Bundesamt liegt der Anteil von umweltfreundlicher Energie wie aus Windkraft und Sonne derzeit bei 17 Prozent.
(Foto: dpa)
Einen Tag vor dem Gipfel von Kanzlerin Merkel mit den Länder-Regierungschefs zur Energiewende drängen Sozial- und Umweltgruppen auf mehr Tempo. EU-Energiekommissar Oettinger kritisiert das E10-Chaos in Deutschland und verteidigt eine neue Diesel-Besteuerung.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat das Chaos um die Einführung des Biosprits E10 in Deutschland kritisiert. Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident sagte in Stuttgart: "Das ist ein Musterbeispiel für ein verunglücktes Drehbuch." Die Autofahrer bräuchten eine klare Aussage, in welchen Fahrzeugen der neue Kraftstoff einsetzbar sei. "Möglicherweise gilt wie bei Monopoly ,zurück auf Start'."
Nach dem Chaos um den umstrittenen Biosprit bieten viele Tankstellen nun wieder den gewohnten Superkraftstoff an. Aral und Shell haben das für ihre Stationen in Süd- und Ostdeutschland angekündigt. Der Biokraftstoff E10 mit zehn Prozent Ethanol ist bislang bei den Autofahrern weitgehend durchgefallen.
Diesel in Deutschland muss nicht teurer werden
Gleichzeitig verteidigte der CDU-Politiker den Vorstoß der Kommission in Brüssel für eine neue Besteuerung von Diesel. Die Grundidee sei richtig, sagte Oettinger. Es gehe nicht um den Liter, sondern den Energiegehalt und den Kohlendioxidausstoß als ergänzenden Faktor. "Der Vorschlag der EU ist gerecht." Es werde eine Übergangszeit geben, so dass Deutschland sein Steuersystem anpassen könne.

Während der Liter Diesel in Frankfurt (Oder) etwa 1,48 Euro kostet, beträgt der Liter Diesel im polnischen Nachbarort Slubice (unteres Foto) nur etwa 1,32 Euro.
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Brüssel will künftig bei den Steuern sowohl den Energiegehalt eines Kraft- und Heizstoffes als auch den Ausstoß des Treibhausgases CO2 berücksichtigen. Deswegen sieht die Behörde vor allem bei Diesel Handlungsbedarf. Bisher ist bei den Steuern allein der Verbrauch maßgeblich. Während der EU-Mindeststeuersatz für Benzin nach den Plänen unverändert bei 35,9 Eurocent bleibt, soll der Mindestsatz für Diesel von derzeit 33 Cent bis 2018 auf 41,2 Cent steigen. Da Deutschland jetzt schon einen Steuersatz auf Diesel von 47 Cent je Liter hat, müsse der Preis nicht steigen, meinten EU-Experten.
Kritiker in Deutschland befürchten dennoch Verteuerung beim Diesel. Der Vorschlag der Kommission muss noch im EU-Parlament und im EU-Finanzministerrat beraten werden. Das überarbeitete Gesetz soll 2013 in Kraft treten. Falls ein Mitgliedsland wie etwa Deutschland Einwände hat, kann es die Reform im Ministerrat blockieren. Deutsche Politiker machten in den vergangenen Tagen auf breiter Front gegen die Pläne einer neuen Diesel-Besteuerung mobil.
Schwarz-Gelb sieht Komplott gegen Automobil-Branche
Im Bundestag sprachen sich am Donnerstag die Fraktionen von Union und FDP gegen die EU-Vorschläge aus. Der FDP-Politiker Volker Wissing sagte, eine Grenze der Belastbarkeit sei erreicht. "Mobilität darf kein Privileg für Wohlhabende werden." Es sei gut, dass die Regierung die EU-Pläne deutlich abgelehnt habe. Er warf den Grünen vor, dass ihnen die Bezahlbarkeit von Energie egal sei.
Der CDU-Abgeordnete Olav Gutting (CDU) betonte, anderen EU-Staaten sei es ein Dorn im Auge, dass Deutschland führend sei im Automobil-Sektor, etwa beim Dieselauto-Export. "Diese Vorschläge aus Brüssel haben System. Sie richten sich gegen die deutsche Automobilindustrie, gegen hunderttausende Arbeitsplätze", sagte Gutting. Es müsse auch verhindert werden, dass es zur "Abzocke an der Tankstelle" komme.
Deutschland hat zweithöchste Strompreise in EU
Auf dem Kongress der Fachzeitschrift "auto, motor und sport" in Stuttgart diskutierten hochkarätige Experten vor allem über die Zukunft der Energieversorgung. Dort kritisierte Oettinger die Strompreise in Deutschland: Es seien die zweithöchsten innerhalb der Europäischen Union. "Wir brauchen bezahlbare Energie in Deutschland auch für den kleinen Mann", betonte er. Nur in Dänemark sei der Strom noch teurer.
Der Kommissar verteidigte die geplante Überprüfung aller Atomkraftwerke in Europa auf ihre Sicherheit. Der Vorstandschef des Dax-Konzerns Linde, Wolfgang Reitzle, kritisierte den Atomkurs der schwarz-gelben Bundesregierung dagegen scharf: Es sei "beängstigend", was die Bundesregierung mache. "Das ist überhaupt nicht mehr durchdacht." Reitzle forderte die Politik zur Vorlage eines Energiekonzepts auf. Es sei dringend eine Gesamtstrategie notwendig.
Gemeinsame Erklärung vor Energie-Gipfel

Tschernobyl mahnt: Nur vier Kilometer vom Reaktor entfernt lebten in Pripjat rund 50.000 Menschen.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Freitag auf einem Energiegipfel mit den 16 Ministerpräsidenten der Länder erste Eckpunkte für eine Energiewende abstecken. Am Vorabend forderte ein Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden einen raschen Ausstieg aus der Atomkraft. Die Atomenergie sei nicht mehr vertretbar und müsse durch eine ökologisch nachhaltige und klimaverträgliche Energieversorgung ersetzt werden, hieß es in einer Erklärung von Greenpeace, Oxfam, Brot für die Welt, Germanwatch und WWF. Insgesamt hätten sich der Initiative 101 Verbände, Kirchengruppen und Unternehmen angeschlossen.
In einem Sechs-Punkte-Katalog fordern die Gruppen, dass acht der 17 deutschen Atomkraftwerke dauerhaft vom Netz genommen werden müssen. Sechs weitere sollten bis 2013 vom Netz gehen, die restlichen drei in den Jahren darauf. Die AKW dürften nicht durch den Neubau von Kohlekraftwerken ersetzt werden, da diese durch den Ausstoß von Kohlendioxid schädlich für das Klima seien. Stattdessen müsse der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden. Zusätzlich müsse die Energieeffizienz in Deutschland jährlich um drei Prozent gesteigert werden.
"Die Bevölkerung wird es der Bundesregierung nicht durchgehen lassen, wenn sie jetzt nicht ernst macht mit der Energiewende", erklärte Christoph Bals von Germanwatch. Paul Bendix von Oxfam sagte: "Wer etwa den Neubau klimaschädlicher Kohlekraftwerke forciert, ersetzt das Atomrisiko durch ein Klimarisiko."
Quelle: ntv.de, dpa