Politik

Stuttgart 21: "Hallo, geht's noch?" Mappus bittet zum Gespräch

Drei Demonstranten hatten den Bagger besetzt.

Drei Demonstranten hatten den Bagger besetzt.

(Foto: dpa)

Nach Bahnchef Grube lädt nun auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus zu einem runden Tisch über das umstrittene Projekt Stuttgart 21. Einen vorläufigen Baustopp lehnt er aber ab. Derweil besetzen Demonstranten einen Großbagger und verhindern weitere Abbrucharbeiten. Die Polizei beendet den Protest friedlich.

Im Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 versuchen Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus und Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann die Wogen zu glätten: Gemeinsam laden sie Gegner und Befürworter für die erste September-Hälfte zu einem runden Tisch über das Vorhaben ein. "Dieses erste Gespräch soll offen und ohne Vorbedingungen die Chancen weiterer Gespräche und öffentlicher Experten- und Diskussionsforen ausloten", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Es komme nun darauf an, "dass ein Dialog entstehe, bei dem beide Seiten ernsthaft und konkret an der Sache und den Fakten orientiert miteinander reden", heißt es weiter.

Zettel gegen das Bahnprojekt hängen am Bauzaun vor dem Nordflügel des Hauptbahnhofs.

Zettel gegen das Bahnprojekt hängen am Bauzaun vor dem Nordflügel des Hauptbahnhofs.

(Foto: dpa)

Während CDU-Ministerpräsident Mappus einen Baustopp ablehnt, ist das Milliarden-Projekt den Grünen zu teuer. Mappus sagte, er wolle mit der Deutschen Bahn, den Kommunen und mit den Gegnern in der ersten Septemberhälfte einen Dialog beginnen. Einen von den Gegnern als Vorbedingung geforderten Baustopp werde es aber nicht geben. Die Gespräche sollten ohne Vorbedingungen "so kurz wie möglich, so lang wie nötig" dauern. Auch Bahnchef Rüdiger Grube hatte am Wochenende einen Dialog über das Großprojekt angeregt, zugleich aber erklärt, die Bauarbeiten gingen unvermindert weiter.

Großbagger besetzt

Am Morgen hatten Spezialkräfte der Polizei die Besetzung eines Großbaggers vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof durch Gegner des Projekts beendet. Mit Hebebühnen wurden die drei Aktivisten von dem Baufahrzeug geholt. Die Aktion sei friedlich verlaufen, sagte ein Polizeisprecher. Die Besetzer würden in Gewahrsam genommen und angezeigt. Das Trio hatte sich etwa fünf Stunden lang an dem zehn Meter hohen Bagger festgekettet, mit dem der Nordflügel des Bahnhofs abgerissen wird. Die Demonstranten hatten ein großes Transparent mit den Worten "Hallo, geht's noch?" aufgerollt. Mit der Aktion sollten die weiteren Abbrucharbeiten am Bahnhof verhindert und 300 Bäume nahe der Baustelle gerettet werden, sagte ein Sprecher der Gruppe.

Rund 100 Unterstützer des Protests demonstrierten zudem vor dem Bauzaun. Ein Sprecher forderte unter lautem Beifall: "Die Bahn muss endlich aufhören, Fakten zu schaffen. Heute erledigen wir das für sie." Er nannte es arrogant, dass Bahnchef Rüdiger Grube Gespräche anbiete, aber die Abrissarbeiten fortsetzen wolle. Ein Polizeisprecher erklärte, etwa sieben weitere Aktivisten, die ebenfalls über eine Absperrung auf das Baustellengelände geklettert waren, seien festgenommen worden.

"Kommunikativ sicher viele Fehler gemacht"

Bahnchef Rüdiger Grube lädt im September zu einem runden Tisch mit den Gegnern von Stuttgart 21.

Bahnchef Rüdiger Grube lädt im September zu einem runden Tisch mit den Gegnern von Stuttgart 21.

(Foto: dpa)

Mappus hofft, den Konflikt durch das Treffen zu entschärfen. "Da wurden kommunikativ sicher viele Fehler gemacht", räumte er ein. Er sagte aber auch: "Ich bin überzeugt, dass die Bürger und Bürgerinnen, egal ob man für oder gegen Stuttgart 21 ist, auf Dauer nicht akzeptieren, dass man durch Demonstrationen die Stadt lahmlegt, nicht miteinander redet und nicht nach Lösungen sucht." Mappus verteidigte zudem erneut das Bauprojekt. Alle Einsprüche gegen die vom Bundestag, vom Stuttgarter Landtag und vom Gemeinderat Stuttgart gefassten Beschlüsse seien gerichtsfest zurückgewiesen worden. "Ich bin überzeugt, dass das Projekt Zukunft hat", sagte er.

Der denkmalgeschützte Stuttgarter Kopfbahnhof soll in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut werden und mit kilometerlangen Tunnelstrecken bis 2019 an das europäische Bahn-Hochgeschwindigkeitsnetz zwischen Paris und Bratislava angeschlossen werden.

Zu dem insgesamt auf 4,1 Milliarden Euro veranschlagten Projekt zählt auch der Neubau der Bahnstrecke Wendlingen-Ulm. Die ersten Arbeiten an dem bereits seit mehr als 15 Jahren ins Auge gefassten Vorhaben hatten im Februar begonnen. Seitdem protestieren immer mehr Menschen gegen den Teilabriss des Bahnhofs. Mehrere zehntausend Menschen versammelten sich zuletzt in der Stuttgarter Innenstadt zu Demonstrationen, um das Bauvorhaben zu Fall zu bringen.

"Nichts mehr zurückzudrehen"

Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Ernst Pfister sieht derweil keine Gefahr für die schwarz-gelbe Landesregierung bei den Landtagswahlen 2011. "Ich glaube nicht, dass Stuttgart 21 bei der Landtagswahl noch die entscheidende Rolle spielen wird. Mit zunehmendem Baufortschritt wird jeder erkennen, dass an dem Projekt nichts mehr zurückzudrehen ist", sagte der FDP-Politiker den "Stuttgarter Nachrichten". Er gab allerdings zu, dass er das Ausmaß der Proteste gegen Stuttgart 21 und die bundesweite Resonanz darauf nicht erwartet hatte.

Über 15 Jahre hinweg habe es Diskussionen gegeben, sagte Pfister weiter. "Wir hatten zig Abstimmungen: Im Bundestag, im Landtag, im Regionalparlament, im Gemeinderat. Und trotzdem gibt es jetzt diese Proteste. Sie kommen auch deshalb zustande, weil die Grünen bei den Menschen die Illusion genährt haben, man könne noch etwas drehen. Dass man nichts mehr umdrehen kann, ist sicher."

Der Wirtschaftsminister, der sich nach der Landtagswahl 2011 aus der Politik zurückzieht, sieht aber auch hausgemachte Fehler: "Dass Bahn und Politik früher und intensiver hätten beginnen müssen, die Leute bei der Hand zu nehmen, und ihnen zu erklären, dass die Vorteile dieses Projekts wesentlich größer sind als vermeintliche Nachteile, dass Stuttgart 21 eine Jahrhundertchance für das ganze Land ist. Diesen Schuh muss man sich anziehen", sagte Pfister.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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