Politik

Tschechiens nächster Präsident Der Prager Fürst

Sein Einzug in die Stichwahl kam für viele überraschend - nicht für Schwarzenberg selbst.

Sein Einzug in die Stichwahl kam für viele überraschend - nicht für Schwarzenberg selbst.

(Foto: picture alliance / dpa)

Besteigt bald ein Fürst die Prager Burg? Mit Außenminister Schwarzenberg hat es ein Abkömmling des österreichischen Hochadels in die Stichwahl um das Amt des tschechischen Präsidenten geschafft. Doch Schwarzenberg ist alles andere als ein Relikt der Vergangenheit. Vor allem für junge Tschechen ist der 75-Jährige ein Hoffnungsträger.

Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Davon gehen Analysten vor der Stichwahl zum tschechischen Präsidenten an diesem Freitag und Samstag aus. Doch wenigstens in einem Punkt ist Karel Schwarzenberg seinem Widersacher Miloš Zeman voraus: Tschechiens aktueller Außenminister, von Unterstützern wie Gegnern halb liebevoll, halb ironisch "Fürst" genannt, kennt seinen künftigen Arbeitsplatz, sollte er siegreich aus der Stichwahl hervorgehen, auch von innen ziemlich gut. Hier wirkte er bereits zu Beginn der neunziger Jahre als Kanzler für den ersten Nachwendepräsidenten Václav Havel.

Wahlparty in Prag: "Jede Stimme zählt" steht auf dem Plakat, das einen junggebliebenen Karel Schwarzenberg zeigt.

Wahlparty in Prag: "Jede Stimme zählt" steht auf dem Plakat, das einen junggebliebenen Karel Schwarzenberg zeigt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Dass er es entgegen aller Prognosen in die Stichwahl geschafft hat, überraschte Schwarzenberg selbst wohl am wenigsten. "Ich habe schon viele Schlachten geschlagen, die am Anfang aussichtslos erschienen", sagte er nach dem ersten Wahlgang. Tatsächlich schienen Schwarzenbergs Voraussetzungen zunächst bescheiden: Nicht nur ist er Vizepremier der unbeliebten Regierung des Ministerpräsidenten Petr Nečas; auch erregte die von ihm mitbegründete konservative Partei TOP 09 in jüngster Vergangenheit wegen korruptionsverdächtiger Mitglieder unfreiwillig Aufmerksamkeit. Tatsache ist jedoch auch: Der 75-jährige Schwarzenberg ist das beliebteste Regierungsmitglied in Nečas' Kabinett - und von politischen Skandalen unbefleckt.

Aristokrat mit demokratischer Vergangenheit

Seine Durchlaucht Karl Johannes Nepomuk Josef Norbert Friedrich Antonius Wratislaw Mena Fürst zu Schwarzenberg, Herzog von Krumau, gefürsteter Landgraf von Sulz und im Klettgau heißt der Präsidentschaftskandidat offiziell - auch wenn er sich in Tschechien so nicht nennen darf. Mit ihrer Unabhängigkeit von der Donaumonarchie 1918 schaffte die Tschechoslowakei die verhassten habsburgerischen Adelstitel ab. Dass Schwarzenberg heute dennoch so beliebt ist, liegt vor allem daran, dass seine politische Vergangenheit nicht vorbelastet ist - anders als die seines Mitbewerbers Zeman, der bis zum Ende des Prager Frühlings ein kommunistisches Parteibuch besaß. Schwarzenberg ist, auch wenn seine monarchisch anmutende Koketterie irritierend sein kann, überzeugter Demokrat - und ist es immer gewesen.

Posthumer Wahlhelfer: Der 2011 verstorbene frühere Dissident und Präsident Václav Havel dient Schwarzenbergs Kampagne als populärer Unterstützer.

Posthumer Wahlhelfer: Der 2011 verstorbene frühere Dissident und Präsident Václav Havel dient Schwarzenbergs Kampagne als populärer Unterstützer.

(Foto: picture alliance / dpa)

Schon Schwarzenbergs Eltern bekannten sich nach der Okkupation des gesamten Landes durch die Nazis zur tschechoslowakischen Republik, was ihre Enteignung im deutschen "Protektorat Böhmen und Mähren" zur Folge hatte - später jedoch auch, dass die Familie, anders als die meisten anderen deutschsprachigen Bürger, nach 1945 nicht vertrieben wurde. Trotzdem war eine Kollaboration mit den Kommunisten schon durch die privilegierte Herkunft der Schwarzenbergs ausgeschlossen. Der junge Karel verbrachte weite Teile seines Lebens im mitteleuropäischen Ausland, studierte in Wien, lebte auch in Bayern und hält bis heute neben der tschechischen die Schweizer Staatsbürgerschaft.

Freundschaft mit Václav Havel

Politisch aktiv war er bereits in seinem Wahl-Exil. Seine Freundschaft mit dem Dissidenten und späteren Präsidenten Václav Havel entstand nach dessen Initiative "Charta 77", als Schwarzenberg begann, sich für die tschechoslowakischen Oppositionellen zu engagieren - zunächst als Präsident der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte. Havel wird ihm wohl aber vor allem den persönlichen Einsatz für die in der ČSSR mit Berufsverbot belegten Künstler gedankt haben: In den achtziger Jahren richtete Schwarzenberg in seinem fränkischen Stammschloss einen Untergrundverlag mit einer Druckerei für verbotene Bücher ein.

Der Umgang mit der Vertreibung der Sudetendeutschen spaltet Tschechien: Im Wahlkampf wirft Zeman Schwarzenberg vor: "Sie reden wie die Sudetendeutschen!"

Der Umgang mit der Vertreibung der Sudetendeutschen spaltet Tschechien: Im Wahlkampf wirft Zeman Schwarzenberg vor: "Sie reden wie die Sudetendeutschen!"

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit einigem Argwohn betrachten Schwarzenbergs Gegner heute dessen auch hörbare deutsch-österreichische Prägung - umso mehr, weil die Aufarbeitung der Vertreibung der Sudetendeutschen traditionell ein zentrales Thema im tschechischen Wahlkampf ist. Tatsächlich ist Schwarzenbergs Position besonders in der älteren Generation kaum mehrheitsfähig. "Was wir nach 1945 begangen haben, würde heute als grobe Verletzung der Menschenrechte gelten, und Herr Beneš würde sich in Den Haag wiederfinden." Dieser Satz erboste Zeman so sehr, dass er Schwarzenberg im Fernsehduell vorwarf, "wie die Sudetendeutschen" zu reden.  Ehrenrühriger kann man die Wahrheit kaum verdrehen: Oft genug hat Schwarzenberg die umstrittenen Beneš-Dekrete, die für ein bis heute angespanntes Verhältnis zwischen Bayern und Tschechien verantwortlich sind, als Konsequenz der nationalsozialistischen Verbrechen an den Tschechen verteidigt.

Polemik im Wahlkampf

Der tschechische Präsidenten kann sich, obwohl er ähnlich dem deutschen Pendant nur repräsentative Funktionen hat, einer herausragenden gesellschaftlichen Reputation sicher sein. Tomáš G. Masaryk und Václav Havel, die in der Erinnerungskultur des modernen Tschechien einen heldenhaften Status genießen, haben das Amt geprägt. Für viele, vor allem junge, Tschechen hat der antieuropäische Populist Václav Klaus dieses Erbe beschmutzt. Das war nicht zuletzt in Zemans Wahlkampf zu spüren, dem Trinkfestigkeit und Polemik wichtiger waren als politische Inhalte.

Vielen gilt der begeisterte Europäer Schwarzenberg als der würdigere Anwärter auf die Prager Burg - der würdevollere ist der grundsätzlich mit Fliege und oft mit Pfeife oder Zigarre auftretende Aristokrat allemal. Sollte Karel Schwarzenberg Tschechiens nächster Präsident werden, wäre das nicht nur ein Glück für Tschechien, sondern für ganz Europa.

Quelle: ntv.de

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