Fragen und Antworten Der Raketenschirm
21.05.2012, 04:00 Uhr
(Foto: REUTERS)
Die Nato hat auf ihrem Gipfeltreffen in Chicago den Start eines militärisch und politischen Großprojekts beschlossen: Der Raketenschirm in Europa nimmt den Betrieb auf. Damit sollen Raketen aus feindlichen Staaten abgefangen werden. Doch das Vorhaben ist politisch problematisch, da sich Russland von dem Abwehrschild bedroht fühlt.
Wozu dient der Raketenschild?
Der Raketenschirm soll Europa Schutz vor einer möglichen Bedrohung durch Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 3000 Kilometer bieten, etwa aus dem Iran. Geplant ist ein Netz von Radaranlagen und Stellungen mit Abwehrraketen in Europa, um feindliche Raketen im Anflug zu zerstören. Die Nato sieht sich einer "wachsenden Bedrohung" durch Raketen ausgesetzt, da demnach mehr als 30 Länder solche Technologien besitzen oder zumindest daran arbeiten sollen.
Was hat die Nato jetzt beschlossen?
Die 28 Nato-Länder haben in Chicago die erste Betriebsphase beschlossen. Dabei werden mit einem Raketenabwehrsystem ausgestattete US-Militärschiffe auf einer US-Marinebasis im spanischen Rota stationiert, eine Radarstation im Südosten der Türkei in Betrieb genommen und mit der Arbeit in der Kommandozentrale auf dem Nato-Stützpunkt im deutschen Ramstein begonnen. Damit erreicht der Abwehrschild eine erste, aber noch begrenzte Befähigung, Europa vor Raketenangriffen zu beschützen.
Wie geht der Aufbau weiter?
Der Schild wird schrittweise ausgebaut. Die nächste Phase soll etwa in den Jahren 2016 bis 2017 erreicht werden, wenn deutsche Patriotraketen, eine Stellung mit US-Abfangraketen in Rumänien sowie niederländische Fregatten mit Frühwarnradargeräten in das System eingebaut werden. Im Jahr 2018 sollen US-Abfangraketen in Polen hinzukommen. Gegen Ende des Jahrzehnts soll der Abwehrschirm vollständig stehen.
Was ist das Problem mit Russland?
Russland fühlt sich durch das System bedroht. Eine auf dem letzten Nato-Gipfel vereinbarte Zusammenarbeit war als Durchbruch angesehen worden - doch seitdem geriet die Kooperation ins Stocken. Moskau fordert einen gemeinsamen Betrieb sowie rechtlich bindende Garantien der Nato, dass sich der Abwehrschild nicht gegen Russland richtet. Die Nato lehnt beides ab und bietet Russland etwa den Austausch von Aufklärungsdaten an. Zudem wird bei der Nato allenfalls eine politische Erklärung für möglich gehalten, nicht jedoch rechtlich verbindliche Zusagen.
Ist die Nato in Chicago auf die Bedenken Russlands eingegangen?
In einer gemeinsamen Erklärung stellten die Nato-Länder klar, dass sich die "Nato-Raketenabwehr nicht gegen Russland richtet" und auch technisch nicht in der Lage sei, Russland zu bedrohen. Zudem wollen sie sich weiter um eine Zusammenarbeit mit Moskau bemühen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen stellte jedoch auch klar, dass die Militärallianz an dem Aufbau des Raketenschirms festhalte: "Und das kann natürlich nicht von Russland blockiert werden, das ist eine Entscheidung der Nato."
Wie reagiert Russland?
Der Chicago-Gipfel hat nicht zur Annäherung beigetragen, zumal der russische Präsident Wladimir Putin nicht anreiste. "Aber erst wenn Abfangraketen in Polen stationiert werden, ist für Russland ein wirklich kritischer Punkt erreicht", sagt ein Nato-Diplomat. Zeit zur Annäherung bliebe also, aber aus Moskau kommen derzeit vor allem Drohungen: Generalstabschef Nikolai Makarow nannte die Stationierung von Raketen in Kaliningrad kürzlich "eine unserer Optionen, um die Infrastruktur des Raketenschilds in Europa zu zerstören".
Quelle: ntv.de, AFP