Regeln in Afghanistan gebrochen? Deutscher Offizier lässt schießen
05.10.2011, 07:29 Uhr
Die Operation "Enduring Freedom" in Afghanistan dauert bereits zehn Jahre.
(Foto: REUTERS)
Ein deutscher Offizier soll in Afghanistan die Einsatzregeln der NATO gebrochen und den Beschuss einer feindlichen Funkstation befohlen haben. Es habe weder eine Bedrohung der eigenen Truppe vorgelegen, noch habe Kontakt mit dem Feind bestanden. Der Offizier wiederholt mehrfach den Befehl, weil sich Untergebene weigern, das Bombardement auszuführen.
Ein deutscher Offizier hat einem Fernsehbericht zufolge in Afghanistan im Verstoß gegen die geltenden Einsatzregeln ein Bombardement angeordnet. Der deutsche Kommandeur der schnellen Eingreiftruppe QRF5 habe am 19. September 2010 in der nordafghanischen Region Baghlan den Befehl zu einem Luftangriff auf eine feindliche Funkstation gegeben, obwohl die Bedingungen der NATO-Einsatzregeln für einen solchen Angriff nicht erfüllt gewesen seien, berichtete die ARD.
Den Recherchen zufolge war das Ziel nicht ausreichend identifiziert, es lagen keine Informationen über die Präsenz von Zivilisten vor und es habe kein Kontakt mit dem Feind bestanden und keine Bedrohung der eigenen Truppen. Die Erfüllung der NATO-Einsatzregeln ist gemäß dem Bundestagsmandat für die Bundeswehr die Voraussetzung für einen Beschuss. Laut ARD wiederholte der Kommandeur den Befehl mehrfach, weil die zuständigen Luftleitoffiziere den Angriff verweigerten. Schließlich habe der Offizier die Funkstation durch Mörser beschießen lassen.
Grüne werfen Schwarz-Gelb Lügen vor
Omid Nouripour, der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, warf der Bundesregierung angesichts des Vorfalls Lügen vor. Sie habe immer wieder gesagt, es gebe in Afghanistan kein gezieltes Töten, sagte Nouripour. Wenn aber ein Kommandeur auf eine Funkstation schieße, ohne dass eine Bedrohung vorliege, mute es an, als würde die Regierung an dieser Stelle lügen. Nouripour warf der Regierung zudem vor, einen Rechtsbruch vor dem Parlament zu verschweigen. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, äußerte sich ähnlich.
SPD droht mit Nein zum Afghanistan-Mandat
Zudem drohte die SPD der Bundesregierung mit einem Nein bei der Abstimmung über das neue Afghanistan-Mandat Anfang 2012 im Bundestag. Die Sozialdemokraten verlangen Klarheit, ob die Regierung bis zum Jahreswechsel etwa 500 der rund 5000 deutschen Soldaten nach Hause schicken will.
Fraktionsvize Gernot Erler forderte außerdem von der Bundesregierung einen Fahrplan, wie das deutsche Kontingent 2012 weiter verkleinert wird. "Es gibt keinen Grund für die Bundesregierung, es anders zu machen als US-Präsident Barack Obama", sagte Erler. Dieser habe den Abzug von 33.000 US-Soldaten bis Sommer 2012 angekündigt, von denen 10.000 das Land bis Ende dieses Jahres verlassen sollten. Außenminister Guido Westerwelle hatte zugesagt, "bei den Zahlen in Abstimmung mit den Verbündeten synchron vorgehen zu wollen.
Deutsche glauben nicht mehr an Erfolg
Derweil glauben rund 70 Prozent der Deutschen nicht mehr an einen Erfolg der Afghanistan-Mission. Ebenfalls mehr als zwei Drittel (68 Prozent) meinen, die Bundeswehr hätte aus heutiger Sicht nie in Afghanistan einrücken dürfen. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov halten nur 23 Prozent die Entsendung deutscher Soldaten immer noch für richtig.
Trotzdem ist eine knappe Mehrheit von 50,4 Prozent dafür, dass die deutschen Soldaten Afghanistan erst verlassen, wenn sie ihre Mission "angemessen abgeschlossen" haben. 44,2 Prozent plädieren für einen sofortigen Abzug ohne Wenn und Aber.
Enttäuscht ist eine große Mehrheit der Bevölkerung laut Umfrage von der Informationspolitik der Regierung in Sachen Afghanistan. Nur 12 Prozent der Befragten glauben, dass ihnen ein "ungeschminktes Bild" der Lage vermittelt wird.
YouGov befragte zwischen dem 30. September und dem 4. Oktober 1045 Menschen ab 16 Jahren. Die Ergebnisse offenbaren einmal mehr eine große Diskrepanz zwischen der Haltung der Politik zu dem Einsatz und der Stimmung in der Bevölkerung.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP