Fragen und Antworten Deutschland fehlen die Fachkräfte
22.06.2011, 16:09 UhrSeit Jahren stöhnen deutsche Firmen, dass ihnen die Fachkräfte ausgehen. Und tatsächlich ist die Situation dramatisch - aus den verschiedensten Gründen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fachkräftemangel.

Junge Ingenieure bleiben in vielen Branchen gefragt.
Seit Jahren stöhnen deutsche Firmen, dass ihnen Ingenieure und IT-Experten ausgehen. Langsam wacht die Politik auf und will mit einer vorsichtigen Öffnung mehr Ausländer ins Land holen.
Warum wird überhaupt über Zuwanderung gesprochen?
Die demografische Entwicklung in Deutschland ist kritisch: Bis 2025 - so sagen Studien voraus - wird die Zahl der Erwerbstätigen um rund 6,5 Millionen schrumpfen. Schon heute fehlen Ingenieure, Computerspezialisten, Ärzte, Kranken- und Altenpfleger. Die Arbeitgeber hoffen, die nötigen Fachkräfte durch rasche Lockerung der Einwanderungsbestimmungen zu bekommen.
Warum ist Facharbeitermangel ein Problem?
Gerade im Aufschwung zeigt sich, dass nicht besetzte Spezialistenstellen die Chancen auf Wirtschaftswachstum schmälern können. Unternehmen müssen dann Aufträge ausschlagen, weil ihnen Leute fehlen. Das schlägt dann auch auf die Arbeitsplätze von geringer Qualifizierten negativ durch. Ihre Jobs hängen von den nicht besetzten Stellen für die Spezialisten ab.
Wie viele Stellen sind unbesetzt?
Die Arbeitgeber sprechen von einer Million - bei offiziell knapp drei Millionen Arbeitslosen. Im naturwissenschaftlich-technischen Bereich waren im Mai etwa 150.000 offene Stellen für Experten gemeldet.
Was ist denn mit einheimischen Arbeitskräften?
Da gibt es noch erhebliche Reserven. Allein durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen - sie haben meist eine gute Ausbildung, arbeiten aber wegen der Kinder nicht - ließen sich bis zu 900.000 Facharbeitskräfte gewinnen. Rechnerisch noch mehr wären es, wenn mehr Frauen nicht nur Teilzeit arbeiten würden. Ließe sich die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss und die der Ausbildungs- und Studienabbrecher halbieren, könnte das Arbeitskräftepotenzial bis 2025 noch einmal um bis zu 1,2 Millionen gesteigert werden.
Gibt es spezielle Probleme beim Nachwuchs?
Ja. Jedes Jahr verlassen immer noch mehr als 60. 000 Schulabgänger ohne Abschluss die Schule. Von den zwischen 20- und 30-Jährigen haben 1,5 Millionen keine abgeschlossene Berufsausbildung - und sie sind auch nicht mehr in Schulungen. Sie sind die Abgehängten, um die sich keiner mehr kümmert - und die trotz unbesetzter Stellen im Prinzip chancenlos sind.
Was ist mit den Älteren?
Auch sie werden gebraucht. Die 2012 startende Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre kann nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit in der Gruppe der über 55-Jährigen das Fachkräfteangebot um bis zu 1,2 Millionen erhöhen - allein durch das Hinausschieben des Renteneintrittsalters.
Kann Zuwanderung das Problem lösen?
Theoretisch ja, praktisch wohl eher nein. Die Wirtschaft selbst rechnet damit, dass höchstens zehn Prozent des Fachkräftebedarfs mit ausländischen Experten gedeckt werden kann. Deutschland hat den freien Arbeitsmarktzugang für Ausländer wegen der hohen Arbeitslosigkeit lange stark eingeschränkt. Ein befristeter Green-Card-Versuch für ausländische Computerspezialisten Anfang des vergangenen Jahrzehnts verpuffte. Deutschland ist nicht attraktiv genug für ausländische Hochqualifizierte. Sie gehen lieber in die USA, nach England oder Australien. Diese haben die Hürden für qualifizierte Zuwanderer schon früh gesenkt.
Was will die Regierung jetzt machen?
Damit die deutschen Unternehmen ihre Spezialisten weltweit suchen können, sollen die Einwanderungsbestimmungen weiter gelockert werden. Dazu will die Bundesregierung zunächst auf die sogenannte Vorrangprüfung verzichten. Diese schreibt bislang vor, dass Stellen nur dann mit Nicht-EU-Bürgern besetzt werden dürfen, wenn sich dafür kein deutscher Bewerber findet. Hochqualifizierte von außerhalb der EU erhielten zuletzt ohne Prüfung eine Einreiseerlaubnis, wenn ihnen eine Stelle mit einem Jahresgehalt von mindestens 66.000 Euro angeboten wird. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die FDP wollen diese Einkommensgrenze auf 40.000 Euro senken. Dies ist aber noch umstritten.
Quelle: ntv.de, dpa