Politik

Speicherung von CO2 "Die Investitionen rechnen sich nicht"

Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf zur Erprobung von CCS vorgestellt - der unterirdischen Speicherung des Treibhausgases CO2, das den Klimawandel vorantreibt. Mit n-tv.de spricht der Generalsekretär des Umweltrates Dr. Christian Hey über den Sinn der Technik, ihre Risiken und warum sich neue Kohlekraftwerke nicht lohnen.

Christian Hey ist seit 2001 Generalsekretär des Umweltrates.

Christian Hey ist seit 2001 Generalsekretär des Umweltrates.

n-tv.de: Herr Hey, das Gesetz zur unterirdischen Speicherung von CO2-Emissionen (CCS) wurde unter der Großen Koalition 2008 in letzter Minute gekippt. Nun folgt ein neuer Anlauf. Wie bewerten Sie den Gesetzentwurf?

Christian Hey: Es ist grundsätzlich sinnvoll, einen Rechtsrahmen für CCS zu schaffen, auch wenn nur die technische Machbarkeit ausprobiert und demonstriert werden soll. Der Sachverständigenrat hat sich damals gegen ein Gesetz gewandt, das eine breit angelegte Einführung der unterirdischen Speicherung von CO2 zugelassen hätte. Wir sahen das 2009 als verfrüht an. Auf der Grundlage des jetzigen Gesetzentwurfs werden nur einzelne Demonstrationsprojekte gebaut. Das ist grundsätzlich auch richtig so.

Die Energieunternehmen werben für die unterirdische Speicherung von CO2 damit, dass Kohlekraftwerke keine Emissionen mehr in die Luft abgeben würden, leiten es aber stattdessen in die Erde. Wie viel Risiko birgt dieses Vorgehen?

Die angedachte Erprobungsphase dient eben dazu, das herauszufinden. Sie wird hoffentlich Antworten auf die Frage liefern, ob die Risiken beherrschbar sind oder nicht. Auf Basis des vorgestellten Gesetzes kann CCS ("Carbon Dioxide Capture and Storage", Anm. d. Red.) nicht flächendeckend eingeführt werden, sondern kann nur in einzelnen, mittelgroßen Kraftwerken getestet werden. Das Limit von 8 Millionen Tonnen CO2 bundesweit jährlich zusammen mit der Anforderung, dass ein Zulassungsantrag bis Ende 2015 gestellt sein muss, sorgt für eine starke Beschränkung. Es ist kein Dammbruch zur breiten Einführung der Technik.

Nehmen wir an, die Erprobungsphase verläuft erfolgreich und CCS wird tatsächlich flächendeckend verwendet. Die Unternehmen sollen in diesem Fall nach 30 Jahren ihre Verantwortung für die Endlager an die Bundesländer abtreten können. Ist das zu kurz?

Wir brauchen mehr Erfahrungen. Was passiert, wenn CO2 unter Hochdruck in den Untergrund gepresst wird? Gibt es Risiken durch Grundwasserverdrängung? Tritt das CO2 wieder aus? Oder kann man davon ausgehen, dass es unter der Erde bleibt? Das muss getestet werden.

Die Unternehmen müssen "Langzeitsicherheit" nachweisen, in diesem Fall sind das 10.000 Jahre. Wie kann so etwas vorausgesagt werden?

Das können wir nicht mit abschließender Sicherheit sagen. Nach der Erprobungsphase wissen wir mehr.

Im brandenburgischen Spremberg testet Vattenfall das CCS-Verfahren.

Im brandenburgischen Spremberg testet Vattenfall das CCS-Verfahren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Was passiert mit dem flüssigen CO2 nach 10.000 Jahren?

CO2 ist nur in sehr hohen Konzentrationen gesundheitsschädlich. Es ist Teil des Luftgemischs. CO2 ist ein Treibhausgas, ein Klimagas, und als solches problematisch, weil es lange in der Atmosphäre bleibt. Wie CO2-Emissionen in 10.000 Jahren aussehen, ob wir das Klimaproblem dann im Griff haben und eventuell aus den Lagerstätten freigesetzte Mengen das Fass zum Überlaufen bringen oder nicht, ist ganz schwer einzuschätzen. CCS kann nur als Klimaschutztechnik bezeichnet werden, wenn das CO2 dauerhaft und sicher unter der Erde bleibt.

Das Volumen der unterirdischen Endlager soll für Emissionen aus 65 Jahren Kohlekraft reichen.

Das stimmt nicht mit den neuesten Schätzungen zu den unterirdischen Speicherkapazitäten überein. Nur wenn CCS für einen Bruchteil der Kraftwerkskapazitäten eingesetzt wird, kommt man auf 65 Jahre. Wenn es also nicht flächendeckend eingesetzt werden kann, sondern nur für beispielsweise 10 Prozent, stellt sich die Frage: Was passiert mit den anderen 90 Prozent der Emissionen?

Das Umweltbundesamt stellt in einer Studie fest, dass Deutschlands Strombedarf ab 2050 komplett aus regenerativen Energien gedeckt werden kann. Zudem verbraucht die Abtrennung des CO2 am Kraftwerksstandort zwischen 5 und 30 Prozent des dort erzeugten Stroms. Wie sinnvoll ist eine Einführung von CCS überhaupt?

Die kommerzielle Einführung der CCS-Technik für die Stromerzeugung durch Kohlekraftwerke  ist in Deutschland nicht sinnvoll. Erstens nicht, weil wir mit regenerativen Energien eine kostengünstige Alternative haben. Zweitens nicht, weil die hohen notwendigen Investitionen sich nicht rechnen. Ein Kohlekraftwerk mit CCS ist nur im Dauerbetrieb rentabel. Angesichts der hohen Wachstumsraten bei den erneuerbaren Energien brauchen wir Flexibilität. Und Kohlekraftwerke mit CCS sind wegen ihrer Anfangskosten nicht für die Produktion schwankender Strommengen geeignet. Und drittens nicht, da es sogar mit CCS CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken gibt. Und dies steht dem Ziel entgegen, bis 2050 Strom klimaneutral zu erzeugen. Zusammengenommen sind diese Punkte ein schlagendes Argument gegen den Einsatz von CCS bei der Kohleverstromung.

Was soll das Ganze also?

Bäume könnten das CO2 aus der Atmosphäre "einfangen".

Bäume könnten das CO2 aus der Atmosphäre "einfangen".

(Foto: picture-alliance/ ZB)

CCS kann in anderen Bereichen eine sinnvolle Technik sein. Für industrielle Emissionen etwa. Zudem gibt es Überlegungen, dass wir zukünftig CO2 aus der Atmosphäre herausholen müssen, damit der Temperaturanstieg auf der Erde verträglich bleibt. Bäume etwa verbrauchen Kohlendioxid während des Wachsens. Wenn wir ihr Holz in Biomassekraftwerken verbrennen, können wir das frei werdende CO2 auffangen und speichern. Der Atmosphäre würde also Treibhausgas entzogen. Um diese Überlegungen umzusetzen, müssen die knappen unterirdischen Lagerkapazitäten für diese Verwendung in der Zukunft verfügbar bleiben. Wir dürfen sie nicht unnötig für die Kohleverstromung verschleudern.

Die Bundesregierung holt sich mit den Unternehmen also einen externen Financier ins Boot, der die CCS-Tests bezahlt und dabei seinerseits auf die Lebensverlängerung einer nicht zukunftsfähigen Energieerzeugung hofft?

Vattenfall hat bereits viel Geld in die Vorbereitung von CCS gesteckt. Die Bundesregierung möchte nicht, dass diese Investitionen umsonst waren. Außerdem werden Demonstrationsprojekte von der Europäischen Union gefördert, auch mit Mitteln aus dem europäischen Konjunkturprogramm und Auktionserlösen des europäischen Emissionshandels. Dafür ist aber ein klarer Rechtsrahmen nötig. Auch darum kommt nun dieses Gesetz, diese "kleine Lösung" der Erprobung. Es ist ein Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen.

Welches Interesse hat dabei die EU-Kommission? Das geplante Demonstrationskraftwerk im brandenburgischen Jänschwalde etwa fördert sie mit 180 Millionen Euro.

CCS galt vor einigen Jahren noch als eine der großen klimaverträglichen Lösungen für die Kohleverstromung. Die Diskussion ist weiter gegangen - aber die Gesetze sind schon beschlossen.  Nach dem heutigen Wissensstand würde die EU die Richtlinie möglicherweise anders fassen als noch vor zwei Jahren.

Baustelle des neuen Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg.

Baustelle des neuen Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Richtlinie ist also veraltet, aber das Gesetz musste trotzdem dementsprechend umgesetzt werden?

Den Mitgliedsstaaten steht es nach der Richtlinie frei, CCS einzuführen oder nicht. Natürlich wurde die Richtlinie aber auf dem Wissenstand der Jahre 2005 bis 2007 erstellt. Damals haben viele geglaubt, dass ohne CCS Strom nicht klimaneutral erzeugt werden kann. Jetzt wissen wir: Es ist möglich. Wir wissen inzwischen auch: Zu viele Grundlastkraftwerke (Kraftwerke, die unflexibel eine gleichbleibende Menge Strom erzeugen, Anm. d. Red.) sind nicht vereinbar sind mit einer Zukunft aus regenerativen Energien.

Sollte es für die unterirdische Speicherung von CO2 auch Emissionshandel geben?

Wenn es gelingt, Kohlendioxid dauerhaft unter der Erde zu halten, ist das keine Emission, deshalb müssen Kraftwerksbetreiber für diese Mengen CO2 im europäischen Emissionshandel dann keine Emissionsrechte vorweisen. Allerdings man muss realistisch kalkulieren, dass auch Teile des CO2 aus der Erde entweichen. Auch können nicht 100 Prozent der Emissionen aus einem Kraftwerk gestoppt werden. Hier muss die Wirklichkeit abgebildet werden – eine pauschale Freistellung der Energieunternehmen ist nicht möglich.

Beim Neubau des Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg hat sich Vattenfall verpflichtet, CCS einzusetzen, falls sich der Einsatz der Technik für das Unternehmen rechnet. Wie realistisch ist das?

Das hängt davon ab, wie sich der Preis für Zertifikate im Emissionshandel entwickelt, wie sich die erneuerbaren Energien entwickeln und auch davon, wie die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke gestaltet. Das dynamische Wachstum der erneuerbaren Energien wird die ökonomische Rentabilität von Kraftwerken, die hohe Brennstoffkosten haben, einschränken. Da die kostengünstigsten Energien als erstes ins Stromnetz eingespeist werden, ist das entscheidend. Wind etwa nimmt rapide zu und kostet in der Erzeugung fast nichts. Weit dahinter kommt die Kohleverstromung. Also: Je mehr Windkraft eingespeist wird, desto weniger Nachfrage bleibt für die Kohlekraft übrig.  

Offshore-Windpark "Alpha Ventus", 45 Kilometer vor der ostfriesischen Insel Borkum.

Offshore-Windpark "Alpha Ventus", 45 Kilometer vor der ostfriesischen Insel Borkum.

(Foto: picture alliance / dpa)

Und Atomkraftwerke?

Wird deren Laufzeit verlängert, werden die Meiler in der Kostenrangfolge nach vorne rutschen und die Kohle nach hinten - das heißt, Kohleverstromung wird nur noch benötigt, wenn die Nachfrage besonders hoch ist. Ein neues Kohlekraftwerk, plus die Pipelines, plus die Lagerung unter der Erde - das alles zusammengerechnet bei nicht voller Auslastung ist für die Energieunternehmen höchstwahrscheinlich zu teuer. Es gibt auch mit CCS keine ökonomische Zukunft für neue Kohlekraftwerke.

Wie viel Zeit geben Sie der Kohle noch?

Bereits neu gebaute Kraftwerke können noch 30 bis 40 Jahre laufen. Wir vermuten, dass auch 2030 oder 2035 ein gewisser Anteil des Stroms in Deutschland aus der Kohle kommt. Durch eine Laufzeitverlängerung für die Atommeiler wären neue Investitionsprojekte in Kohlekraftwerke erst recht nicht mehr rentabel. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass die Laufzeitverlängerungen für AKWs sinnvoll sind.

Quelle: ntv.de, Mit Christian Hey sprach Roland Peters

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