Auftakt der großen Kohl-Festwoche Eine Partei windet sich
26.09.2012, 08:50 Uhr
Helmut Kohl und "sein Mädchen".
(Foto: dapd)
Wenn in diesen Tagen Helmut Kohls Kanzler-Jubiläum gefeiert wird, soll die Botschaft sein: Es ist egal, was der Altkanzler seiner Partei mit der Spendenaffäre angetan hat. Im Vordergrund stehen die Verdienste des greisen Politikers. Doch der Spagat ist schwierig. Das zeigt auch ein zweiter Blick auf Kohls Auftritt in der Unionsfraktion.
Von außen betrachtet ist am späten Dienstagnachmittag alles in Ordnung in der Unionsfraktion: Eine Partei huldigt ihrem einstigen großen Idol, versöhnt sich mit dem greisen Altkanzler und erweist zum 30. Jahrestag seiner Kanzlerschaft Helmut Kohl die Ehre. Doch wer hinter die Fassade blickt, erkennt: Die Show misslingt.
Da kommt ein 82-jähriger, von Alter und den Folgen eines Sturzes sichtlich gezeichneter Mann in den Fraktionsraum im Bundestag. Er ist der Mann, der die Integration des Kontinents nach vorne gebracht, den Euro, der heute so sehr in der Krise steckt, durchgeboxt hat. Er ist Mister Europa. So sieht es die offizielle Parteilinie, so sieht das Kohl selbst. Und das Verhältnis zu den Nachbarn ist dann das Sujet, das sich der Pfälzer für seinen knapp 20-minütigen Auftritt ausgesucht hat.
Merkel kommt, schweigt aber
Vor sich hat er ein Manuskript, das, was er sich vorgenommen hat, den Abgeordneten auf den Weg zu geben. Es ist in besonders großen Buchstaben gedruckt. Kohl fällt das Sprechen schwer. Doch was er sagt, ist leicht zu verstehen: "Wir müssen den Frieden bewahren in Europa. Wir müssen in der Krise zusammenstehen und die Krise gemeinsam bewältigen."
Nun war nicht zu erwarten, dass Kohl im hohen Alter noch einmal den großen Wurf hinlegt. Er ergeht sich in wohlfeilen, europafreundlichen Aussagen. Sie sind austauschbar. Was er sagt, hätte jeder andere Unionspolitiker in den vergangenen Monaten auch sagen können. Und damit ist an diesem Nachmittag auch nicht so sehr spannend, was er sagt. Sondern das, was andere sagen und tun. Oder eben nicht.
Anwesend ist da zum Beispiel Kanzlerin Angela Merkel. Sie hat sich um die Jahrtausendwende mit dem Altkanzler, der wie ein Schatten über der Partei stand, überworfen. Kohl richtete mit seiner starrsinnigen Haltung in der Spendenaffäre einen immensen Schaden für die CDU an, den Merkel erst Jahre später wieder ausbügeln konnte. Seither achtet die Nordostfrau auf Distanz zu dem Südwestfossil.
Schäuble muss dringend nach Finnland
Wenn es um die Würdigung der Verdienste Kohls in diesen Tagen geht, ist Merkel um Minimalismus bemüht. Am Donnerstag, wenn die große Kohl-Gala stattfindet, will sie eine Rede halten. Beim Auftritt des Oggersheimers in der Fraktion hält sie sich dagegen bedeckt. Ein paar Fotos, die Merkel-Raute neben dem ob des Applauses gerührten Kohl, ein Lächeln. Das war's.
Über die europapolitischen Ausführungen Kohls lässt sie Fraktionschef Volker Kauder urteilen: "Angela Merkel ist da, um Europa auf positivem Kurs zu halten, den Sie eingeschlagen haben", sagt er. Soll wohl so viel heißen wir: "Botschaft angekommen, aber was Kohl will, machen wir sowieso schon. Auch ohne die mahnenden Worte des Alten."
Das Verhalten der Kanzlerin ist an diesem Nachmittag aber nicht das einzige Interessante. Gespannt sind in den Tagen zuvor auch viele darauf, was das Zusammentreffen mit einem weiteren Weggefährten bringt, mit dem Kohl gebrochen hat: Wolfgang Schäuble. Um es kurz zu machen: Es kam nicht dazu.
Fast alles wie früher
Eigentlich wollte auch Schäuble in der Fraktion dabei sein - er, dessen Ansehen in der Spendenaffäre ebenso durch Kohls Halsstarrigkeit gelitten hat wie das der Union und der Politik insgesamt. Doch Schäubles Platz blieb leer. Er musste zu einer Finanzministerkonferenz nach Finnland. Wenn er unbedingt gewollt hätte, dann wäre ein Besuch in der Fraktion aber wohl drin gewesen.
Und dann ist da noch der große Rest der Union. Als Kohl im Rollstuhl, gekleidet mit einem hellblauen Hemd und gelber Krawatte, in den Saal geschoben wird, erheben sich die meisten Abgeordneten applaudierend. Ein Abgeordneter sagt: "Eigentlich so wie in alten Zeiten: Beifall, alle stehen auf, und dann spricht der Altkanzler." Doch es sind längst nicht alle, die aufstehen. Einige bleiben sitzen. Unter ihnen ist etwa auch Ex-Umweltminister Norbert Röttgen.
Und so gerät die Huldigung in der Fraktion zu einer etwas peinlichen Scheinveranstaltung. Die Schatten, den die CDU-Spendenaffäre bis heute auf Helmut Kohl und den Helmut Kohl damit auf die Partei werfen, stehen der ganz großen Ehrung im Weg. Sie werden dann wohl auch dem Licht der großen Kohl-Feier der Konrad-Adenauer-Stiftung am Donnerstag den Glanz nehmen. Wenn dann Angela Merkel spricht. Und auch Wolfgang Schäuble kommt. Das hat er zumindest versprochen.
Quelle: ntv.de, mit dpa