Appell vor Kopenhagen "Keine Kompromisse"
20.11.2009, 18:31 UhrGut zwei Wochen vor Beginn des Klimaschutz-Gipfels in Kopenhagen haben Berater der Bundesregierung vor dem Aufschub eines ehrgeizigen Klima-Abkommens gewarnt. In einem "Countdown für Kopenhagen" warnten der Präsident des Umweltbundesamts (UBA), Jochen Flasbarth und namhafte Forscher vor Klimakatastrophen, wenn es nicht zu durchgreifenden Schutzmaßnahmen komme.

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth (v.r.n.l.), der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, der stellvertretende Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderung, Dirk Messner, und der Vizepräsident und kommissarische Leiter des Wuppertal Instituts, Manfred Fischedick.
(Foto: dpa)
Das Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius in diesem Jahrhundert zu begrenzen, sei inzwischen noch schwieriger zu verwirklichen als vor zwei Jahren vom Weltklimarat vorgetragen, sagte der Klimaforscher Jochim Schellnhuber (Potsdam), den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu ihrem Klimaberater ernannt hatte.
Alle Schutzmaßnahmen müssten sofort eingeleitet werden, forderte der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Der Scheitelpunkt der bedrohlichen Erderwärmung dürfe das Jahr 2018 nicht überschreiten. Das Abschmelzen weiter Teile des grönländischen Eisschildes würde den Meeresspiegel weltweit dramatisch um sieben Meter ansteigen lassen. Das werde keine Küste überleben. "Niemand in Kopenhagen kann sagen, er hat nicht gewusst, was auf dem Spiel steht", sagte Schellnhuber.
"Die Klimakrise nimmt keine Rücksicht"
Ähnlich äußerten sich Flasbarth sowie Dirk Messner vom Wissenschaftlichen Regierungsbeirat für Globale Umweltveränderungen (WBGU) und Manfred Fischedick, kommissarischer Leiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Sie mahnten wegen der realen Überlebens-Gefahren für die Menschheit ehrgeizige Ziele an. "Faule Kompromisse darf es nicht geben", sagte Flasbarth. "Wir dürfen uns in Kopenhagen nicht nochmals vertagen. Die Klimakrise nimmt keine Rücksicht darauf, wenn wir unseren Zeitplan nicht einhalten."
Hilfreich sei, dass das Thema jetzt doch zur Chefsache werde. Mit Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und anderen haben sich zuletzt immer mehr Regierungs- und Staatschefs für die Schlussphase der vom 7. bis 18. November laufenden Konferenz der mehr als 190 Staaten angemeldet. Wochen zuvor hatte schon das UN-Umweltbüro in Bonn über mehr als 40 Anmeldungen von Länderchefs berichtet.
Konferenz stellt Weichen bis 2050
Kopenhagen sei - anders als die Klimatreffen von Posen oder Bali - keine Station in einem langen Prozess, sagte Flasbarth. Vielmehr handle es sich bei dem Gipfel vom 7. bis zum 18. Dezember um "die entscheidende Klimaschutzkonferenz zu Beginn dieses Jahrhunderts", die die Weichen bis zur Jahrhundertmitte stelle.
Es sei "ein Märchen", dass die Zeit für ein umfassendes Abkommen nicht mehr reiche, alle Verhandlungspakete lägen auf dem Tisch. Zwar gebe es viele strittige Punkte. Sobald aber Schlüsselfragen geklärt seien, lasse sich "der Rest schnell verhandeln". Abgerechnet werde am letzten, nicht am ersten Tag der Konferenz, "und schon gar nicht vier Wochen vor Start".
Röttgen optimistisch
Optimistisch äußerte sich der offizielle Verhandlungsführer der deutschen Delegation, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). "Wir haben aus den Verhandlungen keinen Hinweis, dass wir scheitern werden", sagte Röttgen der "Süddeutschen Zeitung". Daran ändere auch die Absicht nichts, ein Abkommen in zwei Stufen erreichen zu wollen, wie es insbesondere die USA fordern. Die Industriestaaten müssen sich verpflichten, ihre Emissionen um 30 Prozent zu mindern. Gleichzeitig warnte er die USA, ihren Führungs-Anspruch zu mindern. "Führen wollen und bremsen zugleich geht nicht."
Die Teilnehmer des "Countdown" forderten ausreichende Hilfen der Industrieländer für die armen Entwicklungsländer. Messner forderte eine gleiche Verteilung der künftig noch zulässigen nationalen Treibhausgas-Emissionen auf Industrie- und Entwicklungsländer. Alle hätten dann Anreize, überschüssige CO2-Zertifikate, die sie nicht mehr zur Produktion benötigten, teuer an andere Verursacher von Kohlendioxidemissionen zu verkaufen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP