Fischer provoziert die Grünen "Kohle statt Atom"
18.09.2008, 11:25 UhrEntgegen dem Kurs seiner Partei ist der ehemalige Grünen-Frontmann Joschka Fischer offen für den Bau neuer Kohlekraftwerke. "Warum nicht Kohlekraftwerke unter dem Vorbehalt genehmigen, dass sie nachgerüstet werden müssen, sobald die Technologie des CO2-Abscheidens oder Vergleichbares verfügbar ist?", fragt Fischer im Umweltmagazin "Zeo2".
Parteichef Reinhard Bütikofer stellte in der "Frankfurter Rundschau" klar: "Parteivorstand, die Fraktion und der letzte Parteitag sind anderer Meinung als Joschka Fischer."
Özdemir in den Nesseln
Bütikofers designierter Nachfolger Cem Özdemir hatte sich vor einer Woche mit einer Bemerkung über den Bau von Kohlekraftwerken bei den Grünen in die Nesseln gesetzt. Im "Handelsblatt" hatte Özdemir erklärt, er könne sich den Neubau von Kohlekraftwerken vorstellen, wenn trotzdem die Emissionen sinken würden. Nach parteiinternen Protesten räumte er ein, diese Äußerungen seien missverständlich gewesen. Derzeit sei die Abscheidung des klimaschädlichen Kohlendioxids bei der Stromerzeugung mit Kohle noch nicht ausgereift.
Fischer sagte der Zeitschrift: "Wir werden aber als Übergangstechnologie auch weiter Kohle einsetzen müssen, wenn wir nicht wieder bei den mehr als zweifelhaften Segnungen der Atomkraft landen wollen. Es wäre ein Riesenfehler von Grünen und Umweltbewegung, wenn sie an diesem Punkt unrealistisch sind. Ich sehe die Probleme der Kohle und beschönige nichts, aber für den Übergang kommen wir nicht ohne sie aus."
"Da bin ich eindeutig pro Kohle"
Kohle werde "noch eine ganz andere Bedeutung erhalten", wenn "wir in Nahost tatsächlich einen massiven Konflikt bekommen sollten", da Kohle aus politisch stabileren Regionen komme als Erdöl, so Fischer. "Auch der im Kaukasus ausgebrochene Konflikt und seine Weiterungen werden massiv in Richtung 'Energieunabhängigkeit' drücken. Weg vom russischen Öl und Gas. Und was wird die kurzfristige Alternative in der politischen Debatte sein? Atom oder Kohle! Und da bin ich eindeutig pro Kohle. Ich bin seit dem Krieg in Georgien mehr denn je überzeugt: Wer bei der Kohle bloß blockiert und sich nicht an die Lösung der zweifellos bestehenden Probleme macht, wird die entscheidende Schlacht an der Atomfront verlieren."
Zugleich sagte Fischer, er halte eine Versorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien keineswegs für "Spinnerei". Mittelfristig sei dies "durchaus realistisch".
Quelle: ntv.de