Heikles Außenministertreffen Nato will drohen, aber nicht provozieren
01.04.2014, 17:51 Uhr
Osteuropäischen Staaten reicht der Schutz durch die Nato nicht aus. Sie wollen, dass Panzer und Flugzeuge bei ihnen stationiert werden. Deutschland wird sich daran beteiligen. Das Bündnis versucht aber gleichzeitig, Moskau nicht weiter zu reizen.
Die Nato will Estland, Lettland, Litauen und Polen deutlicher gegen eine Bedrohung durch Russland schützen. Die Frage ist derzeit nur noch, wie genau dieser Schutz aussehen soll. Deutschland sagte bereits zu, sechs Eurofighter nach Litauen zu verlegen, um die Überwachung des Luftraums dort zu verstärken. Die baltischen Staaten haben keine eigenen Kampfflugzeuge, mit denen sie das selbst könnten.
Polen forderte eine noch wesentlich stärkere Unterstützung. Außenminister Radoslaw Sikorski sagte: "Wir wären dankbar für alles, was wir bekommen können." Gemeint sind damit etwa schwer bewaffnete Bodentruppen. Polen sei nun seit 15 Jahren Mitglied der Nato, doch alles, was es bekommen habe, sei ein Konferenzzentrum.
Die Außenminister der Nato-Staaten kamen am Dienstagabend in Brüssel zusammen, um Reaktionen auf die Annexion der Krim durch Russland zu besprechen. In den 1990er Jahren hatte die Nato Russland eigentlich zugesichert, keine Truppen in größerem Umfang in den östlichen Mitgliedsstaaten zu stationieren. Ein offizielles Abkommen dazu gibt es aber nicht. Polen will die Zusage nun platzen lassen: "Natürlich können sich Vorsätze im Lichte neuer Entwicklungen ändern", sagte Außenminister Sikorski.
"Es zählt die Präsenz"
Nachdem Russland die Krim annektierte, die eigentlich ein Teil der Ukraine ist, haben nun auch andere Staaten Angst vor Moskau. Polen war bis 1989 Teil des Ostblocks, die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen gehörten sogar zur Sowjetunion. Estland und Lettland grenzen im Osten an Russland, zwischen Litauen und Polen liegt die russische Exklave Kaliningrad. Wenn die Nato mehr Präsenz zeigen würde, "würden wir uns sicherer fühlen", sagte Sikorski. Auch Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen denkt darüber nach, an der Ostgrenze der Nato neue gemeinsame Stützpunkte zu schaffen.
Gleichzeitig fürchten Rasmussen und viele Nato-Mitglieder, die Situation durch Truppenverlegungen unnötig zu verschärfen. Kommt man der polnischen Forderung nach, könnte das in Moskau als Provokation gewertet werden. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier betont, dass sich die Situation nicht mit militärischen Mitteln lösen lasse. Stattdessen müsse alles für eine "Entschärfung" der Lage getan werden. Zugleich müsse Russland zusagen, dass es "nicht über die Krim hinausgreift". Die meisten militärischen Aktionen sind darum eher symbolischer Natur. So will Deutschland ein Versorgungsschiff ins Baltikum verlegen, das normalerweise Minensuchboote unterstützt. Es könnte sich im Ernstfall gerade einmal eingeschränkt selbst verteidigen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Es zähle die Präsenz.
Nato lässt Zusammenarbeit mit Russland pausieren
Eine wichtige Rolle für die Entscheidungen der Außenminister spielt das Verhalten Russlands zum gleichen Zeitpunkt: Moskau hatte angekündigt, ein Bataillon mit 1200 Soldaten von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Die Situation wurde in Brüssel genau verfolgt, eine Truppenbewegung konnte die Nato aber nicht ausmachen. "Wir sehen täglich einige Bewegungen bei diesen Truppen, aber wir haben noch keinen Rückzug gesehen", sagte ein Nato-Offizier. Wenn es einen Abzug gäbe, "dann wüssten wir das mit großer Sicherheit". Insgesamt sollen sich 35.000 bis 40.000 russische Soldaten im Grenzgebiet befinden.
Russland setzt die Ukraine unter Druck: Der staatliche Konzern Gazprom strich den Rabatt, der Gaspreis steigt dadurch um 44 Prozent. Andere Bezugsquellen für Erdgas hat die Ukraine bislang nicht. Außerdem drohte die Regierung in Moskau mit wirtschaftlichen Strafmaßnahmen, sollte sich die Ukraine enger an die Nato binden. Genau das geschah aber kurz später in Brüssel: Die Nato kündigte an, sich stärker mit der Ukraine abzustimmen. Der Nato-Russland-Rat soll zwar bestehen bleiben, die militärische Zusammenarbeit mit Moskau kündigte die Nato aber vorläufig auf.
Quelle: ntv.de