Politik

Autobombe in Istanbul Türkisches Blatt gibt Deutschland Schuld

"Alman Isi" (Deutsches Werk) - die Titelseite des Boulevardblattes "Günes".

"Alman Isi" (Deutsches Werk) - die Titelseite des Boulevardblattes "Günes".

Elf Menschen verlieren bei einem Autobombenanschlag in Istanbul das Leben. Laut einer Zeitung, die Staatschef Erdogan nahesteht, spielt die Armenienresolution des Deutschen Bundestages eine entscheidende Rolle für die Bluttat.

Auf der Titelseite der türkischen Zeitung "Günes" prangen in fetten gelben Lettern zwei Worte: "Alman Isi" - "Deutsches Werk". Unter der Schlagzeile ist ein fast seitenfüllendes Bild. Darauf sind die verkohlten Überreste des Polizeibusses zu sehen, der am Dienstagmorgen von einer Autobombe im Istanbuler Bezirk Vezneciler zerfetzt wurde.

Kurz nach dem Anschlag in Istanbul besuchte Staatspräsident Erdogan verletzte im Krankenhaus - und stellte erste Spekulationen an, wer Drahtzieher der Attacke gewesen sein könnte.

Kurz nach dem Anschlag in Istanbul besuchte Staatspräsident Erdogan verletzte im Krankenhaus - und stellte erste Spekulationen an, wer Drahtzieher der Attacke gewesen sein könnte.

(Foto: REUTERS)

Das türkische Blatt, das der Regierungspartei AKP nahesteht, macht die Bundesrepublik für den Anschlag mit mindestens elf Toten verantwortlich.

Die Argumentation von "Günes" lässt sich nur als eigenwillig bezeichnen: Berlin habe Ankaras harte Reaktionen auf die "beschämende" Völkermordresolution des Bundestages nicht ertragen und deshalb zugeschlagen, heißt es. "In Panik geratend, ist es (Deutschland) in alte Gewohnheiten zurückgefallen. Es hat die Terrororganisationen, die es als Marionette benutzt, einen blutigen Anschlag in Istanbul verüben lassen." Noch eigenwilliger als diese Erklärung ist die Quelle. In "Günes" heißt es: "So denkt die Türkei."

Bei "Günes" (die Sonne) handelt es sich nicht um irgendein unbedeutendes Blatt in der Türkei. Mit einer Auflage von rund 100.000 Exemplaren zählt es zu den größeren Publikationen des Landes.

Die Geschichte der Zeitung ist beispielhaft für einen Trend in der Türkei: Immer mehr Blätter gehören Geschäftsmännern, die der Regierung oder dem Staatschef nahestehen oder ihm wohlgesonnen sind. 2013 kaufte der Geschäftsmann Ethem Sancak, dem enge Verbindungen zu Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nachgesagt werden, die Zeitung.

Menschen- und Bürgerrechtler warnen seit Längerem davor, dass Journalisten durch diesen Trend zusehends zum Sprachrohr der Staatsführung werden. Kritische Berichterstatter müssen sich zudem immer häufiger Klagen und Prozessen stellen.

Erdogan macht PKK verantwortlich

Die türkische Regierung, die bei Anschlägen auf Polizeikräfte oder Militärs in der Regel schnell die PKK oder nahestehende Gruppen verantwortlich macht, hat sich bisher nicht offiziell zu möglichen Verdächtigen geäußert. Präsident Erdogan machte dagegen umgehend die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans verantwortlich: Es sei "nichts Neues", dass die Terrororganisation ihre Anschläge in großen Städten verübe, sagte Erdogan nach einem Besuch von Verletzten in einem Krankenhaus. Er kündigte an, den "Kampf gegen den Terrorismus bis zum Ende, bis zur Apokalypse" zu führen. Die Täter würden "den Preis für das Blut bezahlen, das sie vergossen haben".

Nach Angaben türkischer Nachrichtenagenturen wurden bereits am Dienstag mehrere Verdächtige festgenommen. Bei den Personen handele es sich um Leute, die mehr oder weniger direkt an der Anmietung des Fahrzeugs, in dem der Sprengsatz versteckt war, beteiligt waren.

Erdogan deutete nach der Annahme der Resolution, die die Massaker an den Armeniern als Völkermord einstuft, zudem angebliche Verbindungen der PKK nach Berlin an. Deutsch-türkischen Abgeordneten wie Cem Özdemir sagte er laut der Nachrichtenagentur Anadolu nach, der auch in Deutschland als Terrorgruppe eingestuften Organisation als verlängerter Arm zu dienen.

Seit dem vergangenen Sommer kommt es in der Türkei wieder vermehrt zu Anschlägen. Der Konflikt zwischen der kurdischen PKK und der Regierung ist neu entflammt. Außerdem ist die Türkei verstärkt zum Ziel des sogenannten Islamischen Staat (IS) geworden.

Quelle: ntv.de, ieh/dpa/AFP

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