Morgens früher, abends länger? Aufschwung schafft Überstunden
14.02.2011, 12:52 UhrDen Zustand der deutschen Wirtschaft können Nürnberger Arbeitsmarktforscher an der Zahl der geleisteten Überstunden ablesen. Ihr Ergebnis: Mit der überraschend starken Konjunkturerholung bleiben die Deutschen wieder deutlich länger am Arbeitsplatz als in Krisenzeiten - bezahlt oder unbezahlt.

Mehrarbeit am Abend: Nicht immer effektiv, selten langfristig sinnvoll.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die gute Auftragslage lässt sich in immer mehr Unternehmen offenbar nur noch mit Überstunden bewältigen. Allein im vergangenen Jahr seien in der deutschen Wirtschaft 15 Prozent mehr Überstunden geleistet worden als noch im Jahr 2010, heißt es in einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Insgesamt hätten Beschäftigte im Jahr 2010 offiziell 1,25 Mrd. bezahlte Stunden geleistet - nach 1,086 Mrd. im Jahr davor. Im Schnitt sei jeder Beschäftigte im Aufschwungjahr 2010 zu 43,6 Überstunden herangezogen worden; im Jahr 2009 seien es lediglich 38,4 Überstunden gewesen, berichtet das Forschungszentrum der Bundesagentur für Arbeit.
Großzügige Mitarbeiter?
Im Vorkrisenjahr 2008 hatte das IAB noch 1,37 Mrd. Stunden Mehrarbeit gezählt. Nach Einschätzung verschiedener Arbeitsmarkt-Experten liegt die Zahl der unbezahlten Überstunden ähnlich hoch wie die der bezahlten Stunden, so dass insgesamt von einer Größenordnung von 2,5 Mrd. Stunden Extra-Arbeit auszugehen sei.
Mit der Mehrarbeit in vielen Betrieben haben sich nach IAB-Erkenntnissen auch die Arbeitszeitkonten wieder gefüllt; die Arbeitszeitguthaben seien im Jahr 2010 im Schnitt um 3,7 Stunden ausgebaut worden; noch 2009 waren sie nach Angaben der Nürnberger Arbeitsmarktforscher um 8,4 Stunden geschrumpft. Die Zeitkonten hätten dabei als willkommenes Instrument zur Flexibilisierung der Unternehmen beigetragen: Viele Unternehmen hatten auf diese Weise in der Krise Entlassungen verhindern können.
Mit der verbesserten Arbeitsmarktlage und der schwindenden Sorge vor einem Jobverlust hat sich nach IAB-Erkenntnissen auch der Krankenstand bei den Beschäftigten wieder leicht erhöht. Im Schnitt hatte sich 2010 jeder Mitarbeiter 8,0 Tage krank gemeldet. Im Jahr davor waren es nur 7,4 Tage gewesen. Die Zahl der Urlaubstage und anderer Freistellungen hatte dagegen 2010 unverändert bei 30,7 gelegen.
Zehn Millionen Hände in der Industrie
Parallel zu den Berechnungen der Nürnberger Arbeitsmarktforscher gab das Statistische Bundesamt bekannt, dass der Stellenabbau in der deutschen Industrie im Dezember zum Erliegen gekommen ist. Mit knapp fünf Millionen waren ungefähr genauso viele Menschen im Verarbeitenden Gewerbe tätig wie ein Jahr zuvor. In den Vormonaten hatten die Industriefirmen noch Arbeitsplätze abgebaut. Im Gesamtjahresdurchschnitt sank die Stellenzahl in der Industrie dennoch um 2,4 Prozent auf 4,9 Millionen.
Zum Jahresende stockten besonders die Nahrungs- und Futtermittelhersteller ihre Belegschaften auf. Auch Gummi- und Kunststofffirmen sowie die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten sowie von optischen und elektronischen Erzeugnissen stellten ein. Bei den Metallfirmen fielen dagegen erneut Stellen weg.
Abends brennt noch Licht ...
Zugleich arbeiten auch die Industrie-Beschäftigten nach dem Auslaufen der Kurzarbeit wieder deutlich länger. Allein im Dezember waren es mit 601 Mio. Arbeitsstunden 7,6 Prozent mehr als im Dezember 2009. Allerdings spielt dabei eine Rolle, dass der Dezember einen Arbeitstag mehr hatte als der Vorjahresmonat. Im gesamten Jahr 2010 wurde 7635 Mio. Stunden gearbeitet, drei Prozent mehr als 2009. Das machte sich - im Fall der bezahlten Überstunden - in den Taschen der Beschäftigten bemerkbar: Die Entgelte stiegen um zwei Prozent auf 210,4 Mio. Euro.
Die Industrie profitiert derzeit von der starken Nachfrage aus dem Ausland und gehört damit zu den Wachstumsträgern in Deutschland. 2010 war die deutsche Wirtschaft mit 3,6 Prozent so stark gewachsen wie seit der Wiedervereinigung nicht. Auch für das laufende Jahr sind die Aussichten günstig: Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hält es für möglich, dass die Wachstumsprognose der Bundesregierung von 2,3 Prozent übertroffen wird.
Quelle: ntv.de, dpa