Moskau lädt die Öl-Experten ein BP darf in der Arktis bohren
15.01.2011, 12:56 Uhr
Ganz anders als im Golf von Mexico: Sonnenuntergang an der Küste des Polarmeers.
(Foto: REUTERS)
Der Ölkonzern BP bricht nach der Katastrophe im Golf von Mexiko auf zu neuen Ufern. Im Norden Russlands liegen Milliarden von Tonnen Erdöl und Erdgas im Boden unter dem Polarmeer. Ein Milliardendeal mit dem russischen Staatskonzern Rosneft ebnet den Briten den Weg in die Arktis.

Karge Tische, kleine Fähnchen: In London treffen sich Vertreter von BP und Rosneft zur Vertragsunterzeichnung.
Der wegen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko in der Kritik stehende britische Energiekonzern BP sichert sich durch eine Beteiligung am staatlichen russischen Konkurrenten Rosneft Zugriff auf Fördermöglichkeiten in der Arktis. Beide Unternehmen planen eine milliardenschwere Überkreuzbeteiligung.
BP beteilige sich mit 9,5 Prozent an Rosneft, teilte BP mit. Der BP-Anteil an dem russischen Staatskonzern steigt damit auf insgesamt 10,8 Prozent. Im Gegenzug erhält Rosneft einen Anteil von 5,0 Prozent an BP. Den Wert des fünfprozentigen Anteils an den Rosneft-Dividendenpapiere bezifferte BP auf 7,8 Mrd. US-Dollar (5,8 Mrd. Euro). Einen entsprechenden Vertrag unterzeichneten BP-Chef Bob Dudley und Rosneft-Aufsichtsratschef Igor Setschin in London.
Der Energiekonzern BP kommt über den neuen Partner an große Gebiete in der südlichen Karasee heran. Dort vermutet der Konzern Milliarden Barrel an Öl und Gas. Bisher hatten fast nur russische Konzerne Zugriff auf diese Arktis-Region.
Laut BP-Chef Bob Dudley handelt es sich um die erste Überkreuzbeteiligung zwischen einem staatlichen Ölunternehmen und einem international agierenden Ölkonzern. Es sei "eine neue Vorlage dafür, wie Geschäfte in unserer Industrie ablaufen können", sagte der Amerikaner, der einst das russische Joint-Venture TNK-BP geleitet hatte. Während BP durch die Partnerschaft auf neue Einnahmen hoffen kann, schließt Rosneft seine Technologie- und Fachkenntnis-Kluft zum Westen.
Der Milliarden-Deal mit dem russischen Staatskonzern bedeute aber keineswegs eine Abkehr von Aktivitäten in den USA, wo BP nach der Explosion der Ölplattform "Deepwater Horizon" im vergangenen April in enormen Problemen steckt. "Da gibt es keine Verbindung", sagte Dudley. Offenbar braucht Rosneft die BP-Technologie für die komplizierten Bohrungen in der Polargegend.
Das Geschäft war offenbar auf höchster politischer Ebene eingefädelt worden. Rosneft-Aufsichtsratschef Setschin, der auch Stellvertreter des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin ist, dankte ausdrücklich Großbritanniens Regierungschef David Cameron für seine Unterstützung. BP-Chef Bob Dudley war noch am Freitag in Moskau bei Putin persönlich.
"Ich glaube, das ist ein historischer Moment für BP, für unsere Branche und ich glaube auch für Russland und die größere Welt der Energie", sagte Dudley. BP-Aufsichtsratschef Carl-Henric Svanberg sagte, es gehe auch darum, den "weltweit steigenden Energiebedarf" zu decken. BP ist bereits seit zwölf Jahren in Russland engagiert. Dudley selbst war 2008 als Chef der BP-Russlandaktivitäten aus Furcht vor Repressalien der russischen Regierung aus dem Amt geflohen.
Bohrlöcher im kalten Norden Russlands
Die Unternehmen wollen gemeinsam in einem Areal nach Öl bohren, in dem Unmengen von Rohstoffen vermutet werden. Das Gebiet in der südlichen Karasee umfasst 125.000 Quadratkilometer. Dort vermuten Experten fünf Milliarden Tonnen Öl und 10 Billionen Kubikmeter Erdgas. Rosneft hatte im vergangenen Jahr das Rennen um die Ausbeutungsrechte gemacht. Beide Firmen wollen dort auch ein Technologiezentrum bauen.
Die arktischen Gewässer gelten unter Biologen und Umweltschützern als hochempfindlich für menschliche Eingriffe. Etwaige Verschmutzungen werden unter den im kalten Polarmeer herrschenden Bedingungen erheblich langsamer abgebaut als in wärmeren Regionen.
Die schlimmste Ölpest der US-Geschichte
Für den BP-Konzern ist es die erste wirtschaftlich positive Nachricht seit der Katastrophe auf der "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko, bei der elf Menschen starben und wochenlang unkontrolliert Rohöl ins Meer geströmt war. Die Folgen der Explosion kosten den Konzern zusätzlich zu einem immensen Imageschaden Milliarden US-Dollar an Schadensersatz und Kompensationsmaßnahmen.
Die US-Regierung hat den britischen Ölkonzern im Zusammenhang mit der schlimmsten Umweltkatastrophe in der Geschichte der Vereinigten Staaten verklagt und fordert Schadenersatz für die Folgen der Ölpest im Golf von Mexiko. Die Forderung könnte bis zu 21 Mrd. Dollar betragen.
Nach Bekanntgabe des Rosneft-Geschäfts stiegen die Aktien von BP im New Yorker Handel kurz vor Börsenschluss um 3,6 Prozent auf 49,25 US-Dollar. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte die neue Allianz mit Rosneft und die geplanten Bohrungen in der Arktis: "Es scheint, das Unternehmen hat im vergangenen Jahr im Golf von Mexiko nichts gelernt."
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts