100, 110, 115, ... Die Talfahrt des Yen - und kein Ende?
13.05.2013, 21:39 Uhr
Hitachi als exportstarkes Unternehmen profitiert von einem schwachen Yen.
(Foto: picture alliance / dpa)
30 Prozent in einem halben Jahr? Das klingt nach einer Traumrendite. 30 Prozent in einem halben Jahr hat der Yen abgewertet. Aber die Anleger freut's, denn die Aktienkurse steigen - getrieben von den Exportwerten. Analysten rechnen zudem mit einem weiterhin schwachen Yen. Allerdings könnte die Währung auch schnell zum Problem werden, nicht nur für Japan selbst.
Der Yen kennt seit Monaten nur eine Richtung: nach unten. Fast 30 Prozent hat die japanische Landeswährung in den vergangenen sechs Monaten zum Dollar an Wert verloren - und ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. So lange die Bank of Japan ihren aggressiven geldpolitischen Kurs beibehalte, dürfte der Yen kaum Chancen auf eine nachhaltige Erholung haben, erklären Marktbeobachter einmütig. Seit der Dollar in der vergangenen Woche die psychologische wichtige 100-Yen-Marke durchbrochen hat, ist für viele Analysten auch ein Anstieg auf 110 und 115 Yen nur noch eine Frage der Zeit.
Die Zentralbank schleust derzeit riesige Summen in das Finanzsystem - in der Hoffnung, dass die Institute mehr Kredite an die Wirtschaft vergeben, so die Investitionen ankurbeln und schließlich Löhne und Preise steigen. In weniger als zwei Jahren wollen die Währungshüter vor allem über den Ankauf von Staatsanleihen, börsengehandelten Indexfonds und Immobilienfonds rund 1,4 Billionen Dollar in den Kreislauf pumpen.
Schwacher Yen, starker Export
Japan leidet seit Jahren unter einer Wirtschaftsflaute und hartnäckigen Deflation. Sinkende Preise sind Gift für eine Volkswirtschaft, weil sich die Verbraucher in der Hoffnung auf noch günstigere Angebote mit Käufen zurückhalten und so eine wirtschaftliche Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird.
Durchaus gewünscht ist die Abwärtsspirale allerdings beim Yen: Die Schwächung der heimischen Währung durch die lockere Geldpolitik kommt den exportorientierten Unternehmen Japans zugute. Sie können ihre Waren im Ausland deutlich billiger verkaufen. Nutznießer sind unter anderem Autobauer wie Toyota, Nissan oder Honda, die ihre Produkte auf den Weltmärkten absetzen.
US-Konjunkturdaten und hohe Verschuldung
Doch der aggressive Kurs der japanischen Notenbank birgt auch Risiken: All en voran drohe die Staatsverschuldung Japans zu explodieren - vor allem, wenn die Renditen japanischer Anleihen weiter anzögen, sagt Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz. Die zehnjährigen Papiere des Landes warfen am Montag bis zu 0,800 Prozent ab, so viel wie seit Anfang Februar nicht mehr. "Solange die Zinsen niedrig sind, kann Japan mit seiner hohen Verschuldung leben, aber bei steigenden Zinsen hat das Land irgendwann ein Problem", erklärt der Experte. "Und das lastet dann natürlich auch auf der Währung." Laut OECD war Japan bereits 2012 mit rund 220 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung höher verschuldet als Griechenland und alle anderen Krisenstaaten in Europa.
Für einen anhaltend schwachen Yen sprechen derzeit aber auch die Konjunkturdaten aus den USA. "Mit der robusten Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft mehren sich die Spekulationen, dass die Fed ihre geldpolitischen Maßnahmen reduzieren wird", erläutert Stefan Große, Analyst bei der NordLB. "Dies stärkt den Dollar, nicht nur gegenüber dem Yen, sondern auch gegenüber dem Euro."
Kaum Kritik bisher
US-Notenbank-Chef Ben Bernanke hat seinen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik vor allem an den Arbeitsmarkt geknüpft. Fällt die Arbeitslosenquote auf 6,5 Prozent, wollen die Währungshüter vom Gas gehen. Die überraschend niedrigen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe hatten dem Greenback in der vergangenen Woche den letzten Schub gegeben, die 100-Yen-Marke zu überwinden.
Nur zaghaften Widerstand gibt es bislang aus den Reihen der Politik gegen den aggressiven Kurs der japanischen Notenbank. Erst am Wochenende vermieden die sieben führenden westlichen Industrieländer bei einem Treffen eine direkte Kritik an der Währungspolitik des Landes. "Auf Dauer wird das aber nicht so weitergehen können", meint NordLB-Experte Große. "Wenn Japan seine Wirtschaft dauerhaft auf Kosten anderer in Schwung bringt, dürften die USA, China, aber auch Deutschland irgendwann Einwände erheben."
Quelle: ntv.de, Daniela Pegna, rts