Wirtschaft

Spekulanten mischen mit Mehl wird teurer

Das russische Exportverbot für Getreide könnte Brot längerfristig teurer machen. Die Weizenpreise steigen und Spekulanten wittern satte Gewinne. Die Auswirkungen für Verbraucher dürften dennoch überschaubar bleiben. Die Getreidelager sind prall gefüllt und Nachschub aus Kanada, USA oder Australien ist gesichert.

Brände und Dürre haben gravierende Folgen: Moskaus Getreideexport sorgt am Getreidemarkt für Turbulenzen.

Brände und Dürre haben gravierende Folgen: Moskaus Getreideexport sorgt am Getreidemarkt für Turbulenzen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Trotz der massiven Verteuerung von Weizen rechnet der deutsche Einzelhandel nicht mit einem unmittelbaren Preisschub bei Lebensmitteln. Der steigende Getreidepreis schlägt nicht so schnell beim Brotpreis durch wie beim Mehlpreis. "Wir erwarten derzeit keine exorbitanten Preissteigerungen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes HDE, Stefan Genth.

Ein Grund dafür sei, dass Getreide und Mehl stark verarbeitet würden, so dass höhere Rohstoffkosten nicht eins zu eins beim Verbraucher ankämen. "Das schlägt nicht direkt durch", sagte Genth und verwies auf die Erfahrung vergangener Jahre, in denen die Getreidepreise ebenfalls stark gestiegen seien.

Die Bäckereikette Kamps erwartet, dass die Rally der Getreidepreise keine Eintagsfliege bleibt. "Wir gehen davon aus, dass die Getreidepreise langfristig steigen werden", sagte eine Sprecherin. Zu den Folgen für den deutschen Markt könne sie aber noch nichts sagen. Dem Nahrungsmittelriesen Oetker bereiten die Weizen-Preise einem Sprecher zufolge derzeit keine Probleme: "Wir sind versorgt für dieses Jahr". Oetker verfüge über langfristige Verträge. Der unter anderem durch seine Tiefkühlpizzen bekannte Konzern beobachte aber den Markt.

Spekulanten treiben Weizenpreise

Nachschub ist gesichert: Auch in Kanada, den USA und Australien gibt es große Anbaugebiete.

Nachschub ist gesichert: Auch in Kanada, den USA und Australien gibt es große Anbaugebiete.

(Foto: REUTERS)

Ernteausfälle in Folge der Hitzewelle in Russland sowie das russische Verbot von Getreideexporten haben den Weizenpreis auf den höchsten Stand seit März 2008 getrieben. Der in den USA gehandelte Weizen-Future stieg zeitweise um sieben Prozent auf ein Zwei-Jahres-Hoch von 8,41 Dollar je Scheffel.

Der europäische November-Kontrakt kletterte in der Spitze um 3,8 Prozent auf 232 Euro je Tonne und lag damit nur knapp unter seinem Zweieinhalb-Jahres-Hoch vom Vortag. Seit Anfang Juni hat sich der Preis angesichts der Rekord-Dürre in Russland nahezu verdoppelt.

Mit der Lebensmittelkrise 2007 und 2008 wollen die Experten die Situation aber nicht vergleichen, auch weil die Lager gut gefüllt sind. Sie halten die Marktreaktionen für übertrieben. Russland sei zwar einer der weltgrößten Exporteure von Weizen und hat damit großen Einfluss auf die Preisentwicklung. Es gebe aber auch große Anbaugebiete in Kanada, den USA oder auch in Australien, deren Ernten nicht vom Ausfalle bedroht sind.

Verband: Müssen Kosten weitergeben

Bei den Mühlen, am Anfang der Verarbeitungskette, kommen die Preissteigerungen an den Rohstoffmärkten schneller an als beim Endverbraucher. Der Verband deutscher Mühlen sieht sich angesichts dieser drastischen Verteuerung von Weizen bereits zu starken Preiserhöhungen bei Mehl gezwungen. "Bleibt der Weizenpreis auf dem aktuellen Niveau, kommen auf uns in diesem Jahr bis zu 1,0 Mrd. Euro an zusätzlichen Kosten zu", sagte Hauptgeschäftsführer Manfred Weizbauer, dessen Verband rund 600 Mühlenunternehmen vertritt. "Das ist mehr als die Hälfte unseres Jahresumsatzes."

Moskau schraubt die Prognose für die Weizenernte auf 70 bis 75 Mio. Tonnen von 100 Mio. Tonnen zurück.

Moskau schraubt die Prognose für die Weizenernte auf 70 bis 75 Mio. Tonnen von 100 Mio. Tonnen zurück.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eine Tonne Mehl sei derzeit kaum für weniger als 300 Euro pro Tonne zu haben. Vor wenigen Wochen seien es noch knapp 200 Euro gewesen. "Die Getreidepreise bestimmen zu 70 bis 80 Prozent die Mehlpreise", sagte Weizbauer. "Wir sind deshalb gezwungen, die Kostensteigerungen weiterzugeben." Für die deutschen Verbraucher bedeute das in diesem Jahr zusätzliche Kosten von bis zehn Euro. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch betrage jährlich etwa 65 Kilogramm.

Der Mühlenverband hält auch Preise von mehr als 250 Euro für möglich. Nicht nur die Spekulanten mischen mit. Auch "die Landwirte hoffen auf Zusatzerlöse. Ihre Verkaufsbereitschaft ist deshalb im Moment extrem gering."

Versorgungsengpass in Bangladesch

Versorgungsprobleme bei Weizen sind inzwischen in Entwicklungs- und Schwellenländern in Asien aufgetreten. Sie trifft der steigende Weizenpreis deutlich härter. Zwei führende Getreidelieferanten sollen ihre Zusagen an Bangladesch bereits zurückgezogen haben, berichteten Weizenimporteure. "Sie haben uns mitgeteilt, dass sie die Lieferung von insgesamt 65.000 Tonnen Weizen aus der Schwarzmeer-Region nicht einhalten können." Das verarmte Bangladesch muss pro Jahr 2,2 bis 2,5 Mio. Tonnen Weizen importieren, um seinen Bedarf zu decken. Die Ausfälle muss es nun bei anderen Anbietern wie Australien zu höheren Kosten decken.

In Industriekreisen hieß es, die Lieferungen nach Asien seien wegen der Brände und der Dürre in Russland sowie im gesamten Getreide-Gürtel hätten die Lieferungen bereits im Juli beeinträchtigt. So sei die Auslieferung von bis zu 200.000 Tonnen Weizen auf August oder September verschoben worden.

Knappheit schürt Inflation

Mühlen in Bangladesch, Thailand, Vietnam, Malaysia oder Indonesien kaufen den Angaben zufolge den billigeren Schwarzmeer-Weizen und mischen ihn mit dem teureren und qualitativ höherwertigen Getreide aus Australien und den USA bei.

Nach Einschätzung der Welternährungsorganisation (FAO) ist zwar keine Wiederholung der Nahrungsmittelkrise der Jahre 2007/08 zu erwarten. Hohe Preise dürften jedoch die Inflation in den asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern antreiben. Anders als in den Industrieländern haben in diesen Staaten Lebensmittelpreise mit durchschnittlich 30 Prozent einen hohen Anteil an den Teuerungsraten. In Indien gab es zuletzt landesweit Proteste gegen hohe Lebensmittelpreise und zweistellige Inflationsraten.

Quelle: ntv.de, ddi/AFP/dpa

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