"Das ist bizarr" Qantas legt Australien lahm
29.10.2011, 16:15 Uhr
"Sprit of Australia": Eine A380 in den Qantas-Farben.
(Foto: AP)
Im australischen Flugverkehr bricht Chaos aus: Die größte und bekannteste Airline des Landes stellt im Streit mit ihren Mitarbeitern unvermittelt sämtliche Flugverbindungen ein. Zehntausende Passagiere sind betroffen, darunter auch mehrere Spitzenpolitiker des Commonwealth-Gipfels. Es ist kaum zu glauben: Bei Quantas streikt der Arbeitgeber.
Die australische Fluggesellschaft Qantas greift im Arbeitskampf mit Piloten, Bodenpersonal und Catering zu ungewöhnlichen Maßnahmen: Völlig überraschend stellte sie den Betrieb vorübergehend komplett ein. Sowohl international als auch national wurden alle Flüge ohne Vorwarnung und mit sofortiger Wirkung gestrichen. Mitarbeiter sollten von Montag an zu Hause bleiben, teilte Qantas mit.
Die höchst ungewöhnliche Maßnahme wirkte sich sofort auf den weltweiten Flugverkehr aus: 108 Flugzeuge strandeten in 22 Ländern, mehr als 1300 Passagiere, die innerhalb von 24 Stunden bei Qantas einchecken wollten, blieben auf der Strecke. Die Airline versprach Hotel- und Flugumbuchungen und Wiedergutmachung. Einige Passagiere sollen sogar erst nach dem Einchecken im Flieger über die Entscheidung informiert worden sein, dass bei Qantas bis auf weiteres alle Verbindungen ausfallen. Sie mussten ihre Maschinen wieder verlassen und sitzen nun fest.
Mehrere Hundert Flüge und Zehntausende Passagiere sind allein am Wochenende von der Einstellung des Betriebs betroffen. Darunter auch einige Staatschefs, die derzeit in Perth an einem Treffen der Commonwealth-Staaten teilnehmen. Australiens Regierungschefin Julia Gillard musste die Ereignisse zunächst von Perth verfolgen.

"Es war klar, dass er Qantas ruinieren wollte, aber nicht, dass er es so schnell wollte": Qantas-Chef Alan Joyce.
(Foto: REUTERS)
Die Airline habe wegen der Extremforderungen der Gewerkschaften keine andere Wahl gehabt, sagte Qantas-Chef Alan Joyce. Sie nehme in Kauf, dass der Flugstopp jeden Tag einen Schaden von 20 Mio. australischen Dollar verursache - rund 15 Mio. Euro. Der Flugbetrieb werde erst wieder aufgenommen, wenn die Gewerkschaften eine Vereinbarung unterzeichnen.
Qantas-Tochterunternehmen wie der Billigflieger Jetstar sind nicht von der drastischen Maßnahme betroffen. Qantas, 1920 gegründet, eine der ältesten Fluggesellschaften der Welt und bekannt als "Fliegendes Känguru", ist Australiens größte Fluggesellschaft und deckt 65 Prozent des heimischen Marktes ab. Andere Airlines wie Virgin Australia, Jetstar oder Tiger Airways können diese Lücke nicht füllen. Qantas bietet von Sydney über Singapur auch Flüge nach Frankfurt an.

Improvisierte Pressekonferenz in Perth: Julia Gillard erklärt, Journalisten, was die Regierung nun von Qantas hält.
(Foto: AP)
Bei Qantas kämpfen drei Gewerkschaften seit September mit Streikaktionen gegen die Restrukturierungs- und Einsparungspläne von Qantas-Chef Alan Joyce. Im Zuge des größten Umbaus des 1920 gegründeten Unternehmens soll das rote Zahlen schreibende internationale Geschäft neu aufgestellt werden. Zudem will sich Qantas mit der Gründung von zwei neuen Airlines auf den asiatischen Markt konzentrieren. 1000 der derzeit 32.000 Stellen sollen abgebaut werden, darunter 200 Piloten. Zur Flottenerweiterung bestellte Qantas für 9 Mrd. Dollar bei Airbus neue Flugzeuge.
Firmenchef Joyce warf den Arbeitnehmervertretungen von Piloten, Bodenpersonal wie Gepäckabfertiger und Servicepersonal vor, Strategie und Marke mit Füßen zu treten. "Kunden wenden sich von uns ab", sagte er. "Die Gewerkschaften halten nicht nur an unmöglichen Forderungen fest, sie wollen uns auch noch vorschreiben, wie wir unser Geschäft zu führen haben", fügte er hinzu. Insgesamt hat Qantas der Streit nach eigenen Angaben bislang rund 50 Mio. Euro gekostet.
"Messer am Hals"
Die Gewerkschaften reagierten empört auf den Beschluss. Die Aktion von Qantas sei Erpressung, hielt Richard Woodward, Vize-Präsident der australischen und internationalen Piloten-Vereinigung entgegen. "Alan Joyce hält der Nation ein Messer an den Hals. Es war klar, dass er Qantas ruinieren wollte, aber nicht, dass er es so schnell wollte", sagte Woodward. "Das hat keiner vorausgesehen, weil niemand dachte, dass Joyce total verrückt ist."
Wann Qantas-Flieger wieder abheben, ist unklar. Bei einer entsprechenden Entscheidung des Arbeitsgerichts könnten sie Sonntag wieder starten. Viele Passagiere saßen bereits im Flugzeug als die Anordnung, am Boden zu bleiben, kam. Dieses Wochenende ist wegen eines sehr beliebten Pferderennens in Melbourne am Dienstag eines der geschäftigsten in Australien.
"Das ist bizarr, ungerechtfertigt und loyalen Kunden gegenüber unfair", sagte ein gestrandeter Passagier in Melbourne. Konkurrent Virgin Australia bot Qantas-Passagieren freie Kapazitäten an und prüft weitere Hilfen. In Frankfurt war ein Qantas-Flug am Abend nach Sydney betroffen.
Kleinerer Streik bei Air France
Behinderungen im Luftverkehr gab es auch in Europa: Unabhängig von den Ereignissen in Australien musste die französische Fluggesellschaft Air France-KLM wegen des Streiks von Kabinenpersonal zahlreiche Flüge annullieren. Bei Air France-KLM wurden vier Flüge zwischen Frankfurt und Paris annulliert.
Die französische Fluggesellschaft strich wegen eines fünftägigen Streiks des Kabinenpersonals etwa 20 Prozent der 1000 Verbindungen pro Tag. Bislang wurden etwa zehn Langstreckenflüge abgesagt. Weitere kurzfristige Annullierungen und Verspätungen schloss Air France nicht aus. Verschiedene Gewerkschaften haben die Flugbegleiter aufgerufen, im Streit über Arbeitsbedingungen bis zum späten Mittwoch in den Ausstand zu treten. Dienstag ist in Frankreich ein Feiertag, und viele nehmen sich für ein langes Wochenende den Montag frei.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts