Marktmacht von Edeka & Co. Supermärkte bringen Lieferanten in Not
01.04.2015, 18:24 Uhr
Günstige Preise in deutschen Märkten freuen die Verbraucher. Doch viele Lieferanten geraten unter Druck.
(Foto: imago stock&people)
Die niedrigen Lebensmittelpreise in Deutschland sind kein Zeichen für einen funktionierenden Wettbewerb. Im Gegenteil: Wenige Konzerne beherrschen den Markt. Darunter leiden Produzenten in Deutschland ebenso wie in der Dritten Welt.
Vier große Handelskonzerne beherrschen den deutschen Lebensmittelmarkt: Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit den Lidl-Märkten und Kaufland. Nach Angaben des Bundeskartellamts kommen sie zusammen auf bis zu bis zu 85 Prozent Marktanteil. Wird die Nummer fünf, die Metro-Gruppe, mitgezählt, beherrschen die Unternehmen 90 Prozent des Wettbewerbs.
Unter den Giganten wiederum hebt sich Edeka hervor: Die Hamburger Gruppe hat den Wettbewerbshütern zufolge im Verhältnis zu seinen jeweiligen nächsten Konkurrenten eine etwa doppelt so hohe Gesamtverkaufsfläche sowie eine doppelt so hohe Standortdichte. Gemessen an Umsatz, Beschaffungsanteilen bei Herstellermarken, der Verkaufsfläche und der Standortzahl ist Edeka der bei weitem führende Anbieter in Deutschland.
Im vergangenen September veröffentlichte das Bundeskartellamt eine Studie zum Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland. Der Handel sei "hochkonzentriert", heißt es darin. Die Ergebnisse würden nahelegen, dass die vier großen Handelskonzerne "marktmächtig" im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) seien. Mit anderen Worten, der Markt funktioniert nicht mehr. Diese Situation würde sich noch verschärfen, wenn der Marktführer Edeka rund 450 Filialen des Konkurrenten Kaiser's Tengelmann übernähme, so das Kartellamt. Deshalb untersagte die Behörde die geplante Übernahme jetzt.
Aber nicht nur die Seite der Handelsketten ist durch wenig Konkurrenz geprägt, auch die Seite der Hersteller. Unter den lebensmittelproduzierenden Unternehmen haben einige wenige Hersteller große Marktmacht. Das Kartellamt spricht von "höchstens vier Unternehmen", die in den jeweiligen Marktsegmenten den "wesentlichen Teil des Angebots" auf sich vereinen.
Discounter sorgen für Mango-Überproduktion
Neben dem Kartellamt betrachten auch viele Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Konzentration im deutschen Lebensmittelhandel mit Sorge. 26 haben sich zu einer Supermarkt-Initiative zusammengeschlossen. Auf ihrer Homepage supermarktmacht.de informieren sie über "Missbrauch von Einkaufsmacht".
Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam beteiligt sich an der Initiative. Die Supermarktketten hätten eine "Türsteher-Funktion", sagt Franziska Humbert, Expertin für soziale Unternehmensverantwortung bei Oxfam. "Kein Lieferant kommt an ihnen vorbei." Die Konzerne seien in der Lage, Preise und Vertragsbedingungen zu diktieren. Nicht nur kleine Lieferanten, sondern auch große Hersteller würden den Druck deutlich spüren. So sei es üblich, dass große Lebensmittelhändler "nicht gerechtfertigte Zusatzkosten" erheben, wie zum Beispiel einen Zuschuss für ihre Werbekosten, den die Lieferanten aufbringen müssten.
Wie die Konzerne Preise drückten, zeige sich am Beispiel von Mangos: In diesem Fall betreffe es Discounter, erläutert Humbert. Sie legten sich prinzipiell nicht fest, wie viele Früchte sie den Lieferanten abnähmen. Daraus resultiere ein permanentes Überangebot, weil die Lieferanten wiederum genug Ware bereitstellen müssten. Dies wiederum führe zu niedrigen Preisen. Im schlimmsten Fall blieben die Lieferanten auf ihrer Ware sitzen. In vielen anderen Ländern ist diese Praxis der Expertin zufolge verboten.
Händler umgehen gesetzliche Mindestpreise
Der Preiskampf habe auch Auswirkungen auf die Lieferanten aus Übersee, erläutert Humbert. Etwa der gesetzliche Mindestpreis für Bananen in Ecuador, der bei 6,22 Dollar liege, würde auch aufgrund von Preisdruck deutscher Handelsunternehmen umgangen. Oft erhielten Kleinproduzenten nur Preise zwischen 1,5 und zwei Dollar pro Bananen-Kiste.
Im September hatte das Kartellamt angekündigt, jede Übernahme eines Lebensmitteleinzelhändlers durch die großen vier streng zu prüfen. Am Mittwoch untersagte es den Kauf von 450 Kaiser's-Tengelmann-Filialen durch Edeka. Humbert begrüßt das Verbot. Es sei ein "wichtiges Signal".
Quelle: ntv.de, Michael Rebmann/AFP