Ökonomen-BarometerTrotz Schuldenkrise optimistisch
Deutschlands führende Ökonomen blicken trotz Schuldenkrise mit großer Zuversicht auf die kommenden Monate. Das geht aus dem Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv hervor.
Nach Ansicht von Deutschlands Top-Ökonomen ist die Beurteilung der aktuellen Lage
um knapp zehn Prozent auf rund 54 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit
zwei Jahren gestiegen. Der Erwartungswert legte gar um rund 16 Prozent auf 56 Punkte zu
und notiert inzwischen auf dem höchsten Stand seit Dezember 2007.
Die optimistische Einschätzung spiegelt die
zuletzt starken Zahlen aus Schlüsselbranchen wie Automobil, Maschinenbau oder
Chemie wider. Erst Anfang Juli hatte etwa der Maschinenbauverband VDMA ein
Auftragsplus von 61 Prozent gegenüber dem – allerdings schwachen – Vorjahresmonat
gemeldet. Angesichts der vor allem vom Ausland getragenen Ordereingänge stellte
der VDMA zudem eine Anhebung seiner Prognose in Aussicht. Auch die deutschen
Automobilbauer kommen mit dem Rückenwind aus dem Export überraschend rasch aus
der Krise. Im ersten Halbjahr steigerten die deutschen Autobauer um Mercedes,
VW, BMW und Co die Ausfuhren gegenüber dem Vorjahr um 44 Prozent – und streichen nun reihenweise die Werksferien.
Auf große Zustimmung der Ökonomen treffen
Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, die Laufzeit von Atomkraftwerken
eventuell erheblich zu verlängern. Für einen solchen Schritt hatte sich
unlängst etwa Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle ausgesprochen. Immerhin
66 Prozent der Experten halten einen solchen Vorstoß für richtig, 23 Prozent
lehnen ihn ab. "Klimaschutz kann nur mit einem breiten Energiemix gelingen,
ohne durch einseitig hohe Kostenbelastung die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen und europäischen Unternehmen zu gefährden", sagte der Chef-Volkwirt
des DIHK, Volker Treier.
Atomenergie
verringere die Abhängigkeit vom Ölpreis und erhöhe die
"Versorgungssicherheit", argumentierte auch Prof. Juergen B. Donges, Emeritus
der Uni Köln. Zudem seien "momentan alternative Technologien noch nicht
wettbewerbsfähig, mit denen man die Einsparziele bei CO2 erreichen könnte", sagte der Wirtschaftsweise
und Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung
(RWI), Prof. Christoph M. Schmidt. Ohne Atomkraft könne man derzeit "keine
großen Erfolge im Klimaschutz erzielen", sagte auch Prof. Friedrich Breyer von
der Uni Konstanz.
Pläne der Bundesregierung, die Beitragssätze zur
Krankenversicherung zu erhöhen, sind unter den Experten hingegen umstritten.
Insgesamt 55 Prozent der Befragten halten die Pläne für richtig, 42 Prozent
lehnten das Vorhaben ab. Nach den Anfang Juli verabschiedeten Plänen sollen die
Beitragssätze zum Jahreswechsel von derzeit 14,9 auf künftig 15,5 Prozent
steigen. Zudem soll die Begrenzung des Zusatzbeitrags von einem Prozent des
Einkommens wegfallen. In Härtefällen greift dabei eine Ausgleichsklausel. Der
Arbeitgeberanteil wird eingefroren.
Die Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge sei
"eine Maßnahme, die nur kurzfristig Linderung verschafft, aber nichts an den
prinzipiellen Problemen ändert" monierte etwa Prof. Justus Haucap,
Vorsitzender der Monopolkommission zur Beratung der Bundesregierung. Das
deutsche Gesundheitssystem habe "ein Ausgabenstrukturproblem, kein
Einnahmenproble", sagte Prof. Bernd Raffelhüschen von der Uni Freiburg.
Ähnlich argumentierte Prof. Walter Krämer von der Uni Dortmund: "Besser wäre
eine drastische Beschneidung des Leistungskatalogs", forderte er.
Dagegen halten zahlreiche Experten die gefundene
Lösung für einen vertretbaren Kompromiss. "Da die sinnvollere Gesundheitsprämie
mit sozialem Ausgleich wegen des Widerstands von Bayern offenbar nicht
eingeführt werden kann, ist die jetzige Lösung die zweitbeste", sagte Boris
Augurzky, Bereichsleiter Gesundheit beim RWI. Auch Friedrich Heinemann vom
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW) hält die Lösung
für akzeptabel. "Weiter reichende Reformen wie eine Kopfpauschale, die
ökonomisch eindeutig vorteilhaft wäre, sind politisch derzeit ohne jegliche
Realisierungschance."
Für das Ökonomen-Barometer wurden vom 6. bis zum
14. Juli über 300 Volkswirte in Banken, Uni-Forschungseinrichtungen und
Wirtschaftsverbänden befragt.