Panorama

Ronnie Biggs - fies, flüchtig, feiernd Berühmtester Posträuber aller Zeiten ist tot

Er liebte die Provokation. Auch im hohen Alter war Biggs ein Schlitzohr.

Er liebte die Provokation. Auch im hohen Alter war Biggs ein Schlitzohr.

(Foto: Reuters)

Im Jahr 1963 raubte er mit Komplizen einen Postzug aus. Die Polizei fand ihn, doch er haute einfach wieder ab. An der Copacabana versoff er die Beute und feierte mit Hunderten Frauen. Nun ist der Gauner-König tot.

Es war das spektakulärste Verbrechen des Jahrhunderts: Eine Gruppe von 15 Gangstern stoppte am 8. August 1963 den mit Säcken voller Geld beladenen Postzug zwischen Glasgow und London - und entkam mit 2,6 Millionen Pfund. Das waren damals etwa 14 Millionen Euro. Ihr heutiger Gegenwert entspricht etwa 40 Millionen Pfund. Zu der Räuber-Gang vom Großen Postzugraub zählte auch Ronnie Biggs. Er wurde mit dem Coup und seinen Folgen zu Großbritannien berühmtestem Kriminellen. Nun ist er tot.

Einer der Drahtzieher des spektakulärsten Postzugraubes der Kriminalitätsgeschichte starb am Mittwoch im Alter von 84 Jahren in einem Altenheim, wie die britische Nachrichtenagentur PA berichtete. Biggs war seit Jahren schwer krank und konnte nach mehreren Schlaganfällen nicht mehr laufen, sprechen und essen. 2009 wurde Biggs wegen seines sich dramatisch verschlechternden Gesundheitszustandes begnadigt.

Gefängnis-Flucht mit Strickleiter

Seine Lebensgeschichte hätte von keinem Kriminalautor besser erfunden werden können: Biggs war ein gelernter Zimmermann und Kleinkrimineller aus dem Londoner Arbeiter-Stadtteil Lambeth. Er wurde einer der wenigen, die mit dem Coup berühmt wurden. Das lag vor allem an seinem Verhalten nach der Tat. Er wurde schnell gefasst und ins Gefängnis gesteckt.

Aus diesem Zug raubten die Verbrecher damals das Geld.

Aus diesem Zug raubten die Verbrecher damals das Geld.

(Foto: picture alliance / dpa)

Doch nach nur 15 Monaten hinter Gittern seilte sich Biggs mit einer Strickleiter an einer Mauer des Londoner Wandsworth-Gefängnisses ab. In Paris ließ er sich das Gesicht umoperieren und floh über Australien nach Rio de Janeiro. 147.000 Pfund sollen damals sein Anteil an der Beute gewesen sein - heute ein Vermögen von rund 2,4 Millionen Euro. "Ich habe es in drei Jahren völlig verprasst - seitdem lebe ich von meinem Namen", sagte er einmal.

2500 Freundinnen? Zu wenig!

An der Copacabana genoss Biggs mehr als 35 Jahre lang das süße Leben Südamerikas, obwohl ihm die britische Polizei und auch die Journaille stets auf den Fersen waren. Da Großbritannien bei seiner Ankunft in Rio Anfang der 1970er Jahre kein Auslieferungsabkommen mit Brasilien hatte, konnte sich Biggs relativ frei bewegen. Er spielte sogar mit seinen Verfolgern, ließ sich immer wieder bei rauschenden Partys fotografieren, gab Interviews, ein Foto zeigt ihn mit einem Helm auf dem Kopf, wie ihn die Londoner Bobbys tragen.

Die brasilianischen Gesetze nutzte der Lebemann Biggs geschickt aus. Eine Zeit lang blieb er nur deswegen unbehelligt, weil seine damalige Freundin, eine Stripperin aus Rio, schwanger war. Die Auslieferung der Eltern eines brasilianischen Staatsbürgers war zur damaligen Zeit nicht möglich. Chefermittler Jack Slipper von Scotland Yard, der eigens nach Rio gereist war, um Biggs festzunehmen, musste alleine wieder zurückfliegen. "In einem Bericht wurde geschrieben, ich hätte mehr als 2500 Freundinnen gehabt, seit ich auf der Flucht bin. Ihr müsst Euch vorstellen, ich bin 30 Jahre auf der Flucht. Es müssen mehr gewesen sein", sagte Biggs einmal.

2009 wurde er entlassen

Als bekannter Gauner bekam er keine Anstellung, also lud er gegen Bezahlung Touristen zu Grillfesten in seinen Garten ein - und prahlte dann von dem berühmten Raubüberfall. Zeitweise machten Biggs-T-Shirts und -Kaffeebecher in der brasilianischen Metropole die Runde.

Nach einem jahrzehntelangen Exil zog es Biggs zurück in die Heimat - wo er teils als Schlitzohr verehrt, teils als Schwerverbrecher gehasst wurde. "Ein Pint Bitter im Pub" soll sein größter Wunsch gewesen sein. Er kam 2001 gesundheitlich stark angeschlagen - an Bord eines von der Zeitung "The Sun" gecharterten Privatjets - nach Großbritannien zurück, wurde sofort verhaftet und kam wieder ins Gefängnis. 2009 wurde er nach mehreren Schlaganfällen wegen seiner gesundheitlichen Probleme aus der Haft entlassen. Zuletzt konnte er kaum noch sprechen und nicht mehr gehen. Sein letzter öffentlicher Auftritt wurde im März bekannt, als er der Trauerfeier für seinen Komplizen Bruce Reynolds beiwohnte.

Quelle: ntv.de, jtw/AFP/dpa

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