Feuer auf hoher See Frachter treibt im Atlantik
16.07.2012, 13:30 Uhr
Finanziert mit dem Geld deutscher Anleger: die "MSC Flaminia" in voller Länge (Archivbild).
(Foto: reederei-nsb.com)
Ein mysteriöser Zwischenfall lässt in Buxtehude die Alarmglocken schrillen: Auf einem Schiff der Reederei NSB bricht Feuer aus. Bei den Löschversuchen kommt es zur Explosion. Das Schiff, das einem deutschen Fonds gehört, wird evakuiert. Jetzt treibt die fast 300 Meter lange "MSC Flaminia" verlassen und offenbar noch immer brennend auf hoher See.
Bei einer Explosion auf einem Hamburger Containerschiff im Atlantik ist mindestens ein Seemann ums Leben gekommen. Ein weiterer Seemann wird vermisst, teilte die Reederei NSB mit, die das Schiff an die Mediterrean Shipping Company (MSC) verchartert hat. Drei Verletzte seien mit teils schweren Verbrennungen per Hubschrauber auf die Azoren gebracht worden. Einer der drei verletzten Seeleute liege auf einer Intensivstation.
Die Hintergründe des Zwischenfalls sind noch vollkommen unklar: In einer Mitteilung der Reederei hieß es, am Wochenende sei auf dem Weg von Amerika nach Europa an Bord des in Hamburg registrierten Containerschiffs "MSC Flaminia" ein Feuer in der Ladeluke Nummer 4 ausgebrochen. Bei den Löschversuchen sei es dann zu einer Explosion gekommen.
An Bord befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks 23 Mann Besatzung und 2 Passagiere. NSB vermittelt neben dem Betrieb von Frachtschiffen auch Schiffsreisen für Touristen. Nach einem offiziellen Hilferuf über Funk löste der britische Seenotrettungsdienst Großalarm aus und beorderte alle in der Nähe befindlichen Schiffe zum Unglücksort.
"Alle Mann von Bord"
Die Lage an Bord scheint sich unmittelbar nach der Explosion dramatisch verschlechtert zu haben. Mit einem Feuer an Bord mitten im Nordatlantik sah sich der Kapitän des Schiffes offenbar dazu gezwungen, das Schiff vorerst aufzugeben und alle Besatzungsmitglieder samt Verletzten und Passagieren in die Rettungsboote zu schicken. Branchenkreisen zufolge treibt die MSC Flaminia gut 1000 nautische Meilen vom Festland entfernt brennend auf See. Für den vermissten Seemann besteht wenig Hoffnung.
Die MSC Flaminia hatte ihre Reise im Hafen von Charleston an der US-Ostküste begonnen und war auf dem Weg nach Antwerpen, als das Unglück seinen Lauf nahm. Als nächste Schiffe in Reichweite kamen ein Öltanker, die "DS Crown", und der Containerfrachter "MSC Stella" der Flaminia-Besatzung zu Hilfe. Mit den Verletzten an Bord nahm die Stella Kurs auf die Azoren, von wo aus ihr Rettungshubschrauber entgegenkamen. Sie übernahmen die Verletzten und brachten sie auf dem Luftweg in die nächstgelegene Krankenstation auf den Azoren. Die übrigen unverletzt Geretteten befinden sich an Bord der Crown auf dem Weg in den britischen Hafen Falmouth.
Zwei Feuerlösch-Schlepper sind auf dem Weg zu dem havarierten Schiff. "Die Brandursache ist bis dato völlig ungeklärt", teilte die Reederei mit. Ein "Notfall Team" der NSB habe "in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Stellen" umgehend Untersuchungen zu dem Vorfall eingeleitet. Offen ist bislang, wie stark das Schiff bei dem Zwischenfall beschädigt wurde.
"Über den Zustand der MSC Flaminia liegen uns derzeit keine neueren Erkenntnisse vor. Eine Einschätzung über das Ausmaß der Schäden kann erst nach Eintreffen der Schlepper am späten Dienstagabend erfolgen", heißt es bei NSB. In Internetforen hieß es, Schiffe in der Nähe berichteten von einer großen Rauchwolke. Möglicherweise besteht die Gefahr weiterer Explosionen. Gerüchten zufolge soll das Schiff unter anderem auch Container mit Calciumhypochlorid geladen haben. Die Chemikalie muss als Gefahrgut gekennzeichnet werden, gilt aber lediglich als brandfördernd und gesundheitsschädlich, aber nicht als explosiv.
Rätselraten über die Unglücksursache
Bis zu einer ersten Einschätzung der Bergungsteams vor Ort bleiben den Experten an Land nur Spekulationen: Denkbar wäre zum Beispiel, dass sich im Schiffskörper unter der Ladeluke entzündliche Gase angesammelt hatten und es durch einen Kabelbrand oder einen ähnlichen technischen Defekt zu einer Verpuffung gekommen war. Theoretisch können bei der Lagerung von Lebensmittel in unzureichend gekühlten Containern brennbare Gärgase wie zum Beispiel Methan entstehen. Im Bereich des Möglichen wäre auch eine Staubexplosion im Zusammenhang mit dem Transport von Stoffen in Pulverform oder anderen brennbaren Feststoffen.
Die Flaminia ist ein moderner Containerfrachter mit einer Länge von 299 Metern und einer ausgewiesenen Ladekapazität von 6750 Standardcontainern (TEU). Auf Kiel gelegt wurde das Schiff im Jahr 2001 in einer Werft in Südkorea. Nach gut fünf Monaten Bauzeit wurde das Schiff ausgeliefert und in Dienst gestellt. Als Schiffseigner tritt der geschlossene Schiffsfonds "Conti 11. Container Schiffahrts-GmbH & Co. KG" des oberbayerischen Fondsanbieters Conti aus Putzbrunn bei München auf. Sollte das Schiff ausbrennen oder führungslos in eine Schlechtwetterzone geraten, wäre der Totalverlust denkbar.
Die Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft (NSB) wurde 1982 gegründet und hat ihren Sitz in Buxtehude bei Hamburg. Die NSB-Flotte umfasst eigenen Angaben zufolge 109 Schiffseinheiten. Neben Containerschiffen wie der Flaminia schickt NSB auch Rohöltanker, Ölprodukt-Tankschiffe und Flüssiggastanker über die Weltmeere.
Die Besatzung der MSC Flaminia bestand aus 23 Mann Besatzung, darunter fünf Deutsche, drei Polen und 15 Philippiner sowie die beiden Passagiere, zu deren Nationalität die Reederei keine Angaben machte. Offen blieb zunächst auch, aus welchem Land der tote Seemann und sein vermisster Kollege stammen.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa