Politik

Becker bestreitet RAF-Mord mit Alibi Bubacks Sohn beklagt Qualen

Ein Spezialist untersucht das Motorrad, auf dem die Attentäter von Karlsruhe saßen.

Ein Spezialist untersucht das Motorrad, auf dem die Attentäter von Karlsruhe saßen.

(Foto: dapd)

Nach 35 Jahren bricht Ex-RAF-Terroristin Becker ihr Schweigen über den Mord an Generalbundesanwalt Buback. Im Gerichtssaal wendet sie sich mit einer Erklärung Auge in Auge an dessen Sohn Michael - und leugnet mitsamt eines nicht nachprüfbaren Alibis. Es bleibt ungeklärt, wer damals die tödlichen Schüsse abfeuerte.

Die Verena Becker hat jede Beteiligung am Mordanschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback im April 1977 bestritten. Sie sei bis zu ihrer Festnahme im Mai 1977 nie in Karlsruhe gewesen, sagte Becker vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Damit nahm sie nach mehr als anderthalb Jahren im Prozess erstmals Stellung zum Tatvorwurf. Zur Zeit des Attentats habe sie sich im Jemen aufgehalten. Von dort aus sei sie erst am Tag nach dem Attentat nach Europa zurückgekehrt. "Ich erfuhr in Rom aus Zeitungen vom Anschlag auf Buback", so Becker. Sie sei auch nicht an der Planung des Attentats beteiligt gewesen.

Michael Buback, hier gegenüber Verena Becker im Vordergrund, ist enttäuscht.

Michael Buback, hier gegenüber Verena Becker im Vordergrund, ist enttäuscht.

(Foto: dpa)

Zu Beginn ihrer gut 20 Minuten langen Erklärung wandte sich Becker an den Sohn des Opfers, den Nebenkläger Michael Buback. "In allen Beiträgen und Artikeln, die ich von Ihnen gelesen habe, wollen Sie wissen, wer Ihren Vater getötet hat. Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, denn ich war nicht dabei."

"Völlig unzureichend"

Nebenkläger Michael Buback sagte, er empfinde die Erklärung Beckers "in allen wesentlichen Punkten als völlig unzureichend". Die Hauptfrage sei weiterhin, wer die unmittelbaren Täter des Mordanschlags waren. "Man kann natürlich auch Wissen haben, wenn man nicht dabei gewesen ist", sagte der Sohn des RAF-Opfers. Buback war bislang davon ausgegangen, dass Verena Becker selbst die Todesschützin auf dem Motorrad war, auch wenn der Prozess hierfür keine belastbaren Anhaltspunkte ergeben hatte.

An jenem 7. April fuhren in Karlsruhe zwei vermummte RAF-Terroristen neben Bubacks Dienstwagen, der an einer Ampel gehalten hatte. Der Täter auf dem Sozius feuerte dann mit einem automatischen Gewehr aus nächster Nähe durch das rechte Seitenfenster in das Wageninnere. Buback und sein Fahrer Wolfgang Göber waren sofort tot. Ihr Begleiter Georg Wurster starb wenige Tage später.

Der Sohn des Opfers kritisierte auch, dass Beckers Erklärung erst nach mehr als anderthalb Jahren kam. Buback wandte sich direkt an die Angeklagte: "Warum haben Sie das nicht zu Beginn dieses Prozesses - der ja sehr lang ist und sehr quälend, ich glaube auch für Sie - warum haben Sie diese Erklärung nicht zu Beginn des Prozesses abgegeben?"

Bundesanwalt Walter Hemberger sprach von einer Erklärung, die an das Ergebnis der Beweisaufnahme angepasst sei. "Es gibt sehr viele Punkte, die man kritisch hinterfragen kann." Er hoffe allerdings, dass die Vermutung, Becker selbst sei die Schützin gewesen, "mit dieser Erklärung erledigt sein wird", sagte der Anklagevertreter. "An dieser Spekulation ist nichts dran."

Bereits begnadigt

Zwar wurden 1980 Knut Folkerts und 1985 Brigitte Mohnhaupt sowie Christian Klar wegen Mittäterschaft an dem Anschlag verurteilt. Doch wer damals geschossen und wer das Motorrad gefahren hatte, blieb unklar. Becker, die bei ihrer Festnahme im badischen Singen 1977 auf Polizisten geschossen hatte, wurde nur deshalb angeklagt und wegen versuchten Mordes an den Beamten zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach zwölfjähriger Haft wurde sie dann 1989 vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker begnadigt.

Verena Becker bestreitet eine direkte Beteiligung an der Aktion.

Verena Becker bestreitet eine direkte Beteiligung an der Aktion.

(Foto: dapd)

Der Fall Buback geriet schließlich in Vergessenheit, bis der Sohn des damaligen Opfers, Michael Buback, 2008 eine Wiederaufnahme der Ermittlungen auch gegen Becker erreichte. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft war Becker eine treibende Kraft in der damaligen sogenannten zweiten Generation der Rote Armee Fraktion (RAF). Sie habe die Forderungen der in Stuttgart-Stammheim inhaftierten früheren Führungsköpfe, Buback zu ermorden, rückhaltlos unterstützt.

Becker ist angeklagt, am Attentat der Roten Armee Fraktion (RAF) auf Buback beteiligt gewesen zu sein. Laut Anklage soll sie eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung für das Attentat sowie bei der Organisation gespielt haben.

"Nie beteiligt"

"An einer konkreten Anschlagsvorbereitung war ich nie beteiligt", widersprach Becker in ihrer Erklärung, die sie vom Blatt ablas. "Richtig ist allein, dass alle, die wir damals in der RAF organisiert waren, von einem starken Bedürfnis geleitet wurden, die Gefangenen in Stuttgart-Stammheim zu befreien. Auch wenn damals noch nichts Näheres feststand, wurde eine Aktion gegen Generalbundesanwalt Buback von uns allen im Grundsatz für richtig befunden", sagte Becker.

Persönliche Worte des Bedauerns äußerte die 59-Jährige nicht. "Während ich damals - wie wir alle - solche Schritte billigte, hat mich mein Weg, wie in der Folgezeit ja offenkundig wurde, später davon weggeführt", sagte sie lediglich. Die Verteidiger hätten lange mit Verena Becker darüber nachgedacht, ob sie ihr Bedauern äußern solle, sagte Beckers Anwalt Hans Wolfgang Euler. Man habe sich aber dagegen entschieden, weil derartige Erklärungen in Strafprozessen häufig nur Lippenbekenntnisse seien. Auch Becker hatte zu Beginn ihrer Erklärung betont, dass sie sich als Angeklagte in einem Strafprozess befinde und sich verteidigen müsse.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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