Politik

Jahrelang zu wenig GehaltVerfassungsgericht rügt Berlin für Bezahlung seiner Beamten

19.11.2025, 13:45 Uhr
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Vom Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter sind vor allem Polizisten und Lehrer betroffen. (Foto: picture alliance/dpa)

Mehr als ein Jahrzehnt hat Berlin seine Landesbediensteten nach Ansicht der Karlsruher Verfassungsrichter zu schlecht bezahlt. Die Entscheidung betrifft eine Besoldungsgruppe, der die meisten Staatsdiener angehören. Das Land muss nun nachträglich nachbessern.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bezahlung zahlreicher Berliner Landesbeamter für verfassungswidrig erklärt. Betroffen sind 95 Prozent der Besoldungsgruppe A, der die meisten Beamten angehören. Dazu gehören etwa Polizisten oder Lehrer. Die entsprechenden Regelungen im Berliner Besoldungsrecht waren von 2008 bis 2020 mit wenigen Ausnahmen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Land Berlin muss bis zum 31. März 2027 die Bezahlung der Beamten verfassungsgemäß regeln, heißt es in der Entscheidung. Die Gewerkschaften begrüßten das Urteil und forderten entsprechende Nachzahlungen.

Das Land Berlin erklärte nach der Entscheidung, es werde die Vorgaben aus Karlsruhe schnellstmöglich umsetzen. Die Senatsverwaltung für Finanzen wolle den Beschluss zum Anlass nehmen, ein entsprechendes Reparaturgesetz zu erarbeiten. Für die möglichen finanziellen Auswirkungen habe der Senat bereits eine Risikovorsorge von 280 Millionen Euro im Doppelhaushalt der Jahre 2026 und 2027 eingeplant.

Rückwirkende Nachzahlungen muss die Landesregierung laut Urteil aber nicht an alle Betroffenen leisten. Vielmehr haben nur diejenigen Anspruch auf Nachzahlung, die juristische Schritte - also Klage oder Widerspruch - gegen ihre Bezahlung eingelegt haben und deren Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

Im Ausgangsverfahren hatten sieben Berliner Beamte geklagt, unter ihnen ein 1965 geborener Polizist. Alle beanstandeten ihre Bezahlung als zu niedrig. Ihre Eingaben führten dazu, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin beziehungsweise das Bundesverwaltungsgericht 2017 und 2018 das Verfassungsgericht anriefen, um die Gehälter überprüfen zu lassen. Auch die Verwaltungsrichter hatten Zweifel, ob die Bezahlung noch angemessen ist.

Das Verfassungsgericht ist zuständig, da das Berufsbeamtentum in Artikel 33 des Grundgesetzes garantiert ist. Dazu gehört auch eine angemessene Besoldung von Beamten und deren Familien im aktiven Dienst und bei Invalidität sowie die Sicherstellung eines dem Amt angemessenen Lebensunterhalts im Alter. Hierzu legte das Verfassungsgericht bereits 2015 Kriterien fest. Unter anderem werden die Beamtenbezüge dabei mit der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst, dem Verbraucherpreisindex und dem Nominallohnindex des jeweiligen Bundeslandes verglichen. Die Besoldung soll zudem mindestens 15 Prozent über der staatlichen Grundsicherung liegen. Danach gelten die allgemeine Lohnentwicklung und die Verbraucherpreise als Maßstab.

Zur angemessenen Bezahlung gehört auch, dass ein Abstand zwischen den verschiedenen Gehaltsgruppen eingehalten wird. Schließlich muss die Mindestbesoldung 80 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens betragen. Diese Kriterien waren in 95 Prozent der Berliner Gehaltsgruppen der Jahre 2008 bis 2020 nicht erfüllt.

Das Gericht habe damit seine eigenen Prüfkriterien aus der Entscheidung im Jahr 2020 konkretisiert, sagt der Vorsitzende des dbb Beamtenbund und Tarifunion, Volker Geyer. "Angesichts der Vielzahl an Klagen gegen die Besoldung ist dieser Schritt nachvollziehbar – und ein weiteres Warnsignal für alle Dienstherrn. Welche Konsequenzen sich aus diesen neuen Maßstäben ergeben, werden wir nun intensiv prüfen."

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Berlin erwarte, dass die im Streit stehenden Jahre nun umgehend nachgezahlt und für die Folgejahre die Grundlagen für eine amtsangemessene Alimentation geschaffen werde, erklärt Landeschef Stephan Weg. "Als Beamtinnen und Beamte verpflichten wir uns der stetigen Abrufbarkeit unseres Dienstherrn, der sich 24/7 auf uns verlassen kann. Wir müssen darauf vertrauen können, dass er sich an Gesetze hält und seiner Verantwortung gerecht wird."

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg fordert nach der Entscheidung ein umfassendes Nachzahlungsgesetz. "Auf das Land Berlin kommen jetzt Nachforderungen in Millionenhöhe zu", sagt Vorsitzende Katja Karger. "Der DGB und die Gewerkschaften haben jahrelang auf dieses Zahlungsrisiko hingewiesen und gefordert, dass das Land ausreichend Vorsorge treffen muss."

Mit der jüngsten Entscheidung ist das Thema Besoldung in Karlsruhe wohl noch lange nicht vorbei. Im Bundesverfassungsgericht sind noch zahlreiche ähnliche Richtervorlagen anhängig - etwa aus Bremen und dem Saarland. Und erst vergangene Woche hatte das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht die Besoldung der Beamten, Richter und Staatsanwälte im Land in Karlsruhe zur Prüfung vorgelegt.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa/AFP