Großoffensive mit Panzern Bundeswehr rückt vor
22.07.2009, 10:52 Uhr
Deutsche Panzer im Februar 2006 bei einem Manöver mit der afghanischen Armee.
(Foto: REUTERS)
Hunderte Soldaten der Bundeswehr kämpfen bei einer Großoffensive im Norden Afghanistans unter Einsatz schwerer Waffen gegen die Taliban. Dabei kommen auch erstmals deutsche Panzer zum Einsatz. Die Offensive soll noch Tage andauern.
Die Bundeswehr beteiligt sich derzeit mit mehreren hundert Soldaten und erstmals auch Panzern an einer der größten Militäroffensiven gegen Taliban in Nord-Afghanistan. Das Verteidigungsministerium in Berlin bestätigte die Operation und den Einsatz von Mörsern und "Marder"-Panzern.
Verteidigungsminister Franz Josef Jung begründete den Einsatz mit der Verschlechterung der Lage im Raum Kundus durch zunehmende Angriffe und Hinterhalte von Aufständischen. "Wir sind jetzt besonders herausgefordert in Kundus", sagte der Minister. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan sagte in einer gemeinsamen Pressekonferenz, es sei "jetzt an der Zeit, diese Eskalation vorzunehmen". Ziel sei, die Lage dort vor der Präsidentschaftswahl im August in Afghanistan wieder in den Griff zu bekommen, damit es zu einem ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl komme.
Offensive wird etwa eine Woche andauern

Deutsche Soldaten der Schnellen Eingreiftruppe bilden den Kern der Einsatzkräfte (Archivbild).
(Foto: REUTERS)
Bereits am Montag hatte das Ministerium mitgeteilt, dass es im Raum Kundus bei einer Operation der afghanischen Sicherheitskräfte mit deutscher Unterstützung "mehrfach zu Feuergefechten mit gegnerischen Gruppen" gekommen sei. Dabei habe es auch sogenannte Luftnahunterstützung gegeben. Dieser in der Militärsprache genannte "close air support" bedeutet, dass die Luftwaffe den Bodentruppen zu Hilfe kommt. Diesmal soll erstmals aus der Luft scharf geschossen worden sein. Die Offensive werde noch Tage dauern, hieß es.
Bei der Operation von rund 300 deutschen und 800 afghanischen Soldaten sowie 100 afghanischen Polizisten werden erstmals Mörser und Panzer eingesetzt. Schneiderhan sagte auf die Frage, ob der erstmalige Einsatz schwerer Waffen eine neue Qualität darstelle: "Es gibt kein neue Befehlslage. Es gibt eine neue Lage (...) Der Raum Kundus hat sich negativ entwickelt. Da braucht man nicht drumherum zu reden." Die Bundeswehr habe die Waffen und das Gerät schon lange in Afghanistan zur Verfügung. Die Militärführer vor Ort entschieden, wann und wie die Waffen eingesetzt würden. Die Offensive werde voraussichtlich noch etwa eine Woche dauern. Jung zufolge handelt es sich um einen Radius von 30 Kilometern um Kundus.
Trotzdem will Jung den Bundeswehr-Einsatz nicht als Krieg bezeichnen. "Wir machen einen Stabilisierungseinsatz und keinen Krieg", betonte er. Er warnte davor, die Sprache der Taliban zu übernehmen, die sich selbst als Krieger darstellten. Die Taliban seien aber keine Krieger, sondern Terroristen, sagte Jung. Deshalb rate er dringend dazu, diese Diskussion zu beenden.
"Marder" erstmals im Einsatz
Den Hauptanteil der Einsatzkräfte leistet nach Angaben aus Berlin Afghanistan mit 1000 Soldaten und Polizisten. Ziel der Offensive sei, aus Pakistan gesteuerte und finanzierte radikal-islamische Taliban aus der Region zu vertreiben und ihre Führung zu zerstören. Nach Angaben aus der Bundeswehr werden die radikal-islamische Taliban in der Region aus Pakistan gesteuert und finanziert. Die Bundeswehr unterstütze die afghanischen Sicherheitskräfte nun bei dem Ziel, die Taliban zu vertreiben.
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte bereits am Montag berichtet, dass die Bundeswehr im Zuge dieser großangelegten Offensive erstmals ihre 1979 eingeführten Schützenpanzer "Marder" in einem Gefecht einsetze. Dabei würden auch die Bordwaffen genutzt. Die "Marder" seien wegen der zunehmenden Kämpfe mit Aufständischen vor rund zwei Wochen von Masar-i-Scharif nach Kundus verlegt worden.
Warnung vor Gewaltspirale
Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei warnte im RBB vor einer Gewaltspirale. In Kundus machten sich jetzt gravierende Fehler des vergangenen Jahres bemerkbar. Dort seien mehr als 500 Stellen bei der Polizei gestrichen worden. Dadurch hätten sich die Taliban dort festsetzen können.
Die Sicherheitslage in der nord-afghanischen Region Kundus hat sich auch nach Angaben von Verteidigungsminister Franz Josef Jung verschärft. Der internationale Afghanistan-Einsatz könne viele Erfolge vorweisen, sagte der CDU-Minister in Berlin. Die Verschlechterung der Sicherheitslage in bestimmten Gebieten gehöre aber zur Wahrheit - "konkret im Raum Kundus". Hier habe sich die Situation durch Hinterhalte von Aufständischen und Gefechte verschärft.
Angst vor Kriegen wächst
Nach dem "Sorgenbarometer" des Hamburgers Magazins "Stern" wächst die Furcht der Deutschen vor Kriegen mit deutscher Beteiligung. 35 Prozent der Befragten hätten große (24 Prozent) oder sehr große (11 Prozent) Angst davor. Das seien insgesamt 5 Prozentpunkte mehr als bei einer Umfrage im März, teilte das Magazin mit.
Für die amerikanischen Truppen in Afghanistan war der Juli bereits jetzt der bisher tödlichste Monat. Seit Beginn dieses Monats seien 31 Soldaten getötet worden, berichtete die "Washington Post". Damit liege die Opferzahl über der bisherige Höchstzahl im Juni 2008, als insgesamt 28 US-Soldaten starben. Auch die anderen ausländischen Truppen mussten im Juli schwere Verluste hinnehmen.
Quelle: ntv.de, tis/dpa