Politik

Sturm auf diplomatische Vertretungen Deutsche Botschaft in Flammen

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Die deutsche Botschaft in Khartum wurde von aufgebrachten Islamisten in Brand gesteckt.

(Foto: REUTERS)

Die Proteste in der islamischen Welt gegen den bei Youtube veröffentlichten Hetzfilm weiten sich aus. Die Botschaften Deutschlands, Großbritanniens und der USA in der sudanesischen Hauptstadt Khartum werden gestürmt, die deutsche Vertretung steht in Flammen. In Tunis steht schwarzer Rauch über der US-Botschaft.

Aus Wut über einen Mohammed-Schmähfilm haben aufgebrachte Demonstranten die deutsche Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum in Brand gesetzt. Zahlreiche Randalierer drangen in das Botschaftsgebäude ein, zerschlugen Fenster, Mobiliar sowie Kameras und legten Feuer.

Die Polizei griff kaum ein, als die wütende Menge in die Botschaft einbrach. Demonstranten rissen das deutsche Botschaftswappen herunter und trampelten darauf herum. Die Angreifer hissten ein islamisches schwarzes Banner mit der weißen Aufschrift "Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet".

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich besorgt und rief die arabischen Regierungen auf, die Sicherheit der Vertretungen zu gewährleisten. "Religiöser Fanatismus darf nicht die Oberhand gewinnen", mahnte Merkel.

"Diese Gewalt muss enden"

Bundesaußenminister Guido Westerwelle zufolge befanden sich alle Mitarbeiter der deutschen Vertretung in Sicherheit. Westerwelle betonte: "Ich verstehe die Empörung in der islamischen Welt über dieses anti-islamische Hass-Video". Das Video sei "unerträglich", aber es sei "keine Rechtfertigung für diese Gewalt, diese Gewalt muss enden". Die zentralen Punkte seiner Erklärung wiederholte der Bundesaußenminister auf Englisch.

Westerwelle teilte mit, das Auswärtige Amt habe schon heute Morgen den sudanesischen Botschafter in Berlin einbestellt und ihn "unmissverständlich auf die Pflicht seiner Regierung zum Schutz diplomatischer Einrichtungen hingewiesen". Auf Nachfrage sagte Westerwelle, andere Botschafter seien nicht einbestellt worden.

Der Frage, warum der sudanesische Botschafter bereits am Morgen - also vor den Ausschreitungen in Khartum - einbestellt worden war, wich Westerwelle aus. "Wir gehen allem nach, was uns an Informationen erreicht. Dass wir an diesem Freitag, dem Tag der Freitagsgebete, besonders aufmerksam gewesen sind, versteht sich von selbst."

Zwei Tote in Khartum

Auch die nahe gelegene britische Botschaft in Khartum wurde am Freitag angegriffen. Danach versuchten etwa 10.000 Demonstranten, zur US-Botschaft vorzudringen. Die Sicherheitskräfte feuerten Warnschüsse ab, wie ein AFP-Reporter berichtete. Dabei starben zwei Menschen. Ein Demonstrant starb, als ein Polizeifahrzeug ihn überfuhr. Die Leiche des zweiten Toten wurde am Fuß der Umfassungsmauer der Botschaft gefunden, wobei die Umstände seines Todes unklar sind.

Das Auswärtige Amt warnte auf seiner Webseite vor einem weiteren Aufruf islamistischer Gruppen zu einer Demonstration am Sonntag vor der deutschen Botschaft. Angesichts der gewalttätigen Proteste gegen den islamfeindlichen US-Film "Unschuld der Muslime" hatte die Bundesregierung am Freitag die Sicherheitsvorkehrungen an deutschen Auslandsvertretungen in islamischen Ländern verschärft.

Ein Toter in Tripoli

Zu gewaltsamen Ausschreitungen kam es auch im Libanon, wo Papst Benedikt XVI. sich zu einem Besuch aufhielt. Etwa 300 Islamisten zündeten ein US-Schnellrestaurant in Tripoli an. Bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften wurde nach Angaben aus Sicherheitskreisen ein Demonstrant erschossen, 25 weitere Menschen wurden verletzt.

Drei Tote in Tunis

In der tunesischen Hauptstadt Tunis griff eine aufgebrachte Menschenmenge die US-Botschaft an. Dabei wurden mindestens drei Menschen getötet, mindestens 28 Menschen seien verletzt worden, meldet die tunesische Nachrichtenagentur TAP unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Zwei der Verletzten schwebten in Lebensgefahr.

Mehrere Demonstranten waren über eine der Mauern um die in einem Vorort von Tunis gelegene Botschaft geklettert. Nachdem die Menge Molotowcocktails auf das Gelände geworfen hatte, brannten mehrere Fahrzeuge. Die Polizei setzte zunächst Tränengas ein. Später schossen die Sicherheitskräfte. Laut TAP setzten Demonstranten auch die wenige Meter entfernte US-Schule in Brand und plünderten die Ausrüstung der Schule. Am Abend kehrte zunächst Ruhe ein.

"Marsch der Millionen" in Kairo abgesagt

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Protest in Sanaa.

(Foto: REUTERS)

In der ägyptischen Hauptstadt Kairo gab es am Freitag weiter wiederholt Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten vor der US-Botschaft. Die mächtige Muslimbruderschaft nahm einen Aufruf zu einem "Millionen-Marsch" angesichts der Gewalteskalation der vergangenen Tage zurück.

Staatschef Mohammed Mursi, früher selbst Mitglied der Muslimbruderschaft, warnte, der islamfeindliche Film sei eine "Aggression", die "Zwietracht säen" solle und von den wirklichen Problemen im Nahen Osten ablenke.

Demonstrationen in der gesamten islamischen Welt

Auch in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa gab die Polizei Warnschüsse ab und setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, als hunderte Demonstranten zur US-Botschaft marschieren wollten. Am Donnerstag waren vier Menschen bei Protesten vor der US-Botschaft in Sanaa getötet worden.

In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka versammelten sich etwa 10.000 Demonstranten und verbrannten israelische und US-Flaggen. Das iranische Staatsfernsehen meldete tausende Demonstranten in Teheran, in der syrischen Hauptstadt Damaskus organisierten knapp 200 Demonstranten ein Sit-in vor der derzeit geschlossenen US-Botschaft. Im Gazastreifen demonstrierten tausende Menschen, in Ost-Jerusalem gab es bei Zusammenstößen zwischen hunderten Palästinensern und der israelischen Polizei fünf Verletzte.

Weitere Kundgebungen fanden in Marokko, Indonesien, Jordanien, Pakistan, Indien und im Irak statt. In Afghanistan waren die Behörden in erhöhter Alarmbereitschaft, im Osten des Landes wurden bei Protesten Bilder von US-Präsident Barack Obama verbrannt.

Die Proteste hatten am Dienstag in Kairo begonnen, wo Islamisten die US-Botschaft stürmten. In der libyschen Küstenstadt Bengasi wurden am selben Tag bei einem Angriff auf das US-Konsulat der US-Botschafter Chris Stevens und drei Mitarbeiter getötet, auch libysche Sicherheitskräfte starben.

UN-Sicherheitsrat verurteilt Angriffe

Der UN-Sicherheitsrat hat die Angriffe auf mehrere westliche Botschaften in der arabischen Welt scharf verurteilt. Gleichzeitig rief das mächtigste UN-Gremium die Regierungen der betroffenen Staaten auf, ihren internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Missionen nachzukommen.

"Die Mitglieder des Sicherheitsrates verurteilen in schärfster Form die Serie von Gewalt gegen Botschaften und konsularische Vertretungen", sagte der Präsident des Sicherheitsrates, in diesem Monat der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig. "Wir sind in tiefer Sorge wegen dieser Angriffe. Der Sinn diplomatischer Vertretungen ist friedlicher Natur, weil sie der besseren Verständigung dienen." Es gebe keinerlei Rechtfertigung für die Angriffe, "egal von wem, wann und aus welchen Motiven".

"Die fundamentalen Prinzipien müssen gewahrt bleiben", sagte Wittig. "Die Gastgeberländer sind für den Schutz der Botschaften nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verantwortlich und müssen alle Schritte gegen Angreifer unternehmen." Der Rat rufe die Regierungen auf, alles zum Schutz der Vertretungen und ihres Personals zu tun.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/rts/AFP

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