Politik

Athen braucht offenbar 135 Milliarden Euro "Deutschland übernimmt Verantwortung"

Bundeskanzlerin Merkel warnt angesichts der Griechenland-Probleme vor einer weltweiten Krise nach dem Muster der Lehman-Pleite. Jeder müsse wissen, dass man eine solche Situation nicht zulassen dürfe. Deutschland werde bei einer Gefahr für den Euro Verantwortung übernehmen. Zuvor war bekannt geworden, dass EU und IWF das Rettungspaket für Griechenland auf möglicherweise 135 Milliarden Euro aufstocken müssen. Es soll drei Jahre laufen. Auf Deutschland käme dann eine jährliche Belastung von aktuell 8,4 Milliarden Euro zu. Finanzminister Schäuble hält es hingegen für möglich, dass der deutsche Anteil bis 2012 sinkt.

Merkel in Kanzleramt mit den Spitzen internationaler Wirtschafts- und Arbeitsorganisationen.

Merkel in Kanzleramt mit den Spitzen internationaler Wirtschafts- und Arbeitsorganisationen.

(Foto: dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Willen Deutschlands bekräftigt, bei Gefahr für den Euro Verantwortung zu übernehmen. Merkel betonte in Berlin nach einem Treffen mit den Spitzen internationaler Wirtschafts- und Arbeitsorganisationen, "wenn die Stabilität des Euro-Raums insgesamt in Gefahr ist", fühle sich jedes Mitgliedsland - auch Deutschland selbstverständlich - dieser Stabilität verpflichtet.

Mit Blick auf die schwindende Kreditwürdigkeit von Griechenland, Portugal und zuletzt Spanien sagte sie: "Jetzt muss man schauen, dass die Exit-Strategien möglichst vernünftig gefahren werden, damit nicht große Staatsdefizite dauerhaft - egal wo - Angriffspunkte sein können für Spekulation." Zudem müssten Defizit-Probleme wie in Griechenland an der Wurzel gepackt und eine Basis für nachhaltiges Wachstum geschaffen werden.

Zahlen-Spekulationen nicht gutgeheißen

Auf die Zahlen-Spekulationen über den Finanzbedarf Griechenlands in den Jahren bis 2012 wollte Merkel nicht eingehen. Sie ließ aber erkennen, dass sie die Angaben von  Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) über 135 Milliarden Euro für drei Jahre nicht guthieß. Zuerst müssten die Programme endgültig ausgearbeitet werden, dann könne man über Zahlen reden.

Brüderle bei der Pressekonferenz in Sao Paulo.

Brüderle bei der Pressekonferenz in Sao Paulo.

(Foto: dpa)

Brüderle hatte das Griechenland-Hilfspaket der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in drei Jahren auf ein Volumen von 135 Milliarden Euro beziffert. Die jährliche Belastung für Deutschland liege dann aktuell bei 8,4 Milliarden Euro, so der FDP-Politiker. Die Risiken könnten aber weit größer sein: "Ich kann nicht ausschließen, dass es ein höherer Betrag wird", sagte Brüderle während einer Brasilien-Reise in Sao Paulo, die wegen der aktuellen Ereignisse angesetzt wurde.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält es hingegen für möglich, dass der deutsche Anteil an der Finanzhilfe bis 2012 geringer ausfallen wird. Die Experten rechneten damit. "dass die Summen für 2011 und 2012 niedriger ausfallen", sagte Schäuble dem "Westfalen-Blatt". Der deutsche Beitrag werde "aber immer noch erheblich sein", sagte der Finanzminister weiter.

Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprachen in Berlin von einer Finanzhilfe von bis zu 120 Milliarden Euro für Griechenland. Beide Politiker äußerten sich, nachdem der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet und der Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, die Fraktionsspitzen zu Euro-Krise unterrichtet hatten. Die Situation sei "dramatisch, aber nicht unkontrollierbar", sagte Oppermann nach dem Treffen im Bundesfinanzministerium.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte Spekulanten davor, gegen Griechenland zu wetten. Wer dies tue, werde "sehr viel Geld verlieren", sagte Westerwelle.

Zögern kostet viel Geld

Die 45 Milliarden Euro Hilfe für Athen in diesem Jahr, über die jetzt gesprochen werde, seien nur der Anfang, sagte Trittin. Es gehe um einen Konsolidierungsbedarf in einer Größenordnung, die am Ende zwischen 100 und 120 Milliarden Euro liegen werde. Trittin erhob schwere Vorwürfe gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU): "Das Zögern und Zaudern der Europäischen Union, angestiftet durch die Bundeskanzlerin, hat die Krise verschärft und den Konsolidierungsbedarf in die Höhe getrieben." Zugleich betonte er, dass jetzt rasch gehandelt werden müsse.

Hilfsbereit: Der Präsident der Europäischen Zentralbank Trichet (links), IWF-Chef Strauss-Kahn und Bundesfinanzminister Schäuble (Mitte).

Hilfsbereit: Der Präsident der Europäischen Zentralbank Trichet (links), IWF-Chef Strauss-Kahn und Bundesfinanzminister Schäuble (Mitte).

(Foto: dpa)

Oppermann sagte, für Deutschland gehe es dann nicht um gesamt 8,4 Milliarden Euro, sondern um einen Betrag bis zu 25 Milliarden Euro. Die Europäische Union (EU) habe nach Einschätzung des IWF viel zu lange mit dem Krisenmanagement gewartet, fügte der SPD-Politiker nach der Unterrichtung durch IWF-Chef Strauss-Kahn hinzu. Mit Blick auf die Verabschiedung des Hilfspakets im Parlament sagte Oppermann, er könne sich nicht vorstellen, "dass der Bundestag zustimmt ohne durchgreifende Maßnahmen auf den Devisen- und Finanzmärkten". Er gehe davon aus, dass auch andere Fraktionen im Bundestag "keinem Blankoscheck" zustimmen werden und damit andere animieren, es dem Beispiel Griechenlands gleichzutun.

Entschluss für Montag geplant

Die Bundesregierung will über die Griechenland-Hilfe im Schnellverfahren entscheiden. Ein Gesetzentwurf, der einen Kredit durch die staatliche Förderbank KfW ermöglichen soll, könnte bereits am kommenden Montag bei einer Sondersitzung des Kabinetts beschlossen werden, wie Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach in Berlin sagte. Nach nun vom IWF und der EZB festgestellten Hilfsbedürftigkeit Griechenlands könnte der Gesetzentwurf bereits am Freitag kommender Woche vom Bundesrat gebilligt werden.

Berichten zufolge könnten EU-Kommission, IWF und EZB ihre Verhandlungen mit Athen über mögliche Kredithilfen schon am Sonntag abschließen. Nach Angaben der griechischen Regierung müssen die Hilfen bis zum 19. Mai bereitstehen, weil die Regierung dann neues Geld aufnehmen muss, um alte Schulden zurückzuzahlen.

Europa in historischer Verantwortung

Derweil hat der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou die Länder der Eurozone zu schneller Hilfe für sein Land aufgerufen. Europa und die Eurozone müssten verhindern, dass sich das "Feuer auf die europäische und die Weltwirtschaft ausbreitet", sagte Papandreou in einer Kabinettssitzung in Athen. Die Last dieser Verantwortung liege nicht nur auf Griechenland - auch Europa habe eine historische Verantwortung.

Warnung an Spekulanten

Unterdessen warnte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in der Griechenland-Finanzkrise die Spekulanten in scharfer Form. "Diejenigen, die gegen Griechenland wetten, werden sehr viel Geld verlieren", sagte er nach einem Treffen mit seinem irischen Amtskollegen Micheal Martin in Berlin. Es sei unbedingt notwendig, "in dieser ernsten Situation kühlen Kopf zu bewahren". Oberstes Ziel der Bundesregierung sei es, den Euro und damit Europa zu schützen. An der Reihenfolge für eventuelle Finanzhilfen an Athen müsse deshalb festgehalten werden. Zunächst müsse Griechenland jetzt ein überzeugendes Sparpaket vorlegen. Das Beispiel des ebenfalls stark verschuldeten Irlands zeige, dass solche Konsolidierungsprogramme auch zu Erfolgen führen könnten.

Kein Widerstand aus den Bundesländern

Angesichts der dramatischen Situation sind die Bundesländer bereit, das Gesetz für die Griechenland-Hilfe der EU im Eilverfahren in der kommenden Woche abschließend zu beraten. "Der Druck ist inzwischen so groß, dass die Gesetzgebung so rasch wie möglich umgesetzt werde sollte", sagte der baden-württembergische Bundesratsminister Wolfgang Reinhart (CDU). Eine Sondersitzung der Länderkammer wäre dann nicht nötig.

Das Finanzministerium arbeitet bereits mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf. Der Bundesrat kommt am 7. Mai zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammen. Wenn der Bundestag bis dahin die Staatsgarantien für die Griechenland-Hilfe beschlossen hat, könnte der Bundesrat dann das Gesetz abschließend billigen. Da es sich vermutlich um ein Einspruchsgesetz handelt, können die Länder die Hilfen für Griechenland ohnehin nicht dauerhaft blockieren.

Staatsrechtler will klagen

Der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider bekräftigte, dass er gemeinsam mit drei Mitstreitern eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht für den Fall vorbereitet, dass der Bundestag ein Gesetz zu Staatshilfen für Griechenland passieren lässt.

"Sobald das Gesetz über die Griechenlandhilfen durch den Bundestag ist, klagen wir", sagte der pensionierte Professor für Öffentliches Recht der "Mitteldeutschen Zeitung". Das EU-Recht sehe keinen Finanzausgleich wie bei Bundesstaaten vor, wenn ein Euro-Land in Probleme gerate, da die Europäische Union nur ein Staatenbund sei.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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