Politik

Lötzsch mag nicht über Castro reden Linke streitet "wie Kesselflicker"

In der Linkspartei scheinen Fehdehandschuhe sehr beliebt zu sein.

In der Linkspartei scheinen Fehdehandschuhe sehr beliebt zu sein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Castro, Mauerbau, Antisemitismus, interne Querelen - hätte die Linke so viele Prozentpunkte in den Umfragen wie Streitpunkte auf der Agenda, sie müsste einen Kanzlerkandidaten aufstellen. Stattdessen fliegen seit Wochen die Fetzen. Parteichefin Lötzsch ist gereizt und würgt Fragen nach dem ominösen Brief an Fidel Castro ab.

Auf eine längere Diskussion über ihren umstrittenen Brief an Fidel Castro hatte Gesine Lötzsch offenbar keine Lust mehr. Bei der wöchentlichen Partei-Pressekonferenz wollte die Linken-Chefin zunächst nur drei Fragen zu dem Thema zulassen. Solche Begrenzungen sind im politischen Berlin unüblich. Erst nach Protesten ließ die Vorsitzende noch die eine oder andere Frage zusätzlich zu.

Die Situation zeigt, dass die Nerven bei der Linken derzeit blank liegen. Vor zwei wichtigen Landtagswahlen steckt die Partei in der wohl tiefsten Krise ihrer erst vierjährigen Geschichte. Immer wieder verstrickt sie sich in Diskussionen, die mit den aktuellen politischen Herausforderungen kaum etwas oder gar nichts zu tun haben. Es folgen Stillhalte-Appelle, bevor es mit einem neuen Thema wieder von vorne losgeht.

Lötzsch steht zu Brief an Castro

Der Maximo Lider würde über die Führungsprobleme wohl nur den Kopf schütteln.

Der Maximo Lider würde über die Führungsprobleme wohl nur den Kopf schütteln.

(Foto: dpa)

Das Glückwunschschreiben zum 85. Geburtstag des kubanischen Revolutionsführers Castro hatten Lötzsch und ihr Co-Vorsitzender Klaus Ernst bereits vor einer Woche abgeschickt. Es ist in einem Duktus gehalten, durch den man sich in Zeiten des Kalten Krieges zurückversetzt fühlt. Castro wird darin für sein "kampferfülltes Leben" gewürdigt, Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen oder ein Demokratiedefizit in Kuba finden sich nicht.

Lötzsch verteidigte sich: So etwas gehöre auch nicht in ein Glückwunschschreiben. Kritik ließ sie lediglich an der Tonlage zu: "Schöner und besser kann man immer alles formulieren."

"Wie die Kesselflicker"

Definition des Kommunismus-Begriffs, Bewertung des Mauerbaus, Kritik an Israel und jetzt die Haltung zur kubanischen Revolution - das sind die Themen, mit denen die Linke in einem Jahr mit insgesamt sieben Landtagswahlen die größten Schlagzeilen produziert hat. Die vielleicht wichtigsten Wahlen stehen noch an: Am 4. September wird in Mecklenburg-Vorpommern gewählt, am 18. September will sich die Linke in Berlin als Regierungspartei behaupten.

Die aktuellen Streitereien sorgen gerade vor diesem Hintergrund selbst bei Führungspersönlichkeiten für offenen Unmut. "Wir springen derzeit über jeden Stock und nutzen Nebenthemen, um uns so richtig zu zerfetzen", beschwerte sich die parlamentarische Geschäftsführerin im Bundestag, Dagmar Enkelmann. Die Linke streite sich derzeit "wie die Kesselflicker".

Inhalte geraten in den Hintergrund

Die Partei ist mehr mit sich als mit Inhalten beschäftigt.

Die Partei ist mehr mit sich als mit Inhalten beschäftigt.

(Foto: dpa)

Inhaltlich konnte die Partei in letzter Zeit kaum noch punkten. Mit ihren klassischen Themen Hartz IV, Mindestlohn, Afghanistan-Krieg hält die Partei ihre Kernwählerschaft zwar bei der Stange. Die Erschließung neuen Wählerpotenzials etwa mit einem Mega-Thema wie Energie gelang dagegen nicht. Die Atom-Debatte rauschte an der Linken vorbei, ohne dass sie in Umfragen oder Wahlen davon profitieren konnte. Bundesweit hat die Partei seit der Bundestagswahl vor zwei Jahren drei bis vier ihrer damals fast 12 Prozentpunkte verloren.

Der "Parteibildungsprozess", die Integration der aus der westdeutschen WASG und der ostdeutschen Linkspartei/PDS entstandenen Partei, ist unterdessen ins Stocken geraten. Die Parteivorsitzenden bekommen die Flügelkämpfe nicht in den Griff und auch die Autorität von Fraktionschef Gregor Gysi gilt inzwischen als angekratzt.

Fragezeichen hinter Führungspersonal

Nach den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern kommt die Linke Ende Oktober zu einem Parteitag in Erfurt zusammen. Zentrales Thema ist die Verabschiedung des Parteiprogramms. Inwieweit Lötzsch und Ernst sich daneben der Kritik am Zustand der Partei stellen müssen, wird man sehen.

Der Vorstand wird nach jetziger Planung erst im Juni kommenden Jahres neu gewählt. Ob das jetzige Führungsduo dann erneut kandidiert, ist noch unklar. Für ihre Nachfolge läuft sich aber auch noch niemand so richtig warm. Der frühere Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch und der thüringische Fraktionschef Bodo Ramelow werden als mögliche Kandidaten am häufigsten genannt.

Für den weiblichen Teil der Doppelspitze sieht es schwieriger aus. Die prominentesten Linke-Frauen stehen nicht zur Verfügung. Die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping ist schwanger und will erstmal eine Auszeit nehmen. Vizeparteichefin Sarah Wagenknecht hat bereits verlauten lassen, dass sie kein Interesse hat.

Quelle: ntv.de, Michael Fischer, dpa

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